Bündner Verwaltungsrichter angeklagt

Der ehemalige Bündner Verwaltungsrichter, der eine Gerichtspraktikantin vergewaltigt haben soll, muss vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft Graubünden hat den Ex-Richter, der im Verlaufe des Verfahrens zurückgetreten war, am Regionalgericht Plessur angeklagt. Das Verfahren hatte viele Fragen zur Unabhängigkeit und Unvoreingenommenheit der Bündner Justiz aufgeworfen. Fragen, die jetzt erneut aufflammen dürften.

Wie die SÜDOSTSCHWEIZ heute berichtet, ist noch kein Datum für die Hauptverhandlung festgelegt worden. Die Anklagepunkte umfassen Vergewaltigung, sexuelle Nötigung sowie mehrfache Drohung sowie eventuell die Ausnützung einer Notlage. Interessant ist dabei vor allem der Vorwurf der mehrfachen Drohung, war von diesen Vorwürfen doch bislang nichts an die Öffentlichkeit gedrungen. Was sich dahinter verbirgt, ist aktuell unbekannt.

Offensichtlich sieht die Staatsanwaltschaft Graubünden die Vorwürfe der ehemaligen Praktikantin als ausreichend belegt und plausibel an, um Anklage erheben zu können. Zur Erinnerung: Der beschuldigte ehemalige Richter, der heute als Rechtsanwalt tätig ist, hatte die Vorwürfe stets zurückgewiesen und von einvernehmlichen Handlungen gesprochen.

Staatsanwaltschaft Graubünden hält sich bedeckt

Der Bündner Staatsanwalt Maurus Eckert hat die Anklageerhebung heute gegenüber Medien bestätigt, ansonsten aber auch auf frühere Anfragen von INSIDE JUSTIZ keine weiteren Informationen zum Verfahrensstand gemacht.

Als der Fall 2022 dank der Recherchen von INSIDE JUSTIZ aufflog, sah‘ sich auch die Bündner Staatsanwaltschaft verschiedenen Vorwürfen gegenüber. Die fallführende Staatsanwältin war eine Duz-Kollegin des Beschuldigten, notwendige Verfahrensschritte wurden über Monate nicht an die Hand genommen. Verschiedene unabhängige Experten bemängelten das Strafverfahren, sowohl gegenüber INSIDE JUSTIZ als auch etwa in SCHWEIZ AKTUELL des SCHWEIZER FERNSEHEN.

Die für die Justizaufsicht zuständige Kommission des Parlaments, unter der Leitung der damaligen Jura-Studentin Julia Müller, hatte zwar Kenntnis von dem Fall, kam aber ebenfalls erst in die Gänge, als die Öffentlichkeit von dem Fall vernahm. Die Politik hatte monatelang zugeschaut, wie ein Richter, gegen den eine Strafunterschung wegen eines Verbrechens geführt wurde, weiterhin Recht sprach.

Fragen stellen sich erneut

Die Frage, ob die Bündner Gerichte den Fall eines in der Juristenlandschaft bestens vernetzten ehemaligen Richterkollegen überhaupt mit der gebotenen Unabhängigkeit beurteilen können, dürfte mit der Anklageerhebung erneut aufflammen.

Durch einen veröffentlichen Gerichtsbeschluss vom 23. November 2023 (SK1 23 59) ist bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Graubünden bereits am 2. Juni 2023 mit dem Antrag ans Kantonsgericht gelangt war, es möge ein unabhängiges Gericht bestimmen, um den Fall zu verhandeln. Dieser Vorgang lässt sich schlechterdings nicht anders interpretieren als dahingehend, dass die Staatsanwaltschaft das eigentlich zuständige Regionalgericht Plessur nicht in der Lage sah, einen ausreichend unabhängigen Spruchkörper zu bestellen.

Wie delikat die Angelegenheit ist, zeigte sich daran, dass einer der Kantonsrichter, der mit dem Begehren der Staatsanwaltschaft betraut war, selbst eine Ausstandsanzeige machte – nur schon für die Frage, ob dem Ansinnen der Staatsanwaltschaft, ein ausserordentliches Gericht zu bestellen, nachzukommen sei.  In dem veröffentlichten Entscheid kommt das Kantonsgericht zum Schluss, der Richter sei nicht befangen.

Kantonsgericht lehnt Antrag der Staatsanwaltschaft ab

Wie Staatsanwalt Maurus Eckert gegenüber INSIDE JUSTIZ bestätigt, hat das Kantonsgericht Graubünden mit Datum vom 2. Februar 2024 auch das eigentliche Gesuch der Staatsanwaltschaft, ein unabhängiges Gericht einzusetzen, abgewiesen – womit gemäss Gerichtsorganisationsgesetz das Regionalgericht Plessur für den Fall zuständig ist.

Interessant: Das Urteil des Bündner Kantonsgericht vom 2. Februar 2024 ist in der Entscheidsammlung des Gerichts nicht zu finden. Obwohl unterdessen sogar die Rechtsmittelfrist abgelaufen sein dürfte.

Die Bündner Justiz bleibt eine Dunkelkammer.

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