Brian Keller: Doch nix mit der Freilassung

Neue Entwicklung im Fall Carlos bzw. Brian Keller. Wie die Anwälte des unterdessen als «bekanntesten Häftlings der Schweiz» an einer Medienkonferenz am Donnerstagnachmittag bekanntgaben, will die Staatsanwaltschaft Zürich Keller  aus der Sicherheitshaft direkt wieder in Untersuchungshaft versetzen. Wie geht das überhaupt?

Hintergrund der Aktion ist die Tatsache, dass gegen Keller aktuell zwei verschiedene Verfahren laufen, die ähnliche Vorfälle als Hintergrund haben: Es sind die regelmässige Ausfälle Kellers gegen die Wärter in den Strafanstalten. Die Straftatbestände reichen von (versuchter) schwerer über einfache Körperverletzung bis zu Drohungen oder Beschimpfung von Beamten. Die Taten haben eine Gemeinsamkeit: Sie wurden von Keller allesamt während seiner Haft begangen.

Im einem ersten Tatkomplex wurde er vom Bezirksgericht Dielsdorf für derlei Straftaten, die er zwischen Januar 2017 und Oktober 2018 in verschiedenen Gefängnissen begangen hatte, zu vier Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt. Das Urteil wurde vom Zürcher Obergericht verschärft, das neue Strafmass sollte sechs Jahre und vier Monate betragen. Dieses Urteil hat das Bundesgericht allerdings kassiert und an das Zürcher Obergericht zurückgewiesen, das es nun überarbeiten soll.

Bundesgericht verlangt genauere Auseinandersetzung

Insbesondere warf das Bundesgericht den Zürcher Oberrichtern vor, sie hätten die Gesamtumstände zu wenig gewürdigt. Keller hatte vorgebracht, die Bedingungen seiner bisherigen Freheitsentzüge seien menschenunwürdig, er sei erniedrigend behandelt worden und die Haftregime hätten mehrfach gegen das Folterverbot verstossen.

Seine Straftaten seien deshalb als eine Reaktion in einer Notstandslage zu deuten nach Art. 17 StGB. Diese Vorbringen Kellers seien vom Zürcher Gericht zu wenig gewürdigt worden, fanden die Bundesrichter. Ergebnis: Die Zürcher Richter müssen in dieser Sache noch einmal über die Bücher.

Sicherheitshaft darf nicht länger gehen als das spätere Strafmass

Mit anderen Worten: Dieses Verfahren ist noch gar nicht rechtskräftig abgeschlossen, Keller konnte für diese Vergehen deshalb nur unter dem Titel der Sicherheitshaft im Gefängnis belassen werden.  Eine solche kann aber lediglich dann verfügt werden, wenn ein Täter die Sicherheit anderer erheblich gefährdet, weil er bereits früher gleichartige Straftaten verübt hat und davon auszugehen ist, dass er solche Taten wieder begehen werde. Allerdings ist die Sicherheitshaft gesetzlich streng geregelt, und sie darf nicht länger dauern als das in Aussicht stehende Strafmass für die begangenen Taten. – Was bei Keller auch effektiv der Grund für das Obergericht war, die Sicherheitshaft zu beenden, denn Keller sitzt nunmehr schon seit 5 Jahren in Haft.

Neue Straftaten

Parallel dazu hat die Staatsanwaltschaft allerdings zwischen Oktober 2018 und April 2022 bereits wieder 33 neue Straftatbestände zusammengetragen, die Keller vorgeworfen werden. – Es geht dabei erneut und ausschliesslich um Taten, die er in Haft begangen hat «in Isolationshaft» wie seine Verteidiger Thomas Häusermann Bernard Ramberg und Philip Stolkin heute an einer Medienkonferenz betonten. Die Untersuchung zu diesen Straftatbeständen läuft zwar erst, die Staatsanwaltschaft kann für die Zeit der Untersuchungs allerdings Untersuchungshaft beantragen. Sie selbst hat sich dazu nicht geäussert, die Verteidiger von Brian Keller machten dieses Ansinnen der Staatsanwaltschaft heute an einer Medienkonferenz bekannt – und gaben sich entsprechend empört.

Ist die Wiederholungsgefahr tatsächlich gegeben?

Für die Untersuchungshaft braucht es regelmässig zwei gesetzliche Voraussetzungen: einen dringenden Tatverdacht – der dürfte vorliegend als gegeben betrachtet werden, sowie zusätzlich einen weiteren Haftgrund aus dem Katalog von Fluchtgefahr, Kollusionsgefahr oder Wiederholungsgefahr. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich hat am Abend in einer Medienmitteilung bestätigt, dass sie Wiederholungsgefahr geltend macht. Die Verteidiger Kellers betonten am Nachmittag noch, dass Keller die ihm vorgeworfenen Straftaten ausschliesslich «in Insolationshaft» begangen habe.

Sie verwiesen explizit darauf, dass er seit der Beendigung der Isolationshaft im Januar und der Eingliederung in den Alltag in einem ordentlichen Untersuchungsgefängnis unauffällig geblieben sei und sich vorbildlich verhalten habe. Das deckt sich allerdings nicht mit der Aussage der Staatsanwaltschaft, die in ihrer Medienmitteilung von Delikten spricht, von denen sich das letzte am 28. Juni 2022 zugetragen haben soll – zu diesem Zeitpunkt war Keller bereits im neuen Untersuchungsgefängnis.

Die Untersuchungshaft kann zwar von der Staatsanwalt unmittelbar angeordnet, muss aber innerhalb weniger Tage vom Zwangsmassnahmengericht beurteilt werden. – Dass die Untersuchungshaft dort streng geprüft wird, erscheint aufgrund der Statistik der Zwangsmassnahmengerichte aber unwahrscheinlich. Diese stehen mit Zustimmungsquoren von 97 und mehr Prozent seit Jahren im Ruf, ihrer Aufgabe nicht gerecht zu werden und einfach praktisch jeden Antrag auf U-Haft durchzuwinken.

 

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