EGMR: Durchgefallen

Dass man vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte EGMR mit einigem rechnen muss in Sachen Schweizer Klimaklage, war klar. Was der Gerichtshof am Ende entschieden hat, kann unter Juristen nur im höchsten Masse Kopfschütteln auslösen: .Das Urteil aus Strasbourg ist aus juristischer Sicht nicht nur schwer-, sondern nachgerade unverdaulich und lässt eigentlich nur einen Schluss zu: In Strasbourg entscheiden nicht mehr Juristen, sondern Klima-Aktivisten.

Der Unerträglichkeiten kommen aus der grossen Kammer, die aus 17 Juristinnen und Juristen besteht. Analog zu den Köchen dürfte also hier gelten: Zu viele Juristen verderben den Brei.

Zunächst das Formelle: Der Gerichtshof hat sämtliche Beschwerden von Einzelpersonen in Klimasachen abgewiesen. Sie wären nicht ausreichend «Opfer» nach Art. 34 der EMRK, schreibt der Gerichtshof in seinen Medienmitteilungen. Sprich: Sie sind in ihren individuellen Rechten zu wenig verletzt durch die behaupten Unterlassungen der Regierungen für mehr Klimaschutz. Das ist richtig und nachvollziehbar, sieht man sich beispielsweise die Klagen der Schweizer Seniorinnen an. Sie sahen sich unter anderem in ihren Grundrechten verletzt, weil wie aufgrund der Hitzewellen ihren Tagesablauf anpassen und z.B. in den Morgen- oder Abendstunden Einkaufen gehen mussten. Das hätte ihr ganzes Sozialleben durcheinander gebracht. Oder: Sie hätte ihre Zeit an der frischen Luft auf den Abend verschieben müssen. Sind das Menschenrechtsverletzungen? Echt jetzt? Solche Klagen sind schlicht beschämend im Angesicht der Vorgänge etwa in der Ukraine oder im Gaza-Israel-Konflikt.

Für eine Lobbying-Organisation, bestehend aus 2000 Mitgliedern, die nicht individuell-konkret, sondern nur abstrakt vom Klimawandel beeinträchtigt sind, soll es dann aber reichen? Ihnen wird von Strassburg der Opferstatus gegeben. Absurder geht’s nicht mehr.

Begründung: Der Klimawandel ist eine gemeinsame Belastung der Menschheit und es sei notwendig, die Lastenteilung zwischen den Generationen zu fördern.» Mit Verlaub: Das hat mit Juristerei nichts zu tun. Der Gerichtshof, der den Rechtsstaat gegen Regelverletzungen verteidigen sollte, verstösst selbst gegen seine Spielregeln, wenn es das Thema seiner Ansicht nach gebietet.

Das, lieber EGMR, ist genau das Muster, nachdem jeder Unrechtsstaat auf dieser Welt vorgeht. Die EMRK wurde ursprünglich genau dazu geschaffen, solchem Tun von Regierungen und Verwaltungen Einhalt zu gebieten. Dass die Richter des EGMR sich selbst ermächtigen, über dem Recht zu stehen, ist schlechterdings unerträglich.

Im materiellen Teil geht es etwas gleich unbedarft weiter. Zunächst, so muss man aus den zusammenfassenden Medienmaterialien folgen, hat der Gerichtshof inhaltlich ganz einfach die alarmistischen Töne des IPCC übernommen. Was nicht weiter erstaunt, wenn man die lange Liste all’ derjenigen anschaut, die sich in dem Verfahren auch noch äussern durften. Da wimmelt es nur so von Aktivistinnen und Aktivsten. Gegenstimmen? Fehlanzeige.

Keine Aussage in den Medien-Materialien dann darüber, worin genau die Verletzung von Art. 6 EMRK bestehen soll, welche der Verein der KlimaSeniorinnen erlitten hat? Wer nur schon ein Proseminar in Jurisprudenz belegte, weiss: Ohne saubere Subsumtion gibt’s keine genügende Note.

Und ebenfalls gänzlich unbeachtet von den Strassburger Richtern: Das, was junge Juristinnen und Juristen unter dem Begriff des «adäquaten Kausalzusammenhanges» lernen, der im Recht eine zentrale Position hat. Verzeihung: Haben sollte. Vereinfacht gesagt geht es darum zu bestimmen, welcher Ursache eine bestimmte Wirkung zuzuordnen ist. Der Klassiker aus dem Seminar: A fährt B an, so dass dieser sich ein Bein bricht. Auf dem Weg ins Spital verunglückt das Krankenauto schwer und B stirbt. Ist A jetzt für den Tod von B verantwortlich? – Hätte er ihn nicht angefahren, hätte B. schliesslich nie ins Spital gebracht werden müssen und wäre demzufolge noch am Leben.

Vorliegend hiesse die Frage, ob tatsächlich die angeblich nicht ausreichenden Massnahmen der Schweiz gegen die Klima-Erwärmung ursächlich sind für die Unbill, die von den KlimaSeniorinnen behauptet werden.

Sind sie natürlich nicht, denn die Klimaerwärmung ist ein globales Phänomen. Die Diskussion darüber, ob sie jetzt tatsächlich vollständig menschengemacht ist, wie der IPCC das behauptet, lassen wir jetzt mal. Vielleicht nur soviel: In der Juristerei gälte eigentlich die harte Beweispflicht, um jemanden in die Verantwortung zu nehmen. «Hinweise» dürften da nicht genügen.

Auch darüber setzt sich der EGMR schlicht hinweg und tut so, als ob die Schweizer Regierung mit strengeren Zielen zur CO2-Verminderung die von den Rentnerinnen beklagten höheren Temperaturen und Hitzewellen verringern könnte.

Ein letzter Aspekt betrifft das Spannungsverhältnis zwischen Demokratie und Rechtsstaat. Die herrschende Lehre verfolgte dabei bis heute eine klare Linie: Auch demokratische Entscheide dürfen nicht in Willkür verfallen (Stichwort: Einbürgerungsentscheide an der Gemeindeversammlung) oder die individuell-konkreten Grundrechte Einzelner aushebeln (beispielsweise die Eigentumsgarantie bei Bauprojekten). Eine Gefahr für das Recht auf Leben aufgrund mangelhafter CO2-Reduktionsziele hat der Gerichtshof heute aber explizit verneint. Und den Individualklägern auch keine Opfer-Position zugesprochen.

Was deshalb am Ende bleibt, sind politische Anliegen. Und die gehören auf dem politischen Weg verwiesen. Gerade in der Schweiz, wo dafür wirklich ausreichend Instrumente vorhanden sind.

Fazit: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat sich mit diesem Entscheid für viele komplett unglaubwürdig gemacht und der Institution grossen Schaden zugefügt.

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