Sowohl die Bundesanwaltschaft wie auch die FIFA ziehen den Freispruch für Michel Platini und Sepp Blatter des Bundesstrafgerichts an das Bundesgericht weiter. Während die CH Medien bereits am 20. Oktober vermeldeten, dass die Bundesanwaltschaft das Verfahren weiterzieht, hat jetzt auch die FIFA Anschlussberufung eingereicht, wie die Zeitungen der CH Medien heute schreiben.
Zu den konkreten Beweggründen hätte sich die FIFA nicht geäussert, schreiben die CH Medien-Zeitungen, die in dem Schritt eine Kehrtwende erkennen wollen, nachdem die FIFA im Oktober von einer Beschwerde noch nicht hätte wissen wollen. Nur: Direkt zitiert wird von «Infantinos Medienstelle» lediglich die Aussage: «Wir überlassen es nun der Schweizer Justiz, dieses Strafverfahren zu führen.». Gut möglich also, dass die FIFA sich der Berufung vorwiegend deshalb anschliesst, um in dem Verfahren weiterhin Parteistellung zu haben und damit direkt über die weiteren Schritte im Bild zu sein. Andere argumentieren, wenn die FIFA und ihr Präsident Infantino von der Schuld Blatters überzeugt seien, müssten sie weiterziehen, sonst könnten sie sie womöglich selbst dem Vorwurf der ungetreuen Geschäftsbesorgung aussetzen.
Viel Kopfschütteln nach Berufung
Bereits die Tatsache, dass die Bundesanwaltschaft das Verfahren weiterzog, hatte bei vielen Beobachtern Stirnrunzeln ausgelöst. Der FIFA-Komplex hatte den früheren Bundesanwalt Michael Lauber den Kopf gekostet, nachdem dieser und eine ganze Entourage aus Personen der Bundesanwaltschaft und der FIFA eine kollektive Amnesie geltend gemacht hatten und sich nicht mehr an Geheimtreffen und noch weniger an deren Inhalte erinnern konnten. Unter ihnen auch FIFA-Präsident Gianni Infantino, der aktuell wegen der Fussball-WM in Katar unter Druck steht, die nach Urteilen sowohl der US-amerikanischen wie der Schweizer Justiz nur dank Korruption nach Katar vergeben wurde und jetzt dennoch dort stattfindet. Die Entscheidung über den Austragungsort fällt zwar in die Zeit vor Infantino, gleichwohl wird ihm angelastet, dass er auch nach den Urteilen in dieser Sache nichts unternommen hatte.
Was will die Bundesanwaltschaft?
Die Bundesanwaltschaft selbst hatte vor dem erstinstanzlichen Prozess in Bellinzona eine schlechte Figur gemacht. Sie scheiterte mit ihren Anträgen auf der ganzen Linie, der ehemalige BA-Ermittler und heutige Abteilungspräsident des Bundesstrafgerichts, Oliver Thormann sagte als Zeuge aus und sah sich anschliessend dem Vorwurf der Lüge ausgesetzt. Platini soll gemäss Zeitungsberichten gar eine Strafanzeige gegen den Richter eingereicht haben. Und viele fragen sich, warum die Bundesanwaltschaft es bei dem klaren Urteil in Bellinzona nicht darauf beruhen lässt und gegen den unterdessen 86-jährigen Blatter weiterhin eine Verurteilung anstrebt, die allerdings kaum zu erreichen sein dürfte.
«Gentlemen-Agreement» versus Korruption
Materiell geht es bei dem Strafverfahren um eine Zahlung von CHF 2 Mio. an den früheren UEFA-Präsidenten Platini. Dieser hatte um die Jahrtausendwende während vier Jahren als Berater für die FIFA unter Blatter gearbeitet, für einen Betrag von CHF 1 Mio. jährlich. Zunächst seien ihm allerdings nur jeweils rund CHF 300’000 ausbezahlt worden und über diese Summe auch ein Vertrag aufgesetzt worden. Den Rest wollte Blatter bezahlen, wenn die FIFA finanziell besser dastehe. Das tat sie auch, allerdings erst acht Jahre später, und statt der vier Mal CHF 700’000 hatte Platini nur vier Mal CHF 500’000 gefordert.
Thomas Hildbrand, Staatsanwalt des Bundes, wittere eine Zahlung ohne Rechtsgrund und sprach von einer «hohen kriminellen Energie.» Das Bundesstrafgericht folgte allerdings der Argumentation der Beschuldigten, die übereinstimmend von einem mündlichen Vertrag sprachen, dass Platini nur CHF 2 Mio. statt CHF 2.8 Mio. für die Nachzahlungen in Rechnung gestellt hatte, erklärte er mit seiner Schussligkeit in finanziellen Angelegenheiten.
Schwere Folgen oder gar ein Komplott?
Trotz des Freispruchs hatte alleine die Eröffnung des Verfahens für Blatter wie Platini massive Folgen. Beide wurden von der Ethikkommission der FIFA gesperrt, und das unmittelbar, bevor Platini als neuer FIFA-Präsident hätte gewählt werden sollen. Bis heute hält sich deshalb die These, dass die Geheimtreffen zwischen FIFA und Bundesanwaltschaft letztlich dazu dienten, Platini aus dem Weg zu räumen und Gianni Infantino den Weg zur Präsidentschaft über die FIFA zu ebnen. Wie auch ein neuer Dokumentarfilm des SCHWEIZER FERNSEHENS zeigt, fand das erste Geheimtreffen zwischen dem Infantino-Intimus Rinaldo Arnold und den Leuten der Bundesanwaltschaft am 8. Juli 2015 und damit bereits kurze Zeit nach dem Rücktritt von Blatter (am 2. Juni 2015) statt. Just zu dem Zeitpunkt also, als sich Platini aufmachte, neuer FIFA-Präsident zu werden.