Aufsicht disqualifiziert Bundesanwalt Lauber

Die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) hat heute Bericht erstattet über den Ausgang des Disziplinarverfahrens gegen Bundesanwalt Michael Lauber. Die Ergebnisse sind für den Bundesanwalt katastrophal.

Die Aufsichtsbehörde kommt zum Schluss, dass Lauber „verschiedene Amtspflichten verletzt“ und „mehrfach die Unwahrheit gesagt“ habe. Dazu habe er illoyal gehandelt, den Code of Conduct der Bundesanwaltschaft verletzt und die Untersuchung behindert. Er falle zudem durch Uneinsichtigkeit auf.

Einige der Vorwürfe waren längst bekannt und haben sich gemäss Aufsichtsbehörde bestätigt. So schreibt sie in ihrer Medienmitteilung vom 4. März 2020, der Bundesanwalt habe Parlament und Öffentlichkeit angelogen, was eines der Treffen mit dem FIFA-Präsidneten Gianni Infantino angehe. „In Bezug auf das Treffen mit dem FIFA-Präsidenten vom 16. Juni 2017 sagte der Bundesanwalt wissentlich und willentlich die Unwahrheit.“ Es sei erwiesen, dass das Treffen stattgefunden habe. Das ist starker Tobak, hatte der Bundesanwalt doch immer beteuert, er könne sich nicht an dieses Treffen erinnern. Offenbar muss die Aufsichtsbehörde Belege dafür gefunden habe, dass dem nicht so war oder sein konnte.

 

Verfahrensfehler, Amtsgeheimnisverletzung und weitere Verstösse

Der Bundesanwalt habe diese Treffen nicht protokolliert, was einen Verstoss gegen die Strafprozessordnung darstelle, und an einem der Treffen sei vor einer Privatperson über verfahrensrelevante Themen gesprochen worden, was „eine Gefahr für eine Amtsgeheimnisverletzung geschaffen habe“, hält die Aufsichtsbehörde weiter fest. Dazu habe der Bundesanwalt die Aufsichtsbehörde nach deren Eröffnung einer Disziplinaruntersuchung in der Öffentlichkeit in Misskredit gebracht und zum Teil widerrechtlich versucht, die Disziplinaruntersuchung zu unterminieren. So soll Lauber beispielsweise versucht haben, Auskunftspersonen dahingehend zu instrumentalisieren, dass er ihnen das Recht absprach, zur Aussage zu bestimmten Themen überhaupt ermächtigt zu sein. Grosszügig sei Lauber allerdings dabei gewesen, für diese Auskunftspersonen und auch für sich selbst Rechtsanwälte zu bestellen, um sie bei der Untersuchung zu begleiten. Und das auf Rechnung der Steuerzahlung. Die Rechnungen für seine eigenen Rechtsanwälte soll Lauber gemäss dem Bericht höchstselbst visiert haben – was einem Verstoss gegen den „Code of Conduct“ entspricht. Dazu sei widerrechtlich die Herausgabe von Unterlagen verweigert worden.

Die Aufsichtsbehörde taxiert die Pflichtverletzungen als „gravierend“ und hat deshalb als Sanktion verfügt, dass Laubers Lohn von jährlich 300’000 Franken für ein Jahr um 8%, also 25’000 Franken gekürzt wird.

 

Lauber bestätigt den Vorwurf der Uneinsichtigkeit

Der dermassen überdeutlich gemassregelte Lauber bestätigt in seiner ersten Reaktion insbesondere den Vorwurf der Uneinsichtigkeit und liess gegenüber der Nachrichtenagentur SDA verlauten, die Bundesanwaltschaft habe die Mitteilung der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft zum Disziplinarverfahren zur Kenntnis genommen. Wichtig in diesem Kontext sei der Umstand, dass der am Mittwoch von der AB-BA kommunizierte Entscheid keinen abschliessenden Befund darstelle und einer gerichtlichen Überprüfung standhalten müsse.. Bundesanwalt Lauber und seine Rechtsvertretung würden sich alle rechtlichen Schritte vorbehalten.

 

Presse mehrheitlich kritisch

Die Medien reagierten in der Mehrheit kritisch auf die jüngsten Skandalmeldungen zu Lauber. Für Henry Habegger von den CH-Medien ist klar, dass Lauber weg muss: „Jetzt bleibt Lauber nur der rasche Abgang“ kommentiert er, beispielsweise in der Aargauer Zeitung. Auch Sven Millischer in der Handelszeitung sieht keinen anderen Ausweg: Lauber sei untragbar, schreibt die Handelszeitung. Und wagt den Vergleich, was wohl mit einem Banken-CEO geschehen wäre, der sich dergestalt aufführen würde, wie es Lauber tut. Fazit: „Um weiteren Schaden von der Institution Bundesanwaltschaft abzuwenden, bleibt Michael Lauber deshalb keine Wahl: Er muss umgehend zurücktreten.“ Die NZZ hielt sich vorerst vornehm zurück, was sich damit erklären lässt, dass die Journalisten Marcel Gyr und Daniel Gerny schon in früheren Artikeln Lauber in Schutz genommen hatten. Allerdings halten auch sie fest: „Das sind äusserst schwerwiegende Vorwürfe, welche die Position Laubers erneut in Frage stellen.“ Seinen Kommentar titelt Daniel Gerny dann aber doch mit: „Es braucht einen Neuanfang in der Bundesanwaltschaft“. Gerny sieht in der Kontroverse zwar auch „einen erbitterten Kampf um die öffentliche Meinung“ zwischen der Aufsichtsbehörde und dem Bundesanwalt, in dem „beide Seiten scharfes Geschütz auffahren.“ Am Ende findet aber auch der NZZ-Kommentator an die Adresse von Lauber: „Weitsichtig handelt, wer den richtigen Moment für den Rückzug nicht verpasst. Es wäre deshalb klug, wenn Michael Lauber diese Geschichte nicht endlos weiterziehen würde.“

Der Tagesanzeiger und mit ihm die gesamten Tamedia-Redaktionen haben sich zunächst wie auch die Ringier-Titel nicht an eine Kommentierung gewagt. Die Kommentare der Leserinnen und Leser sind aber klar. Stellvertretend und auf den Punkt gebracht schreibt beispielsweise Albert Schulthess: „In welchen Zustand muss die dritte Gewalt (Judikative) in einem Land sein, in dem der oberste Ankläger lügt, Untersuchungen behindert, Amtspflichten verletzt, sich illoyal verhält und trotzdem noch im Amt ist ?“

 

Lesen Sie auch unseren Kommentar zum Bericht der Aufsichtskommission BA.

Die Medienmitteilung der AB-BA zum Nachlesen

Die Verfügung der Aufsichtsbehörde im Wortlaut