„Da müssen sie sich an die Gemeinde wenden“

Jakob K. staunt nicht schlecht, als er in seinem Briefkasten eine Rechnung der Serafe AG erhielt. Die Firma schickt ihm im November 2023 eine Mahnung für eine Rechnung über 1005 Franken für ein Jahr. Auf der Rechnung sind zudem sechs Personen aufgeführt, die er alle nicht kennt. Wieso hat er einen solch hohen Betrag zu zahlen? Die Suche wird für ihn zum Hürdenlauf. Die Gemeinde Zurzach löst Seldwyla in dieser satirisch-grotesken „Gad ase“-Geschichte ab.

Jakob K. zieht 2020 aus Slowenien in die Schweiz, um hier als Trockenbauer zu arbeiten. In Zurzach im Kanton Aargau findet er eine Anstellung und eine Wohnung. Mit der deutschen Sprache tut er sich noch schwer, aber die meisten Behördengänge klappen.

Böse Überraschung
Doch im November 2023 entdeckt er eine Mahnung der Serafe AG. Die Firma, die für den Einzug der Radio- und Fernsehgebühren zuständig ist, verlangt von ihm 1’005 Franken für den Zeitraum von April 2023 bis März 2024. Was ihn zusätzlich irritiert: Auf der Rechnung sind sechs weitere Personen aufgeführt, die gebührenpflichtig sind – obwohl er alleine in einer Zweieinhalbzimmerwohnung lebt. Fünf dieser sechs Personen kennt er nicht, eine, sein Bruder, ist schon vor Monaten ausgezogen. Also wendet er sich an die Serafe AG, um zu erfahren, warum so viele Personen auf der Rechnung stehen und warum er so viel bezahlen muss. Die Firma schickt ihm jedoch zweimal sehr allgemein gehaltene Briefe, in denen darauf hingewiesen wird, dass man sich auf die Angaben des Einwohneramtes stütze und der jährlich zu bezahlende Betrag 335 Franken betrage. Eine konkrete Antwort auf sein Problem erhält er nicht.

Weil er beim Kundendienst der Serafe nicht weiterkommt, wendet er sich an die Gemeinde Zurzach. Doch auch dort läuft er zuerst auf. Die Gemeinde benötigt eine Vollmacht von ihm, um überhaupt Daten bei der Serafe erfragen zu können, obwohl es doch die Gemeinde ist, die die Daten überhaupt liefert. Die Gemeindemitarbeiterin vermutet jedoch bereits da, dass in der Rechnung geschuldete Beträge aus vergangenen Jahren enthalten sind. Ende März 2024 erhält Jakob K. dann von der Serafe AG einen Kontoauszug, in dem ausgewiesen ist, dass er die Beträge der zwei Jahre davor noch nicht bezahlt hat und sie ihm deshalb für die aktuellste Zahlung aufgerechnet werden. Er ist sich aber sicher, dass er nie eine Rechnung erhalten hat.

Falsche Angaben der Gemeinde

Auf Nachfrage von Inside Justiz bestätigt die Serafe, dass im Falle von Jakob K. drei Jahre kumulativ zu bezahlen sind. Dass er in den ersten beiden Jahren nie eine Rechnung erhalten hat, wird nicht ausgeschlossen. Die Serafe AG muss sich nämlich auf die Daten der Bevölkerungsdienste der Gemeinde, in diesem Falle Zurzach, beziehen. Die Gemeinde hat beim alleine lebenden Jakob K. offensichtlich falsche Angaben gemacht. Deshalb hat die Serafe AG die Rechnungen stets an eine andere abgabepflichtige Person geschickt. Zur Frage, weshalb Jakob K. auch nicht früher gemahnt worden sei, sagt Mediensprecherin Manuela Guattini: „Kommt es bei Haushalten zu Korrekturen seitens der Einwohnerregister, werden wie im Falle von Herrn K., die Mahnungen einer überfälligen Rechnung möglicherweise auf einen anderen, fehlerhaft registrierten Mitbewohner ausgestellt. In diesem Falle kann der Mahnprozess verzögert werden.“ Welche Korrekturen vorgenommen wurden, lässt sich stand heute nicht herausfinden.

Andi Meier, Gemeindepräsident (im Foto) und Medienverantwortlicher von Zurzach, der sich nur allgemein zum Vorgehen der Serafe äussern möchte, sagt, dass auch sie sich nur auf die Angaben der Vermieter abstütze und im Zweifelsfall Abklärungen vornehme. „Wenn die hinterlegte Wohnungsgrösse mit der Personenzahl plausibel ist, interveniert die Gemeinde nicht“, so Meier. Dass in der Zweieinhalbzimmerwohnung von Jakob R. sechs Personen leben sollen, hat in Zurzach bisher keine Irritationen ausgelöst, die allfällige Abklärungen oder Korrekturen nach sich gezogen hätten.

Obwohl er keinen Fehler gemacht hat, bleibt Jakob K. am Ende des Tages auf einer Rechnung von über 1000 Franken sitzen. Die Rechnung und die Angaben können zwar nachträglich korrigiert werden, aber der geschuldete Betrag bleibt bestehen, obwohl der Fehler im bürokratischen Ablauf liegt, wo sich niemand wirklich verantwortlich fühlt. Jakob K., der keinen hohen Lohn hat, setzt seine letzte Hoffnung nicht auf einen Schlag einen so hohen Betrag zahlen zu müssen, in einen vermuteten Formfehler. Dass der kumulierte Betrag für eine einzige Rechnungsperiode fakturiert wird, erschliesst sich weder ihm noch dem Anwalt, der ihn berät. So wird wohl ein Rechtseröffnungsrichter klären müssen, ob die Forderung in Form und Inhalt tatsächlich gerechtfertigt ist.

