Ein weiteres Kapitel im Fall Brian Keller

Brian Keller soll in Zürich einen Mann mit Schlägen attackiert haben. Auf Bildern einer Überwachungskamera ist zu sehen, wie der 28-jährige Ex-Häftling zu seinen Kontrahenten rennt und ihn niederschlägt. Die Polizei ermittelt.

In einem dramatischen Bericht auf TikTok behauptet der Influencer Skorp808, dass er kürzlich von seinem Erzfeind, dem ehemaligen Häftling Brian Keller, angegriffen wurde. Giorgio L., auch bekannt als «Skorp808», erklärte seinen Fans, dass Keller ihn von hinten angegriffen und ihn mit mehreren Faustschlägen verletzt habe.

Ein Video des Vorfalls wurde in einem privaten Telegram-Kanal veröffentlicht, was die Behauptungen des Influencers zu stützen scheint, wie der «Blick» berichtet. «Skorp808» zeigt dabei eine Verletzung an seinem linken Jochbein und berichtet von einem dreifachen Jochbeinbruch. «Brian hat mich von hinten geboxt und ist dann abgehauen», sagt er. «Ich habe einen dreifachen Jochbeinbruch erlitten.» Wie Skorp808 Blick am Donnerstagabend bestätigt, hat er Anzeige gegen Brian Keller erstattet.

Wie der Tiktoker gegenüber «20 Minuten» sagt, befinde er sich derzeit im Spital. Keller selbst habe sich in einem zwischenzeitlich wieder gelöschten Video ebenfalls geäussert. «Habt ihr gesehen, wie der Tiktoker rennt. Skorp hat nun einmal kassiert und rennt direkt zur Polizei.» Unklar ist, ob er für die Wunde unter dem Auge des Tiktokers verantwortlich ist.

Dafür Brian postete am Donnerstagnachmittag ein Video mit dem Titel «Statement zu Skorp». Darin sagt er: «Skorp hat mich vor zwei Tagen vor meinem Haus bedroht und gesagt: ‹Ich steche dich ab. Jeder, der mit Brian zu tun hat, schlage ich.› Er hat meinen Kollegen vor meinem Haus geschlagen und geschnitten.» Zudem habe er «meine Familie beleidigt – meine Mutter, meine Freundin. Solche Sachen lassen wir natürlich nicht auf uns sitzen. Er hat viele Leute öffentlich erniedrigt und geschlagen.» Der Influencer habe ihn mehrfach mit dem Tod bedroht und gesagt, er würde ihn mit seinem 30-Zentimeter-Messer abstechen. Gegenüber «20 Minuten» bestätigt die Polizei einen Einsatz im Kreis 9. Es würden derzeit weitere Abklärungen durchgeführt. Das Anwaltsteam von Brian Keller äusserte sich bislang nicht.

Streit

Der Streit nahm auf Tiktok seinen Anfang. Wie «Skorp808» zuvor sagte, habe er sich mit einem anderen Tiktoker zerstritten, der mit Brian befreundet sei. Der 29-Jährige habe danach begonnen, ihm in den sozialen Medien zu drohen. So soll Brian etwa ein Messer in die Kamera gehalten haben. Mitte Januar setzte Keller einen drauf: Er zog in Begleitung los und tauchte vor dem Wohnhaus seines Rivalen im Zürcher Kreis 3 auf. Vor Ort gingen die Beschimpfungen und Drohungen von Keller lauthals weiter. Wie L. Blick berichtet, soll Keller ein Messer dabeigehabt haben. Dieses ist in den Aufnahmen, die auf Kellers Tiktok-Kanal hochgeladen wurden, jedoch nicht zu sehen. Jedoch löste Keller mit seinem Verhalten einen Polizeieinsatz aus. Laut Brian sei das Ganze aber nur ein Werbegag. «Es ist alles nur Promotion für einen Boxkampf mit ihm», sagte er zuvor zu «Blick».

