Der nächste Skandal aus dem Hause Fehr

An Gründonnerstag und wohl in der Hoffnung, mit der Nachricht in den Osterfeierlichkeiten unterzugehen, informierte der Kanton Zürich über den nächsten Justizskandal aus der Küche von Justiz-Direktorin Jacqueline Fehr (SP). Nach dem ersten Betriebsjahr des neuen Polizei- und Justizzentrums musste der Regierungsrat alleine für den Bereich der vorläufigen Festnahmen, die im PJZ durchgeführt werden, 82 zusätzliche Stellen bewilligen. Jährliche Mehrkosten: über CHF 10 Mio.

Das neue Polizei- und Justizzentrum macht vielen Bauchweh. Anwälte beklagen sich über die zeitraubenden Eingangskontrollen, und Strafrechtsexperten schütteln den Kopf über die räumliche Nähe von Abteilungen, die sich eigentlich nicht so nahe sein sollten. Beispielsweise das Zwangsmassnahmengericht, das über Haftanträge entscheidet und das unabhängig und neutral tun sollte – ohne auch nur den Anschein der Befangenheit. Nur: Wenn die Kolleginnen und Kollegen des Zwangsmassnahmengerichts in der gleichen Kantine Kaffee trinken, wie auch die Staatsanwältinnen und -anwälte, dann hinterlässt das schon einmal einen schalen Nachgeschmack.

Dafür ist es offenbar nicht nur einmal vorgekommen, dass in den letzten Monaten «aus Versehen» falsche Hälftlinge entlassen und andere zu lange eingesperrt worden waren, wie die Medien bereits letzte Woche berichteten. Die NZZ spricht von «einem puren Zufall, dass es sich dabei um keine gefährlichen Straftäter handelte.» Der Zürcher Regierungsrat schreibt dazu in seinem Entscheid beschönigend, dank des grossen Engagements der Mitarbeitenden sei es zu keinen schwerwiegenden Zwischenfällen gekommen. Obwohl die Zustände offenbar so gravierend sind, dass «Die Sicherheit des Betriebs unter den aktuellen Begebenheiten nicht verantwortbar sei.

Personalbedarf um 40 Prozent unterschätzt

Mit der Eröffnung des PJZ wurde im April 2022 auch das Provisorische Polizeigefängnis Propog auf dem Kasernenareal abgelöst. Das tat Not, hatten doch verschiedene Menschenrechtsexperten immer wieder Kritik an den Haftbedingungen geübt – sowohl bei der Polizei- wie der Untersuchungshaft. Nur: Nach dem ersten Betriebsjahr zeigt sich, dass der Stellenplan aus dem Jahr 2019, der auf dem Betriebskonzept von 2015 basierte, offenbar viel zu knapp bemessen war.

Wobei Experten wie der früherere Leiter des Zürcher Amtes für Justizvollzug, Thomas Manhart, ob der von der Sicherheitsdirektion genannten Zahlen nur den Kopf schütteln. Aktuell steht für die Betreuung der Inhaftierten ein Stellenetat von  146 Personen zur Verfügung – für gegenwärtig 124 Einzelzellen der Polizeihaft. Denn die Untersuchungshäftlinge, maximal 117 Personen, sind noch gar nicht im neuen Gefängnis Zürich-West (so heisst der Gefängnisteil des Polizei- und Justizzentrums) eingezogen. Das sind also heute mehr als eine Betreuungsperson pro inhaftierter Person.

Nach einer Studie eines privaten Büros bräuchte es aber sagenhafte zusätzliche 105.5 Stellen. Das war dann aber wohl sogar dem Regierungsrat zu viel des Guten. Im Beschluss vom 5. April 2023 schreibt er, «ein Teil des ermittelten Bedarfs (23.0 Stellen) lässt sich in absehbarer Zeit kompensieren durch bessere Betreibsabläufe und eine höhere Effizienz.» Gleichwohl hat er bis 2025 nciht weniger als 82.5 zusätzliche Stellen bewilligt – mit nicht budgetierten Zusatzkosten von CHF 9.5 Mio. im Jahr 2024 und sogar jährlichen 10.8 Mio. ab 2025. 

Bei Volllast würden also maximal 241 Inhaftierte von 228 Aufseherinnen und Aufsehern und weiteren Fachleuten betreut – noch immer fast eine 1:1 Betreuung – dabei gehen Spezialisten wie Manhart davon aus, dass in einem normalen Untersuchungsgefängnis auf drei Häftlinge etwa eine Aufsichtsperson kommt.