Von der Billag zur Serafe 

Die Serafe AG ist in der Schweiz für das Inkasso der Radio- und Fernsehgebühren zuständig. Seit dem 1. Januar 2019 hat sie diese Aufgabe von der Billag AG übernommen. Bis 1998 wurden die Empfangsgebühren automatisch mit der monatlichen Telefonrechnung der Swisscom bezahlt. Nach der Teilprivatisierung der Swisscom wurde diese verpflichtet, das Inkasso bis spätestens 2002 weiterzuführen. Die Swisscom gründete daraufhin die Tochterfirma Billag AG, die ab Anfang 1998 die Gebühren erhob. In einer öffentlichen Ausschreibung erhielt 1999 die Billag AG den Zuschlag, die Gebühren weiterhin zu erheben. Auch danach konnte die Billag ihr Mandat verteidigen. Am 10. März 2017 gab das Bundesamt für Kommunikation Bakom bekannt, dass die Billag AG ihr Mandat zum Inkasso der Radio- und Fernsehgebühren nach 18 Jahren verliert. In einer öffentlichen Ausschreibung hat die Serafe AG, eine Tochtergesellschaft der 1979 gegründeten Secon AG, dank einem besseren Preis-Leistungs-Verhältnis den Zuschlag erhalten. Am 1. Januar 2019 hat die Serafe AG diese Aufgabe übernommen. Das Mandat läuft bis 2025. Das Unternehmen hat seinen Sitz in Fehraltorf im Kanton Zürich. Die Serafe AG ist zuständig für den Einzug der sogenannten Haushaltabgabe, die jeder Haushalt in der Schweiz bezahlen muss, unabhängig davon, ob ein Fernseher oder ein Radio vorhanden ist oder genutzt wird. Die Abgabe dient der Finanzierung des Service public und trägt zu einer vielfältigen und ausgewogenen Berichterstattung bei. Die Gebühr beträgt derzeit 335 Schweizer Franken pro Jahr für Privathaushalte. Die Abgabe für Unternehmen ist umsatzabhängig und beträgt zwischen 335 und 35’590 Franken. Im vergangenen Jahr hat das Unternehmen 5’108’263 Rechnungen versendet. Damit dürfte das Unternehmen rund 1,7 Mrd. Franken eingenommen haben. Diese Einnahmen aus den Gebühren fliessen direkt in die öffentlichen Kassen und werden zur Finanzierung der SRG SSR verwendet.

Seit ihrer Gründung steht die Serafe AG, zuständig für die Erhebung der Radio- und Fernsehgebühren in der Schweiz, unter kritischer Beobachtung. Der Übergang von der Billag AG zur Serafe im Jahr 2019 war von mehreren Kontroversen begleitet, die die Effizienz und Transparenz des neuen Systems in Frage stellten. Eines der ersten grossen Probleme waren doppelte Rechnungen und Rechnungen, die an falsche oder veraltete Adressen gesendet wurden. Dies führte zu erheblicher Verwirrung und Frustration unter den Gebührenzahlern, die sich mit einem scheinbar fehleranfälligen System konfrontiert sahen. Die Serafe AG wurde zudem für ihre anfänglich mangelnde Transparenz in der Kommunikation kritisiert. Viele Bürger fühlten sich schlecht informiert darüber, wie die Gebühren zu entrichten sind und welche Änderungen das neue System mit sich bringt. Ein weiterer Punkt der Kritik ist das Prinzip der Haushaltsabgabe selbst. Die Gebühr wird unabhängig von der Nutzung öffentlich-rechtlicher Medien erhoben, was besonders bei Personen, die diese Medien nicht nutzen, auf Unverständnis stösst. Fragen zur Effizienz und den Kosten der Gebührenerhebung wurden ebenfalls laut. Vergleiche mit der früheren Billag AG zeigten, dass viele Bürger eine effizientere Handhabung der Gebühren bevorzugen würden.

Jahresberichte der Serafe

One thought on “„Da müssen sie sich an die Gemeinde wenden“

  1. Guter Beitrag, der eine unsägliche Bürokratie auf den Punkt bringt.
    Bei Serafe ist nebenbei merkwürdig, dass diese in 8010 Zürich ihre offizielle Postfach- und Korrespondenzadresse unterhält.
    Der steuergünstige Sitz ist aber im Kanton Schwyz.
    Im Handelsregister der Serafe ist dazu nichts eingetragen, was doch gegen Art. 153 StGB und Art. 117 Abs. 5 HRegV verstösst.
    Vielleicht untersuchen Sie den Steuerflüchtling Serafe auch mal unter dieser Optik.
    Jedenfalls ist es sehr merkwürdig, dass ein staatsnahes Unternehmen im steuergünstigen Schwyz beheimatet ist und im mondänen Zürich ihre Korrespondenzadresse unterhält.
    Was sagen wohl die beiden Handelsregisterämter der beiden Kantone und vor allem die Steuerbehörde Zürich?
    Recherchieren Sie mal, Sie werden noch staunen…

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