Bescheidene Anklage gegen Trump

Seit gestern Abend sind die Anklagepunkte des Manhattanener District-Staatsanwalts Alvin Bragg (D) bekannt. Viele amerikanische Juristen halten die Anklage in 34 Punkten allerdings für bescheiden. Die Debatte nährt die Wahrnehmung, das Verfahren des Staatsanwalts der demokratischen Partei sei vor allem politisch motiviert. Am Ende könnte der Schuss allerdings nach hinten gehen, denn aktuell stimmen die Zustimmungswerte für Trump und es scheint, als dass es ihm gelingen könnte, dank der Anklage die Reihen unter den Republikanern zu schliessen.

Die 34 Anklagepunkte der Anklageschrift beziehen sich ausschliesslich auf einen Punkt, nämlich die absichtliche Fälschung von Einträgen in der Buchhaltung. Bei 34 Buchungssätzen von Trumps Firma soll der Zweck der Zahlung falsch eingetragen worden sein. Konkret beziehen sich diese Buchungssätze auf Rückzahlungen von Trumps Firma an seinen früheren Rechtsanwalt Michael Cohen. Dieser, als «Trumps Aufräumer» bekannte ehemalige Weggefährte des Präsidenten, hatte Überweisungen getätigt, um eine Pornodarstellerin davon abzuhalten, über eine von ihr behauptete (und von Trump bestrittene) Affäre mit dem Republikaner zu plaudern. Später wurden Cohen die USD 130’000, grosszügig aufgerundet und zusammen mit weiteren Zahlungen, die er geleistet hatte, über monatliche Ratenzahlungen zurückerstattet. Diese Zahlungen wurden in der Buchhaltung als «Retainer» ausgewiesen, ein Begriff, der für pauschale monatliche oder vierteljährliche Honorarzahlungen an Berater oder Anwälte verwendet wird.

In einem anderen Fall kaufte ein Verleger die Rechte an der Lebensgeschichte einer Schauspielerin exklusiv, die ebenfalls behauptet hatte, mit Trump eine Affäre gehabt zu haben. Der Verlag hatte später gemäss den Dokumenten des Manhattaner Staatsanwaltes zugegeben, diese Rechte nur gekauft zu haben, damit die Schauspielerin ihre Geschichte vor den Wahlen 2016 nicht an die Öffentlichkeit bringen konnte.

Der Vorwurf lautet auf Fälschung von Geschäftseinträgen mit der Absicht, illegales Verhalten oder Straftaten zu verschleiern.  Dabei ist der letzte Punkt zentral: Wurden die falschen Einträge in der Buchhaltung nicht mit dem Motiv der Verschleierung einer Straftat begangen, handelt es sich nicht um ein Verbrechen («felony»), sondern lediglich um ein leichtes Vergehen («misdemeanor»).

Als Straftat, die Trump verschleiern wollte, nannte Braggs in einer Medienkonferenz und in einem zusätzliche Papier, das er gestern veröffentliche, die Verschwörung, eine Wahlkampfkandidatur mit ungesetzlichen Mitteln voranzutreiben, indem negative Berichte gezielt unterbunden worden waren. Trump habe, zusammen mit anderen, widerrechtliche Mittel eingesetzt, um den Präsidentschaftswahlkampf 2016 zu beeinflussen und mit seinem Verhalten gegen ein Wahlgesetz des Staates New York verstossen. – Welcher Artikel welchen Gesetzes dabei zum Zuge kommen soll, erwähnt Braggs aber weder in seiner Anklageschrift noch in den Erläuterungen. Und bekannte Juristen wie Trumps früherer Sicherheitsberater John Bolton machen darauf aufmerksam, dass bei den Präsidentschaftswahlen ein lokales New Yorker Wahlgesetz selbstverständlich nicht anwendbar sei – sondern lediglich das nationale Gesetz. 

Bragg nennt die damalige Zahlung von Cohen (ausgeführt über dessen Beratungsfirma) an den Anwalt der Pornodarstellerin «illegal» und merkt an, Cohen habe sich der illegalen Wahlkampfspende bereits für schuldig bekannt und dafür auch schon im Gefängnis gesessen. Das entspricht den Tatsachen, die sich aus dem Urteil gegen Cohen ergeben. Der Federal Election Campaigning act verbietet es Kandidaten (anders als den Parteien), von Privatpersonen Spenden von über USD 2700 pro Wahlkampf anzunehmen. Firmen dürfen überhaupt keine Spenden direkt an Kandidatinnen oder Kandidaten leisten. Auch die Übernahme von Spesen ist explizit verboten. – Mit der Überweisung der USD 130’000 hatte Cohen gegen diese Bestimmung verstossen, so die Sichtweise von Bragg.

Verschiedene amerikanische Juristen weisen heute darauf hin, dass allerdings noch längst nicht über jeden vernünftigen Zweifel hinweg erstellt sei, dass die Schweigegeldzahlung tatsächlich im Zusammenhang mit dem Wahlkampf gesehen und deshalb bezahlt worden sei. Es sei absolut nachvollziehbar, dass Trump mit der Zahlung gar nicht seine Position im Wahlkampf schützen wollte, sondern primär einfach nicht wollte, dass seine Frau Melania von den mutmasslichen ausserehelichen Eskapaden etwas mitbekam.

Diese Sichtweise liesse sich zusätzlich damit stützen, dass dem späteren Präsidenten auch andere, hochgradig sexistische und primitive Äusserungen («Grab‘ them by the pussy») im Wahlkampf offensichtlich nichts anhaben konnten und er sich gleichwohl gegen seine Gegenkandidatin durchsetzen konnte. Diese Geschichte wurde übrigens noch vor der Zahlung publik.

Andererseits führte Braggs an seiner Medienkonferenz gestern detailliert aus, wie die Schweigegeld-Zahlungen immer wieder im Zusammenhang mit dem politischen Handeln des Präsidenten diskutiert und offenbar auch unter Wahlkampfhelfern ein Thema gewesen waren.

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