Gründe mit Fragezeichen

Viele der Gründe, die der Regierungsrat für das Planungsversagen anführt, erscheinen wenig plausibel. So wird im Regierungsratsbeschluss beispielsweise angeführt, dass es für Justizvollzugsangestellte keinen eigentlichen Arbeitsmarkt gebe und die Fachpersonen allesamt erst 17 Wochen lang ausgebildet werden müssten. Unerwähnt lässt der Text, dass offenbar niemand der bisherigen Aufseherinnen und Aufseher des Polizeigefängnisses bereit war, ins neue Gefängnis zu wechseln. Das dürfte damit zu tun haben, dass das alte Polizeigefängnis in der Zuständigkeit von Mario Fehrs Sicherheitsdirektion lag, mit dem Wechsel ins PJZ wurde diese zur Justizdirektion von Jacqueline Fehr (SP) verschoben.

Gemäss Zeitungsberichten haben Fehrs Kaderbeamte die bisherigen Aufseher brüskiert, indem sich diese – wie die Neueinsteiger – neu hätten bewerben müssen. – Die Sicherheitsdirektion betrieb das Polizeigefängnis übrigens mit deutlich weniger Personal, nämlich lediglich 61 Vollzeit-Äquivalenten. Fairerweise muss ergänzt werden, dass die Kantonspolizei bei Spitzenbelastungen aushalf – allerdings waren bei der alten Situation auch häufig Überführungen der Inhaftierten in andere Gebäude nötig, was mit dem neuen PJZ ja wegfällt.

Aber auch, wenn man die Prämisse setzt, dass tatsächlich alle neuen Angestellten erst einmal über vier Monate ausgebildet werden müssen: Diese Ausbildung sollte dereinst ja einmal abgeschlossen sein. Gemäss Zeitungsberichten in der NZZ wie im TAGESANZEIGER scheint die Stimmung unter dem Aufsichtspersonal offenbar so schlecht zu sein, dass viele den Bettel bereits wieder hingeworfen haben, «weil sie sich den Job anders vorgestellt hatten.» – Für eine seriöse Personalauswahl durch die Sicherheitsdirektion spricht das nicht. Der Regierungsrat räumt denn auch ein, «die Mitarbeitenden sind stark belastet und haben in kuirzer Zeit erhelbiche Mehrzeiten angehäuft. Die Fluktuation ist hoch und die Stimmung angespannt.» – Und das trotz Temporärfirmen, die offenbar die schlimmsten Missstände ausbügeln.

Wegstrecken falsch gemessen

Nur noch peinlich erscheint dann die Begründung, es seien zwar die Wegzeiten innerhalb des PJZ bei Verschiebungen mit Gefangenen gemessen worden, allerdings habe man dabei nicht berücksichtigt, dass ein Aufseher, der eine Strecke alleine zurücklegt, deutlich schneller unterwegs sei, als wenn er einen Gefangnen «im Schlepptau» habe. Oder dass man damit gerechnet habe, dass der Wechsel vom 8-Stunden zum 3-Schichten-Betrieb sich mit einer Verdreifachung des Personals bewerkstelligen liesse – das Seco allerdings von einer Verfünffachung ausgehe. Oder dass die psychische Gesundheit vieler Inhaftierter so schlecht sei, dass deutlich mehr Betreuungs- und Arbeitsaufwand nötig sei. Oder dass die Schichtpläne jederzeit darauf abgestimmt sein müssten, dass auch eine grössere Gruppe verhafteter Personen aufgenommen werden könne.

Interessant an allen Ausflüchten: Als es vor Jahren um die Zustimmung der Bevölkerung zu dem neuen PJZ ging, argumentierten dieselben Politikerinnen noch genau anders herum und priesen das PJZ mit dem Argument an, dass es die Abläufe vereinfachen und die Arbeit effizienter machen würde.

Was passiert, wenn auch noch die Untersuchungshaft ins neue Gefängnis wechselt?

Viele Beobachterinnen und Beobachter sind gespannt, was passieren wird, wenn demnächst auch noch die Untersuchungshälftlinge ins neue Gefängnis Zürich-West wechseln. Sicherheitsdirektorin Jacqueline Fehr hatte die Aufnahme des Betriebs auf die zweite Hälfte 2023 verschoben, weil man noch nicht bereit war. – Ob der Regierungsrat das Personalbudget dann noch einmal aufstocken muss?

 

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