Ausserrhoder Steuer-Wildwest: Jetzt soll die GPK aktiv werden

In der Ausserrhoder Steuerverwaltung werden mithin Wildwest-Methoden angewandt, wie inside-justiz.ch letzte Woche enthüllte. Der zuständige Regierungsrat und Finanzdirektor Paul Signer (FDP) deckt die verantwortliche Leiterin des Rechtsdienstes, Ladina Nick (ebenfalls FDP). Jetzt will sich die Ausserrhoder Geschäftsprüfungskommission der Sache annehmen.

Zehn Jahre lang hatte der Rechtsdienst der Ausserrhoder Steuerverwaltung ein Steuer-Strafverfahren gegen einen Treuhänder verbummelt.  Markus Waser* war vorgeworfen worden, er habe in den Jahren 2009 und 2010 einem Mandanten dabei geholfen, Steuern zu hinterziehen. Per Ende 2019 und 2020 liefen die Tatbestände in die Verjährung.

Am 12. Dezember 2019 eröffnete Ladina Nick, Leiterin Rechtsdienst auf dem Ausserrhoder Steueramt, schliesslich ein Strafverfahren. Als der Beschuldigte die per Mond-Express versandte Vorladung nicht gleich entgegennahm, drohte ihm Nick mit einem Polizeieinsatz, falls er nicht bereit wäre, die Vorladung von einem Boten unverzüglich und am gleichen Tag entgegenzunehmen.

Schriftliche Stellungnahme nicht abgewartet

Waser tat das, um einen Polizeieinsatz in seinem Büro zu vermeiden, entschied sich aber, nicht persönlich zur Einvernahme zu erscheinen, sondern eine schriftliche Stellungnahme einzureichen, wie das die Steuerbehörde in der Vorladung als Alternative angeboten hatt. Fristgerecht gab er diese am Abend des 20. Dezembers 2019 auf der Post ab. Und erhielt dennoch umgehend eine Strafverfügung von Nick, in der er mit CHF 30’000 gebüsst wurde.

Abgeschickt am Mittag eben dieses 20. Dezembers 2019. Die Steuerverwaltung hatte den Eingang der Stellungnahme nicht einmal abgewartet, geschweige denn seine Argumente geprüft.

Obergericht: So geht es nicht

Eine grobe Missachtung des rechtlichen Gehörs, entschied das Ausserrhoder Obergericht am 10. Dezember 2020, hob die Strafverfügung auf, forderte Nick auf, sich künftig an die elementarsten Verfahrensregeln zu halten und machte sie darauf aufmerksam, dass per Ende 2020 auch für das Steuerjahr 2010 die Verjährung eintreten würde. Das hinderte Nick aber nicht daran, erst am 18. Februar 2021 eine erneute Strafuntersuchung zu eröffnen – entgegen dem, was ihr das Kantonsgericht explizit hinter die Ohren geschrieben hatte.

Die Ausserrhoder Verwaltung schweigt sich über den Vorgang aus – weder Nick selbst noch ihr Vorgesetzter, Steueramtschef Jacques Oberli, noch Regierungsrat Paul Signer haben auf Anfragen von inside-justiz.ch reagiert und in der Sache Stellung genommen.

FDP-Filz?

Verschiedene Stimmen, die sich in den letzten Tagen bei inside-justiz.ch gemeldet haben, aber anonym bleiben möchten, sehen in dem Vorgang ein typisches Beispiel für den Ausserrhoder FDP-Filz. Denn: Regierungsrat Signer, der nichts auf seine Rechtsdienstleiterin kommen lassen will, ist Mitglied der FDP und kraft seines Amtes Mitglied der kantonalen Parteileitung. Rechtsdienstleiterin Nick hatte schon 2003 als Studentin auf einer FDP-Jugendliste im Bündnerland für den Nationalrat kandidiert. Mit 1046 Stimmen landete sie zwar auf dem zweiten Listenplatz, für ein Mandat im Parlament reichte es damals allerdings bei weitem nicht.

Parteien wollen Klarheit

Unterdessen wollen jetzt allerdings die politischen Parteien Auskunft. SP-Parteipräsident Jens Weber schreibt inside-justiz.ch: «Es ist zwingend, dass die Verwaltung rechtmässig handelt. Es wäre wichtig, dass sich Regierungsrat Signer zu diesen Fällen äussert – Wenn Handlungsbedarf bestehen würde, dann steht der gesamte Regierungsrat in der Verantwortung.»

Deutlicher wird die SVP: Parteipräsident Anick Reto Volger schreibt, dass er den Fall zwar ausschliesslich aus den Medien kenne. «In der Privatwirtschaft müsste man bei einem solch klaren Fehlverhalten wohl mit einer Kündigung, mindestens aber mit einschneidenden Massnahmen rechnen. Daher denke ich, dass der Regierungsrat hier seine Verantwortung wahrnehmen und Massnahmen einleiten muss.»

Volger erwartet darüber hinaus aber auch, dass die Geschäftsprüfungskommission des Parlaments tätig wird – und droht mit parlamentarischen Vorstössen, sollte das nicht passieren. «Dass Frau Nick offenbar trotz klarer Rüge des Obergerichts wie bisher weitermacht, ist nicht nachvollziehbar. Wir erwarten, dass dieser Fall von der GPK aufgearbeitet wird.»

GPK mit Zurückhaltung

Damit dürfte er offene Türen einrennen. Präsidentin der Ausserrhoder Geschäftsprüfungskommission ist SP-Kantonsrätin Annegret Wigger. Sie antwortet auf eine Anfrage von inside-justiz.ch nicht persönlich, lässt von der Aktuarin der Kommission aber ausrichten, dass die GPK von dem Sachverhalt Kenntnis genommen habe, «über die weitere Verwendung Ihrer Informationen» könne allerdings aufgrund des Kommissionsgeheimnisses keine Kommunikation geführt werden.

Allerdings: Aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen hat inside-justiz.ch erfahren, dass der Fall für die nächste Sitzung der GPK am 30. Juni 2022 traktandiert ist. Für SP-Präsident Jens Weber reicht das gegenwärtig aus: «Wenn die GPK an diesem Thema dran ist, dann funktioniert der parlamentsinterne Kontrollmechanismus.  Erst nach den Erkenntnissen aus dem GPK-Bericht könnten Vorstösse diskutiert werden.»

SVP-Parteipräsident Volger sieht das ähnlich: «Aktuell fehlt wohl noch das Hintergrundwissen für einen konkreten Vorstoss, diese Informationen müsste die GPK zuerst zusammenstellen. Sollte die GPK den Fall nicht aufnehmen, können wir uns weitergehende Vorstösse vorstellen.»

Damit dürfte wenigstens klar sein, dass die Vogel-Strauss-Strategie der Ausserrhoder Steuerbehörden samt ihres verschwiegenen Regierungsrates nicht aufgehen dürfte: Spätestens gegenüber den Prüfern des Parlaments werden Signer und Co. nicht mehr einfach schweigen können.

 

*Name aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes geändert

 

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