Bundesgericht: Abzug BVG-Einkauf verweigert

Zur Steueroptimierung darf jede berufstätige Person Einkäufe in die Säule 2 und 3a vornehmen. Die Einkäufe werden vollumfänglich (bei der Säule 3a ist der Betrag beschränkt) vom steuerbaren Einkommen zum Abzug zugelassen. Nun hat das Bundesgericht in einem Urteil diese legale Steueroptimierung weiter eingeschränkt.

Das Bundesgericht hat in einem aktuellen Entscheid (BGE 2C_259/2022) den Abzug wider Erwarten verweigert, weil die Gutschrift erst nach dem 31. Dezember und damit aus Sicht des Obersten Gerichts zu spät erfolgt ist. Das Urteil erinnert an überspritzten Formalismus und wirft rechtsstaatliche Bedenken auf.

Das Bundesgericht hat in einem Urteil mit Fünferbesetzung (!) im Dezember 2022 ein bemerkenswertes Urteil erlassen. Dafür verantwortlich waren als Präsidentin Bundesrichterin Florence Aubry Girardin (Grüne Partei), die beiden Bundesrichterinnen Marianne Ryter (SP), und Julia Hänni (Die Mitte), sowie die beiden Bundesrichter Yves Donzallaz (parteilos, ex-SVP) und Michael Beusch (SP). Gerichtsschreiberin war in diesem Fall Isabelle Rupf.

Der Steuerpflichtige, wohl ein Selbständigerwerbender, hat in der Nacht vom 28./29. Dezember 2017 und damit noch im «alten Jahre» zu Lasten eines PostFinance-Kontos den Betrag von Fr. 24’632.00 an seine Vorsorgeeinrichtung überwiesen. Die Gutschrift bei der Vorsorgeeinrichtung des Steuerpflichtigen erfolgte aufgrund der Feiertage jedoch erst am 3. Januar 2018.

Verspätete Zahlung

Die Steuerverwaltung verweigerte daraufhin den steuerwirksamen Abzug wegen verspäteter Zahlung. Nachdem zunächst das Spezialverwaltungsgericht des Kantons Aargau den Rekurs des Steuerpflichtigen gutgeheissen hatte, entschied das Verwaltungsgericht Aargau auf die Beschwerde der Steuerbehörde einzugehen. Denn die Überweisung sei zu spät erfolgt und sei damit nicht mehr abzugswirksam.

Das Bundesgericht stützt nun mit seinem Urteil vom Dezember diese Ansicht der Aargauer Steuerbehörde und des Verwaltungsgerichtes des Kantons Aargau zum Nachteil des Steuerpflichtigen. Das Urteil vermag nicht zu überzeugen und ist ein weiterer bedenklicher Beleg für überspitzten Formalismus und nicht sachgerechter Rechtsanwendung.

Nach Art. 82 Abs. 1 BVG gilt, dass die Einzahlung in die Vorsorgeeinrichtung «unwiderruflich» zu erfolgen hat. Es gilt zudem der gute Glaube nach Art. 3 ZGB, welcher auch für das öffentliche Recht gilt. Der Steuerpflichtige hat am 29. Dezember 2017 die Überweisung von 24’632.00 Fr. veranlasst. Das Misstrauen der Behörde nach angeblich fehlender «Unwiderruflichkeit» der Zahlung wirkt bemüht und gesucht. Vor allem aus der retrospektiven Betrachtung hat sich nicht ein einziges Indiz erstellt, wonach der Steuerpflichtige das Geld tatsächlich wieder in seinen Einflussbereich zurückbeordert hat.

Besonders bedenklich mutet die Feststellung der Höchstrichter zu E. 4.2 des Urteils an, wonach sogar der Zeitpunkt der tatsächlichen Gutschrift auf dem Vorsorgekonto der betreffenden Person massgebend sei. Die alleinige Gutschrift auf dem Prämiensammelkonto der Vorsorgeeinrichtung soll also nicht genügen. Sollte also aus Gründen, auf welche der Steuerpflichtige keinen Einfluss hat, bei der Vorsorgeeinrichtung aus technischen Gründen die Gutschrift erst Wochen später erfolgen, so soll allein der Steuerpflichtige die Verantwortung dafür tragen. Solche Ansichten des Bundesgerichts vermögen nicht im Ansatz zu überzeugen. Sie sind realitätsfern und blenden das Wesentliche, nämlich die rechtzeitige Belastung auf dem PostFinance-Konto billigend aus. Eine Meinung, die der Anwalt der Kläger teilt.

