Doppelmoral bei der Amtsgeheimnisverletzung und beim verbotenen Nachrichtendienst?

Wenn eine Behörde die Rechtsgleichheit missachtet

Strafverfolgungsbehörden handeln für Aussenstehende oft unverständlich und nicht gleich, wenn es um die Bestrafung von Geheimnisverletzungen geht. Diese undurchsichtige Ungleichbehandlung in Strafsachen führt dazu, dass das Vertrauen in unser Justizsystem zerstört wird.

«Der freiheitliche Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das grosse Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist.», Dieses Zitat stammt vom deutschen Rechtsphilosoph und Staatsrechtler Ernst-Wolfgang Böckenförde (1930-2019). «Was aber. nicht garantiert werden kann, dass der Bürger Sorge und Verantwortung für die Gesellschaft und die Demokratie trägt», aus Precht, Welzer «Die vierte Gewalt». Dies ist nicht gegeben, wenn das Vertrauen in den Rechtsstaat zerstört wird.

Vertrauen in den Staat und seine Institutionen 

Ein philosophischer Einstieg in ein Thema, das seit der Ära Donald Trump und Covid viele Menschen, nicht nur in der Schweiz, beschäftigt. Das Vertrauen in den Staat und seinen Institutionen. Ramponiert wird das Vertrauen in den Rechtsstaat u.a., wenn eine Behörde der Justiz die Rechtsgleichheit missachtet. Dies scheint aktuell bei der Bundesanwaltschaft (BA) der Fall zu sein, wenn es um die Verletzung des Amtsgeheimnisses und um Delikte des verbotenen Nachrichtendienstes geht.

Ein Hackerangriff gegen xplain AG, einem IT-Dienstleister im Bereich Staatsschutz (Homeland Security), offenbart: Daten ihrer amtlich tätigen Kunden wie dem Bundesamt für Polizei Fedpol oder das Innendepartement des Kantons Aargau wurden bei der xplain AG ausgelagert, bei einem Hackerangriff abgezogen und darauf im Darknet zum Verkauf angeboten. Experten und Bürger ist es nicht nachvollziehbar, warum operative Daten von Behörden bei xplain AG (Slogan: Homeland Security – digital end-to-end) gespeichert wurden. Der Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten EDOEB wurde deswegen nun aktiv. Ungewiss ist, ob die Bundesanwaltschaft nun wegen möglicher Verletzung des Amtsgeheimnisses und verbotenen Nachrichtendienstes ermittelt.

In einem in den Medien laut begleitenden Fall soll der Peter Lauener, ehemaliger persönlicher Kommunikationsberater von Bundesrat Alain Berset Interna, darunter auch Amtsgeheimnisse, exklusiv an den Ringier Verlag übergeben haben, zusammenfassend hierzu ein Bericht von SRF. Peter Marti, der im «Fall Crypto AG» als ausserordentlichen Staatsanwalt des Bundes ernannt worden war, bekam von Mitarbeiter des BIT bei seinen Untersuchungen deutlich mehr E-Mails vom privaten Account von Peter Lauener an Peter Marti, als dieser angefordert hatte. Danach leitete die Bundesanwaltschaft (BA) eine Strafuntersuchung gegen Mitarbeiter des BIT wegen Amtsgeheimnisverletzung ein.

Daten bei ausländischen Anbietern

Gemäss Recherche der Republik (15.8.2022 und 2.9.2022) befanden sich Personaldaten des Bundes bereits in die Cloud eines ausländischen Anbieters (Microsoft). Andere Bundesämter wie Swissmedic, Kantone wie Zürich oder die SUVA verfolgen ähnliche Strategien. Wenn Amtsdaten ausländischen Organisationen wie Microsoft oder Amazon zugänglich gemacht werden, kann dies in Bezug auf den verbotenen Nachrichtendienst relevant werden.

Als ausländisch ist auch eine Organisation mit Sitz in der Schweiz zu betrachten, wenn sie ihre Kundendaten auf Anfrage einer ausländischen Strafbehörde aushändigen muss. Dies ist bei Microsoft und Amazon wegen des CLOUD Act (Clarifying Lawful Overseas Use of Data Act) der Fall. Dieses seit 2018 bestehendes US-amerikanische Gesetz regelt den Zugriff von US-Behörden auf gespeicherte Daten im Internet. Das Gesetz verpflichtet amerikanische Internet-Firmen und IT-Dienstleister wie Microsoft, Amazon oder Google, US-Behörden ohne Kenntnis des Kunden auch dann Zugriff auf gespeicherte Daten zu gewährleisten, wenn die Speicherung nicht in den USA erfolgt. Für das Verständnis des US CLOUD Acts lohnt sich ein Blick auf dessen Geschichte. Diese beginnt mit dem Urteil in Sachen Microsoft v. United States, 829 F.3d 197 (2d Cir. 2016). In diesem entschied der Court of Appeal for the Second Circuit, dass das Federal Bureau of Investigation (FBI) Microsoft gestützt auf den 1986 Stored Communications Act (SCA) nicht zur Herausgabe von Daten verpflichten könne, wenn diese auf einem Server in Irland und damit ausserhalb der USA gespeichert sind. Als Reaktion auf dieses Urteil wurde der CLOUD Act im März 2018 durch den US-Kongress verabschiedet.