«Skorp808» hat auf seinem eigenen Profil als Reaktion auf Brians Auftritt vor seiner Wohnung ein Video gepostet, das zeigt, wie Brian auf einer Zürcher Strasse nach ihm ruft und ihn als «Hurensohn» betitelt. Ausserdem teilte er den «Blick»-Artikel von Brians ersten Drohungen und schreibt dazu «Tschau Brian!!!».

Skorp808 verbüsste eine siebenjährige Haftstrafe wegen bandenmässigen Einbruchdiebstahls. Mit dem ehemaligen Häftling liefert sich Keller seit längerer Zeit eine Fehde. Im Februar machten Videos die Runde, in denen Keller «Skorp808» beschimpfte, mit einem Messer posierte und «seinen Kopf forderte». Ende Januar bestätigte die Zürcher Staatsanwaltschaft gegenüber Blick, dass sie wegen eines Offizialdelikts ein Verfahren eröffnet hat. Auf Anfrage erklärte Erich Wenzinger, Leiter der Kommunikation: «Die Staatsanwaltschaft hat gestützt auf die polizeilichen Ermittlungen gegen Brian Keller am 22. Januar 2024 ein Strafverfahren wegen öffentlicher Aufforderung zu Verbrechen oder zur Gewalttätigkeit im Sinne von Art. 259 StGB eröffnet.» Im März entschied die Zürcher Staatsanwaltschaft, ihn einzuvernehmen. Im März postete Keller selbst eine Vorladung der Staatsanwaltschaft Zürich. Als Straftatbestand wurde «öffentliche Aufforderung zu Verbrechen oder zur Gewalttätigkeit» genannt. Kommentiert hat Brian die Vorladung nicht.

Brian Keller gilt nach jahrelanger medialer Aufmerksamkeit für seinen Fall als der berühmteste Häftling der Schweiz. Nach rund 7,5 Jahren wurde Brian Keller am 10. November auf Bewährung aus der Haft entlassen. Der wohl berühmteste Ex-Häftling soll sich gebessert haben, gemäss Gefängnismitarbeitern verhielt er sich die letzten zwei Jahre grösstenteils ruhig. Das Gericht Dielsdorf gab ihm eine Chance auf ein normales Leben.

Gerichtspsychiater Frank Urbaniok hatte bereits kurz nach der Freilassung von Brian Keller davor gewarnt, dass man nicht wisse, «wie er sich in Freiheit verhält». Gegenüber SRF führte er zudem aus, dass die Inszenierung von Keller als Medienstar es sicherlich erschwere, «sich mit den banalen Alltäglichkeiten auseinanderzusetzen». Seit seiner Freilassung füttert Keller regelmässig seine Social-Media-Kanäle und hat mehrere tausend Follower.

Mögliche Konsequenzen

In 20min.ch beantwortet Rechtsanwalt Christian Lenz von der Kanzlei Lenz & Caduff Fragen, über den mögliche Folgen von Brians Taten. «In der Situation, in der Brian möglicherweise mit weiteren rechtlichen Konsequenzen konfrontiert ist, spielen die spezifischen Umstände und Beweise eine entscheidende Rolle.» Christian Lenz hebt hervor, dass die Entscheidung über Brians Verhaftung stark von den Behörden abhängig ist und dass die lang andauernde Fehde zwischen den Beteiligten bekannt ist. Er betont die Notwendigkeit einer sorgfältigen Überprüfung durch die Staatsanwaltschaft und das Zwangsmassnahmengericht, um festzustellen, ob dringende Tatverdächtige und Haftgründe wie Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr bestehen. Hinsichtlich des Videos, das Brian bei der Tat zeigt, muss zunächst geprüft werden, ob dieses Video im rechtlichen Sinne verwertbar ist. Sollten die Aufnahmen unrechtmäßig erstellt worden sein, könnten sie dennoch in einem Verfahren bei schweren Delikten als Beweismittel zugelassen werden.

Brians Vergangenheit könnte ebenfalls eine Rolle spielen, da sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Gerichte die Vorgeschichte einer Person genau betrachten, wenn es darum geht, Entscheidungen über die Untersuchungshaft oder das Strafmaß zu treffen. In Bezug auf die konkrete Tat ermitteln die Behörden bei Schlägen gegen den Kopf besonders streng, um festzustellen, ob es sich um versuchte schwere Körperverletzung handelt. Brians Vorgeschichte und eventuelle Vorstrafen werden hierbei auch berücksichtigt und könnten zu einer Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren führen.

Keine schwere Körperverletzung

Im Blick erklärt der Aargauer Strafrechts-Fachanwalt André Kuhn: «Falls das Opfer keinen Strafantrag stellt, kann der Beschuldigte freigesprochen werden. Dies ist der Fall, wenn die Verletzungen nicht als schwere Körperverletzungen eingeschätzt werden und somit keinem Offizialdelikt entsprechen.» Nach Kuhns Einschätzung spricht der erlittene Jochbeinbruch von Skorp808 gegen eine schwere Körperverletzung: «Er ist nicht lebensgefährlich und es sind keine bleibenden Entstellungen zu erwarten.» Die Staatsanwaltschaft könnte trotzdem eine Strafuntersuchung wegen versuchter schwerer Körperverletzung eröffnen: «Auf dem Video sieht man, dass das Opfer von hinten mit Faustschlägen angegriffen wird, während es mit Personen spricht, die vor ihm auf einer kleinen Mauer sitzen. Nach dem ersten Schlag fällt das Opfer zu Boden, wo es weiter mit der Faust geschlagen wird», erklärt Kuhn. «Falls die Staatsanwaltschaft der Auffassung ist, es habe die Gefahr bestanden, dass das Opfer mit dem Gesicht auf die Mauer fällt oder die vielen Schläge selber schwere Verletzungen hätten zur Folge haben können, kann sie auch wegen schwerer Körperverletzung ermitteln.»

Auf Schadenersatzforderungen habe der Antrag hingegen keinen Einfluss: «Auch ohne Strafantrag kann ein Opfer Schadenersatz verlangen. Hierfür muss es lediglich eine Forderungsklage beim Gericht einreichen.» Ob die Staatsanwaltschaft aufgrund des aktuellen Vorfalls eine U-Haft beantragt, lasse sich anhand des Videos nicht einschätzen: «Ein Tatverdacht wegen versuchter schwerer Körperverletzung allein reicht für eine U-Haft nicht aus. Zusätzlich müssten noch weitere Bedingungen erfüllt sein, beispielsweise Wiederholungsgefahr. Bei Keller wird dies die Staatsanwaltschaft prüfen, die gesetzlichen Anforderungen an eine Wiederholungsgefahr sind aber hoch.»

Chronologie eines verpfuschten Lebens

Die Newsplattform Watson hat eine Chronologie über Brian Kellers aufgeführt.

NACHTRAG

Die Stadtpolizei Zürich hat am Donnerstagabend Brian Keller verhaftet. Der 28-Jährige sei vorläufig festgenommen worden, teilte die Zürcher Staatsanwaltschaft am Freitag mit. Sie hat noch nicht entschieden, ob sie Untersuchungshaft beantragen wird. Sie muss diesen Entscheid innerhalb von maximal 48 Stunden fällen. Die Staatsanwaltschaft hat ein Verfahren wegen Verdachts auf versuchte schwere Körperverletzung eröffnet.

One thought on “Ein weiteres Kapitel im Fall Brian Keller

  1. Christian Lenz hätte besser gar nichts gesagt. Seine Aussagen haben keinen Informnationsgehalt. Ich nehme an, das liegt an der fehlenden Fallkenntnis.

    Auch André Kuhn hätte besser nichts sagt. Bei einen Antragsdelikt gibt es bei einem fehlenden Strafantrag keinen Freispruch, sondern eine Einstellung. Ein „Strafrechts-Fachanwalt“ müsste das wissen. Eine Forderungsklage wegen Schadenersatz könnte das Opfer nicht beim Gericht einreichen. Zuerst käme ein Schlichtungsverfahren.

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