Fehlende Vorgabe der Steuerverwaltung

Die Ansicht des Bundesgerichts mag verstehen, wer will. Fakt bleibt, dass die steuerpflichtige Person noch innerhalb des fraglichen Jahres 2017 das Geld von ihrem Konto abbuchen liess. Eine Missbrauchsgefahr hat somit offenkundig nie bestanden und selbst, wenn der «pfiffige» Steuerzahler die Überweisung anfangs Januar 2018 wider alle Erwartung rückgängig hätte machen können, so hätte die Steuerbehörde den deklarierten Abzug in der Veranlagung problemlos streichen können. Wo also soll hier das Problem, bzw. die Missbrauchsgefahr liegen? Gleich sieht es der Anwalt der unterlegenen Partei Dr. René Müller. «Die Steuerverwaltung müsste eine Vorschrift erlassen, bis wann das Geld auf dem Konto sein müsste. Das ist bislang nicht geschehen».

Die positive Idee der privaten Vorsorge wird mit solchen realitätsfernen Urteilen in Frage gestellt. Als Aussenstehender kann man die Rechtsprechung, die an der Realität vorbeizieht und einzig der Gängelung von Steuerpflichtigen dient, nicht mehr nachvollziehen, geschweige denn gutheissen. Der Steuerpflichtige hat im guten Glauben in den letzten Tagen des Dezembers 2017 seine Überweisung getätigt und muss nun zur Kenntnis nehmen, dass seine Zahlung steuerlich unwirksam bleibt – das Geld ist aber trotzdem bei der Vorsorgeeinrichtung. Immerhin, für das Steuerjahr 2018 sollte der Abzug somit rechtzeitig erfolgt sein.

Das Veranlagungsverfahren hat insgesamt 3,5 Jahre gedauert und einige Gerichte und Richter und Richterinnen beschäftigt. Der vor Bundesgericht unterlegene Steuerpflichtige und seine Ehefrau mussten dabei einen Rechtsanwalt beiziehen, der wohl für jede der einzelnen Instanzen zwischen 3’000 bis 5000 Fr. an Honorarkosten verursacht hat, mithin somit über 10’0000 Fr. Die beiden kantonalen Gerichte dürften jeweils 2’000.00 Fr. in Rechnung gestellt haben. In gleicher Höhe fakturiert das Bundesgericht seine «Leistung». Der mühselige und endlich verlorene Kampf durch alle Instanzen hindurch dürfte die beiden Steuerpflichtigen aus dem Kanton Aargau somit rund 18’000.00 Fr. oder rund 73% der Streitsumme gekostet haben – eine teure Bescherung, und dies kurz vor Weihnachten.

Markus Wolf

BGE 2C_259/2022

Mehr Transparenz in der Berichterstattung

Das Bundesgericht erwähnt die urteilenden Richter und die Gerichtsschreiber stets nur mit Familiennamen. Inside Justiz ist der Ansicht, dass die Richter mit voller Namensbezeichnung kenntlich zu machen sind. Steuerrechtsfälle haben es vor Bundesgericht traditionell schwer, wenn die beschwerdeführende Partei Steuerpflichtige sind. Nur eine äusserst geringe Anzahl dieser Beschwerden werden vom Bundesgericht gutgeheissen. Viele Rechtsuchende scheitern zudem bereits an den strengen Formvorschriften des Bundesgerichts. Solche Fälle werden durch die Gerichtspräsidentin zusammen mit einem Gerichtsschreiber/Gerichtsschreiberin mit «Nichteintreten» erledigt.