Eine Farce

Ob gerechtfertigt oder nicht, eine Strafuntersuchung gegen Mitarbeiter des BIT wegen der erwähnten Herausgabe der E-Mails im Fall Lauener an Peter Marti wird zur Farce, wenn der Bund in anderen Bereichen im grossen Stil amtliche Informationen «unrechtmässig» im Rahmen des Public Cloud Projekts an Private weitergibt, dies mit Wissen und Duldung der Bundesanwaltschaft.

inside-Justiz.ch stellte der Bundesanwaltschaft (BA) u.a. die Frage, ob sie wüsste, dass betreffend den Staatsschutz sensitive Daten an Private ausgelagert und somit ihnen zugänglich gemacht wurden. Die Antwort der BA: «Ebenso wenig können wir uns dazu äussern, wo Bundesämter welche Daten gespeichert haben. Hierzu müssten Sie sich direkt an die jeweiligen Bundesämter oder die Bundeskanzlei wenden.» Dabei ergänzt sie, dass sie sich nur für Delikte gemäss Art. 23 und 24 StPO als zuständig erachte und nur bei einem hinreichenden Tatverdacht ermittle. Verbotener Nachrichtendienst fällt also in ihre Zuständigkeit, und die Personaldaten der BA-Mitarbeiter könnten bereits ausgelagert worden sein. Des Weiteren erübrigt sich jeglicher Kommentar. Soso…..

Wie vom Parlamentsdienst des Bundes bestätigt, wurden das Handling der E-Mails der Bundesparlamentarier (…..@parlament.ch) an Microsoft ausgelagert. Damit müssen diese E-Mails aufgrund des Cloud Acts den US-Behörden auf Anfrage zugänglich gemacht werden. Dies, ohne dass der Parlamentsdienst davon Kenntnis zu nehmen vermag.

Anfragen unbeantwortet

Trotz mehrmaliger Anfrage bleibt folgende Frage unbeantwortet: «Wurden die Parlamentarier im Vorfeld der Auslagerung der E-Mails an Microsoft darüber informiert, dass ihre E-Mails nun von Microsoft und somit von US-Behörden eingesehen werden können?»

Es ist naheliegend, dass Interna der Kommissionssitzung zwischen den Kommissionsmitgliedern per E-Mail des Parlamentsdienstes ausgetauscht werden. Der Antrag der Bundesanwaltschaft, die Immunität von Nationalrat Roger Köppel wegen Verletzung des Kommissionsgeheimnisses aufzuheben, wird somit zur Posse und führt die Strafverfolgung ad absurdum, wenn die Auslagerung der E-Mails des Parlamentsdienstes nicht strafrechtlich abgeklärt wurde.

 Altes Problem, keine Lösungen

Die Problematik, Amtsgeheimnisse mit dem Segen einer Bundesbehörde zu offenbaren, ist nicht neu. Seit Jahren können Rechtsschriften zwischen den Behörden und zwischen Privaten und der Behörde digital mit Erlaubnis des Bundesamts für Justiz wie PrivaSphere Secure Messaging der Firma PrivaSphere AG oder via IncaMail der Schweizerischen Post ausgetauscht werden. Also zwei Zustellplattformen, die von privaten Unternehmen verwalteten werden. Diese Unternehmen könnten auch hier einfach und bequem Einsicht in die über ihre Plattform ausgetauschten Rechtsschriften nehmen und Kopien davon anfertigen, ohne dass ein Aussenstehender dies festzustellen vermag. Wie zum Beispiel von einer elektronischen eingereichten Anklageschrift.

Zu Sicherheitsfragen betreffend die Auslagerung von Bundesdaten an einen ausländischen Anbieter hüllt sich Florian Schütz, just erkorener Leiter des neuen Bundesamts für Cybersicherheit, in Schweigen und verweist unsere Anfragen ebenfalls an die Bundeskanzlei.

Im Verhältnis zu dem, was der Bund bereits an private Dritte offenbart hat und noch gedenkt zu tun, ist die Geheimnisverletzung in den in den Medien meist hysterisch abgehandelten Fällen Elisabeth Kopp, Jean-Louis Jeanmaire, Roger Köppel, Peter Lauener und des BIT eine Bagatelle und wäre eigentlich kaum erwähnenswert, wenn es für die Betroffenen nicht so arge Einschnitte gehabt hätte oder haben Frau Kopp trat als Bundesrätin zurück, und Herr Jeanmaire wurde zu 18 Jahren Zuchthaus verurteilt, wovon er 12 Jahre verbüsste. Bei Lauener ist die Faktenlage noch unklar, aber egal wie die Untersuchung durch die GPK ausgeht, der Reputationsschaden wird gross sein. 

One thought on “Doppelmoral bei der Amtsgeheimnisverletzung und beim verbotenen Nachrichtendienst?

  1. siehe: Ein Urteil mit (zu) vielen Auffälligkeiten, in: Schweiz am Wochenende, 230624./25. Freisprüche im «Fall Mike»: Ein Urteil mit (zu) vielen Auffälligkeiten – Strafrechtsexperte zerlegt das Verfahren.

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