„Auch die Schweizerische Staatsanwälte-Konferenz hat ein Problem“

In der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG gibt der abtretende Chef der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) heute ein längeres Interview und kritisiert darin die Schweizer Staatsanwaltschafts-Szene.

Uster, bekannt dafür, Klartext zu sprechen, wird in dem Interview von NZZ-Redaktor Samuel Tanner darauf angesprochen, wie er den Zustand der Schweizer Justiz beurteile. Uster beschreibt daraufhin die Mühen, einen Nachfolger für den unmöglich gewordenen Sonder-Bundesanwalt Stefan Keller zu finden. – Keller war vom eidgenössischen Parlament eingesetzt worden, um die Vorwürfe rund um mutmassliche Amtsdelikte des damaligen Bundesanwalts Lauber im Zusammenhang mit dem „Fifa-Komplex“ zu klären. Das Bundesstrafgericht in Bellinzona schickte Keller allerdings aufgrund seiner Medienkommunikation mit einem hochgrad umstrittenen Urteil in den Ausstand, womit er als Sonder-Bundesanwalt unmöglich geworden war und zurück trat.

Erst in der Wintersession wählte das Parlament schliesslich mit den pensionierten ehemaligen Zürcher Staatsanwälten Ulrich Weder und Ersatz. Über diesen Vorgang erzählt Uster nun in der NZZ, er habe im Auftrag der parlamentarischen Gerichtskommission „etwa vierzig Telefongespräche“ geführt und alle hätten abgesagt: „Man fand also am Ende in diesem Land, in diesen 26 Kantonen, mit Ach und Krach zwei Leute, die sich bereit erklärten, dieses heisse Eisen noch einmal anzufassen. Ohne die beiden zum Glück sehr fähigen Ü-70-Männer könnten die Vorgänge bis heute nicht untersucht werden.“

Das findet Uster offenkundig bedenklich für die Vertreterinnen und Vertreter eines Rechtsstaats: „Die eigenen rechtsstaatlichen Institutionen zu erhalten, müsste für die Staatsanwälte in der Schweiz in einer solchen Situation heissen, auch einmal den Fall eines eigenen Kollegen zu untersuchen. Dass dazu von den aktiven Staatsanwälten niemand bereit ist, finde ich ein grundlegendes Problem.“ Dabei greift Uster insbesondere auch die Staatsanwälte-Konferenz direkt an: „Sie war nicht in der Lage oder nicht gewillt, in diesem Verfahren jemanden als Nachfolger von Herrn Keller vorzuschlagen. Mein Fazit deshalb: Man muss weiterhin «äneluege, nid nume luege»“.

Kritik relativiert

Uster wurde während seiner Amtszeit allerdings auch angefeindet, aus dem Kreis des Parlaments und auch von Ex-Bundesanwalt Lauber hiess es regelmässig, Uster gehe mit seiner Aufsichtstätigkeit zu weit und trage seinerseits dazu bei, die Institution der Bundesanwaltschaft zu beschädigen. Die NZZ verpasst es allerdings, Uster explizit mit dieser Kritik zu konfrontieren oder kritisch nachzufragen. Uster entgegnet deshalb lediglich: „Am Anfang hiess es, das kann doch nicht sein. Jetzt kommt da einer aus der Zuger Pampa und will uns sagen, was alles schlecht läuft mit der Bundesanwaltschaft. Aber das änderte sich.“ – Was sein mag, gleichwohl verlangten verschiedene Supporter von Lauber, dass im Nachgang zu dessen Rücktritt auch Uster zurücktreten solle. In einem Interview mit den CH-MEDIEN-Zeitungen vom 4. März 2021 wies Uster dies noch zurück. Im Interview mit der NZZ stellt Uster seinen Rücktritt nun in einen Zusammenhang mit dem neugewählten Bundesanwalt Stefan Blättler: „Ich bin mit Stefan Blättler, dem neuen Bundesanwalt, zwar nicht befreundet, aber es wäre dennoch zu viel Nähe gewesen. Wir haben in verschiedenen Gremien zusammengearbeitet. Am Schweizerischen Polizeiinstitut in Neuenburg war ich Präsident und er Vizepräsident. Später wurde er mein Nachfolger. Ich hätte ihn nicht lege artis beaufsichtigen können.“

 

 

 

Offene Fragen im FIFA-Komplex

Bis heute sind rund um die ominösen FIFA-Verfahren viele Fragen offen. Abklärungen wurden nötig, nachdem im Mai 2018 durch die Enthüllungsplattform „Footbal Leaks“ bekannt geworden war, dass mehrere unprotokollierte Gespräche zwischen dem Bundesanwalt und Fifa-Präsident Gianni Infantino stattgefunden hatten. Mit den Gesprächen verstiess Lauber mutmasslich gegen die Regeln der Strafprozessordnung – und sie waren Wasser auf die Mühlen all‘ derjenigen, die eine Walliser Verschwörung hinter den Untersuchungen zur FIFA zu erkennen glauben: Die Bundesanwaltschaft hatte kurz vor den FIFA-Präsidentschaftswahlen Untersuchungen gegen Michel Platini und den damaligen FIFA-Präsidenten Josef Blatter eingeleitet. Damit waren Blatter und Platini aus dem Rennen bei den Präsidentschaftswahlen und der Weg frei für Gianni Infantino, dessen Intimus Rinaldo Arnold, seines Zeichens Walliser Oberstaatsanwalt, bei den Unterredungen mit dabei gewesen war. – Dazu war mit dem BA-Informationschef André Marty ein weiterer Walliser an den Gesprächen dabei, dessen Rolle bis heute nicht geklärt ist. Marty hat die Bundesanwaltschaft im Nachgang zu Laubers Rücktritt ebenfalls verlassen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert