Blatter und Platini auf der Anklagebank: 2. Tag mit neuen Erkenntnissen

Am Donnerstagmorgen startete am Bundesstrafgericht in Bellinzona der zweite Prozesstag gegen Sepp Blatter und Michel Platini wie geplant. Der ehemalige FIFA-Boss hatte am Vortag noch über Schmerzen in der Brust geklagt. Ihm und dem Ex-UEFA-Chef Michel Platini (66) werden Betrug, Veruntreuung, ungetreue Geschäftsführung sowie Urkundenfälschung vorgeworfen Die Einvernahme des Zeugen und Bundesstrafrichters Olivier Thormann sorgte dabei für neue Erkenntnisse.

Ex-FIFA-Präsident Blatter wies – sehr kämpferisch – alle Anschuldigungen von sich. «Ich wüsste nicht, was ich verbrochen habe», erklärte er dem Gericht. «Mein Gewissen ist rein», sagt er. Das Salär von zwei Millionen Franken für Platini sei damals durch alle FIFA-Gremien gegangen. Von der Rechnung hätten alle gewusst. «Ein Strafverfahren für einen administrativen Vorgang in einem Verein? Das geht mir nicht aus dem Kopf», schimpft Blatter. Das Opfer sei er: «Als 2015 Strafantrag gestellt wurde, war ich geächtet.» Die Medien hätten ihn vorverurteilt, seine Familie habe gelitten, er habe Freunde verloren. «Das sind sieben Jahre Strafe», so Blatter bitter.

Monatlicher Finanzbedarf: 25’000 Franken

Auf eine Frage der FIFA-Verteidigerin antwortet Blatter nicht: „FIFA-Präsident Gianni Infantino antwortet mir sei 2016 nicht, daher antworte ich auch nicht auf Fragen der FIFA.“ Die FIFA hatte wissen wollen, warum die Überweisung der zwei Millionen Franken nicht in den Unterlagen und Protokollen vermerkt sei, obwohl Blatter behauptete, die Zahlung sei von allen Gremien der FIFA abgesegnet worden. Zu seiner persönlichen Situation erklärte der ehemalige FIFA-Präsident, dass er in Visp eine Wohnung habe. Sein soziales Leben spiele sich aber in Zürich ab. Er lebe von der AHV und seinen Ersparnissen, die er nicht näher bezifferte. Seinen monatlichen Finanzbedarf gab er mit rund 25’000 Franken an.

Salopp hingegen gibt sich Platini vor Gericht. Geld sei ihm nie wichtig gewesen, sagt der ehemalige Weltfussballer aus. «Ich wollte für den Berater-Job eine Million im Jahr – egal ob in Pesetas, Dollar oder Deutschen Mark», so Platini, «Sepp Blatter wollte mir Franken zahlen, tat es aber dann nicht. Als es dem Verband Jahre später finanziell wieder besser ging, habe ich das Geld eingefordert». Dass er dieses Geld erst 2011 forderte, erklärte Platini damit, dass damals auch andere Ansprüche von Personen der FIFA ausbezahlt worden seien.

Skandal

Platini erhob erneut schwere Anschuldigungen gegen die Bundesanwaltschaft und die FIFA: «Was die FIFA mit mir und dem Ex-Präsidenten gemacht hat, ist ein Skandal. Das Ziel war, dass ich nicht FIFA-Präsident werden sollte.» Als weltbekannte Persönlichkeit sei es schwierig, so beschuldigt zu werden. Die Verteidigung hält das ganze Strafverfahren für eine Intrige innerhalb der FIFA und der Bundesanwaltschaft. Die Information von der Millionenzahlung an Platini sei den Ermittlern gesteckt worden, um Platini als Nachfolger fürs FIFA-Präsidentenamt zu verhindern, so die Theorie.

Zum Abschluss des Verhandlungstages wurde deshalb der ehemalige Bundesstaatsanwalt Olivier Thormann als Zeuge einvernommen, der seinerzeit die FIFA-Ermittlungen geleitet hatte und mittlerweile selbst als Richter am Bundesstrafgericht tätig ist.

Informant FIFA-Finanzchef Markus Kattner

Die Antworten waren aber für das Team Blatter/Platini aber enttäuschend. Thormann erklärte, die Bundesanwaltschaft habe im Mai 2015, nach der Verhaftung der FIFA-Funktionäre im Zürcher Luxushotel Baur au Lac, eine begleitete Edition in der FIFA durchgeführt. Was eine Hausdurchsuchung und Beschlagnahmung von Daten mit Einverständnis der FIFA ist. Dabei habe man Lohnauszüge sämtlicher 24 Mitglieder des sogenannten FIFA-Exekutivkomitees einverlangt. Thormann berichtete, dass die Untersuchung anfänglich auch die Vergabe von TV-Rechten beinhaltete sowie Unregelmässigkeiten bei der Vergabe der Weltmeisterschaften nach Russland 2018 und Katar 2022 einschloss. Dies aufgrund entsprechender Aussagen eines ehemaligen FIFA-Mitarbeiter. Es habe keinen Whistleblower in diesem Fall gegeben, erklärte Thormann. Der Hinweis zur im Fokus stehenden zwei Millionenüberweisung sei vom damaligen FIFA-Finanzchef Markus Kattner gekommen. Aufgrund dieser Information habe die Bundesanwaltschaft am 25. September 2015 Blatter und Platini einvernommen und eine Hausdurchsuchung vorgenommen.

Dass die Strafuntersuchung zur Millionen-Zahlung zuerst nur Blatter galt und erst später auf Platini als Zahlungsempfänger ausgeweitet wurde, erklärte Thormann mit dem Umstand, dass ungetreue Geschäftsführung als Straftatbestand im Vordergrund stand und damit sozusagen Blatter als Geschäftsführer. Blatter bestätigte vor Gericht, dass er die Rechnung über zwei Millionen, über die Platini stolperte, bei sich in einem Korpus hinter seinem Schreibtisch aufbewahrte. Hier fanden die Ermittler damals das Papier.

Auf die Frage des Gerichts, ob er das Papier als «Faustpfand» bei sich aufbewahrt habe, um es gegen Platini ausspielen zu können, antwortete Blatter weniger kämpferisch. «Das war eine Kopie. Ich wusste nicht mehr, dass ich sie dort aufbewahrte.» Man vermutet seit langem, dass Blatter kompromittierende Unterlagen besass, um sie bei Bedarf gegen FIFA-Funktionäre einsetzen zu können.

Komplott?

Die Verteidigung von Platini versuchte durch geschickte Fragen, Unterstützung für die Komplott-These zu finden, wonach die Untersuchung der Bundesstaatsanwaltschaft dazu diente, Platini als FIFA-Präsidenten zu verhindern. Doch Thormann lieferte die erhofften Antworten nicht.

Die Neue Zürcher Zeitung NZZ beleuchtet in einem Beitrag die Rolle der Bundesanwaltschaft und geht dabei auf die rätselhafte Nähe zwischen dem FIFA-Präsidenten Gianni Infantino und dem inzwischen zurückgetretenen BA-Chef Michael Lauber ein. Ein Fall der noch untersucht wird. Dabei geht es auch um den Verdacht, dass nach einer Razzia bei der FIFA im Frühling 2015 aus der FIFA ein diskreter Hinweis an die Berner Bundesanwaltschaft gelangte. Dieser habe die Zwei-Millionen-Zahlung auffliegen lassen. Die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft verhinderten in der Folge, dass Platini – wie ursprünglich geplant – FIFA-Chef wurde. So wurde der Weg an die Spitze für Infantino frei. Ein Verdacht, der nun durch die Aussagen des ehemaligen Bundesstaatsanwalt Olivier Thormann ausgeräumt ist.

 

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