Die Staatsanwaltschaft St. Gallen hat in einem Strafbefehl einen Mann verurteilt, der eine Frau beim Pinkeln auf der Toilette filmte. Kosten total: 12’000 Franken. Die Verletzung des Privat- und Geheimbereichs ist im Artikel 179quater StGB festgehalten. Solche Fälle stiegen in den vergangenen Jahren trotz Social Media aber weniger stark an als erwartet.
Es geschah an einem Festival in Chur im Jahr 2022. Marina R. war mit einer Freundesgruppe im Ausgang. Sie schauten sich mehrere Konzerte an, tranken etwas dabei. Irgendwann musste sie auf die Toilette. In der Kabine setzte sie sich aufs Klo, erwartete nichts Ungeahntes. Doch auf einmal bemerkte sie ein Handy, das unter der Trennwand hindurchschaute. Vielmehr lag das Handy nicht nur da, sondern wurde von einer Person in der Nachbarskabine gehalten. Sie zuckte hoch, rannte hinaus. Sie informierte wartende Personen und die Security, die den Täter stellen konnten. Die Security verständigte die Polizei. Beim Täter handelt es sich um Karl F. Auf seinem konfiszierten Handy konnte die Polizei kurz darauf die Videodateien sicherstellen.
Keine massive Zunahme
In dem vor gut einer Woche ausgestellten Strafbefehl wird der Täter unter anderem nach dem Artikel 179quater des Strafgesetzbuchs verurteilt. Dieser Artikel schützt die Privat- und Geheimsphäre vor unerlaubten Beobachtungen durch Aufnahmegeräte oder vor nicht genehmigten Bildaufnahmen. Der Gesetzesartikel ist gemeinhin auch als „Paparazzi-Paragraf“ bekannt und besteht in seinem heutigen Wortlaut bereits seit 1968. In den vergangenen 15 Jahren haben sich die Möglichkeiten zur Bildaufnahme stark verändert. Mittlerweile haben beinahe alle mit ihrem Smartphone ständig eine Kamera dabei und somit die Möglichkeit sich oder andere Personen aufzunehmen. Zudem hat sich durch die sozialen Netzwerke das Medienverhalten stark verändert und ein riesiger Raum für Aufnahmen wurde geöffnet. So werden darauf nicht nur Bilder von sich selbst hochgeladen, sondern auch Beobachtungen im öffentlichen Raum, zum Teil Gewalt oder entblössende Bilder, die den geschützten Bereich von Einzelpersonen übertreten. Anzunehmen ist also, dass die Verstösse gegen diesen Gesetzesartikel in den letzten Jahren stark zugenommen haben.
Eine Annäherung an diese Frage liefert die jährlich erscheinende Polizeiliche Kriminalstatistik, die die Daten zu Gesetzesübertretungen schweizweit erfasst. Dieser ist zu entnehmen, dass sich die Gesetzesübertretungen zu diesem Paragrafen zwischen 2009 und 2016 von 169 auf 601 Straftaten, also um 256 Prozent, erhöht haben. Im Jahr 2023 zählt die Statistik noch 401 Straftaten, was zwar einer Zunahme gegenüber 2009 entspricht, jedoch mit dem Jahr 2016 verglichen wieder tiefer liegt. Ein konstant starker Zuwachs der Straftaten, die durch den StGB-Artikel 179quater erfasst werden, ist damit nicht festzustellen, was mit den immer präsenteren sozialen Medien überrascht.
Bis zu drei Jahren Gefängnis möglich
Karl F. erhielt von der Staatsanwaltschaft St. Gallen eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 100 Franken, insgesamt also 12’000 Franken, die er zu bezahlen hat. In seiner Strafe sind jedoch noch unerlaubter Waffenbesitz, das Weiterleiten pornografischer Inhalte mit Minderjährigen und eine bedingte Geldstrafe von 2700 Franken aus einer früheren Verurteilung.
Das Aufnehmen einer Frau auf der Toilette, also in intimstem Rahmen, ahndet die Staatsanwaltschaft gerade einmal mit einer Strafe von wenigen tausend Franken. Der Artikel 179quater formuliert ein grosses Spektrum an Strafmass. Die Ahndung einer unerlaubten Aufnahme durch ein solches Gerät kann durch eine Geldstrafe erfolgen oder mit bis zu drei Jahren Gefängnis.
Detaillierte Informationen zu Strafbare Handlungen gegen den Geheim- und Privatbereich sind auf der Homepage von Rechtsanwalt Duri Bonin zu finden.