Anders sieht es hingegen aus, wenn es kantonale Steuerverwaltungen oder die Eidgenössische Steuerverwaltung ESTV als Beschwerdeführerin auftritt. Dann urteilt das Bundesgericht deutlich wohlwollender. Die Erfolgsquote von Beschwerden mit einer Steuerverwaltung oder der ESTV als Beschwerdeführerin ist dabei signifikant höher. Wir werden diese Steuerrechtsfälle analysieren, statistisch auswerten und darüber berichten.

Bundesrichter oft mit Nebengeräuschen

Das Bundesgericht und die grüne Bundesrichterin Florence Aubry Girardin fällte Mitte 2022 ein wegweisendes Urteil. Das Bundesgericht hat die Härtefallklausel beim Eigenmietwert des Kantons Tessin aufgehoben. Abschläge bei geringem Einkommen können nicht gewährt werden. Der Entscheid dürfte für andere Kantone wegweisend sein.

Die Wahl der Sozialdemokratin Marianne Ryter zur Bundesrichterin verlief harzig. Denn während Hartmann von allen Fraktionen unterstützt wurde, wollte die SVP Marianne Ryter, die damalige Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts, wegen im Raum stehender Vorwürfe im Bereich Mobbing noch nicht wählen. In Ihrer Funktion als Gerichtspräsidentin soll sie ihre Fürsorgepflicht verletzt und weder ein sofortiges Verfahren eingeleitet, noch eine unabhängige Stelle mit der Untersuchung der Vorwürfe beauftragt haben. Stattdessen soll sie ausgerechnet jene Abteilung mit der Klärung der Vorwürfe beauftragt haben, in welcher Fichen angelegt und über Jahre weitergeführt wurden.

Auch die Wahl von Julia Hänni (Die Mitte) ging nicht ohne Nebengeräusche durch. Die SVP wollte mit ihrem Kandidaten, die von der Gerichtskommission vorgeschlagene CVP-Kandidatin Julia Hänni, aus dem Rennen werfen. Sie lehnte Hännis Kandidatur gestützt auf den Proporz ab. Bereits Anfang Juni gab die Partei bekannt, dass sie an ihrem Kandidaten Thomas Müller (BE) festhalte. Müller zog sich später zurück und es kam zu keiner Kampfwahl.

Eine Schlammschlacht gab es, wenn auch schon vor einigen Jahren, bei der Wahl des Sittener Anwalts zum Bundesrichter Yves Donzallaz (parteilos, ehemals SVP und CVP). Der aufgebrachte Oberwalliser CSP-Nationalrat Odilo Schmid erklärte damals im Bundeshaus: «Wir haben über Ihre Kandidatur diskutiert und werden nie für einen Mann stimmen, dessen Grossvater 1932 den Befehl gab, Schweizer Bürger zu erschiessen.» Die Walliser CVP empfand seine Kandidatur als Provokation. Yves Donzallaz, einst Mitglied der CVP und 2008 von der SVP als Kandidat für das Amt des Bundesrichters aufgestellt, schien es in den letzten Jahren mitunter geradezu darauf angelegt zu haben, seine Partei zu provozieren. Der Walliser zählt zu den überzeugtesten Internationalisten am höchsten Gericht und ist mitverantwortlich für mehrere politisch wie auch gerichtsintern höchst umstrittene Entscheide, bei denen es um den Vorrang des Völkerrechts vor dem Landesrecht ging. Dass der Walliser 2019 zusammen mit zwei links-grünen Richtern für die Lieferung von UBS-Kundendaten an Frankreich stimmte, brachte ihm ebenfalls viel Unmut der Bürgerlichen ein.

Michael Beusch (SP) sorgte für Aufregung, als er beim Bundesverwaltungsgericht 2019 einen Etappensieg für den Milliardär Urs Schwarzenbach sorgte. Das Bundesverwaltungsgericht stoppt in letzter Minute den Zwangsversteigerung von 114 Kunstwerken von Urs Schwarzenbach. Die Zollverwaltung wollte 11 Millionen eintreiben, die der Hotel-Dolder-Besitzer schuldet. Schwarzenbach hatte über Jahre Bilder, Skulpturen oder Nippsachen am Zoll vorbei geschmuggelt.