«Gerichtsgeneral» Sebastian Aeppli

Die Gerichtsfall Pierin Vincenz umfasst über 500 Bundesordner. Kein Problem für den 63jährigen Vorsitzenden Bezirksrichter Sebastian Aeppli. In Hunderten von Prozessen hat er mit Finanzgaunern, Abzockern, Pädophilen Straftätern, Kinderschänder oder Prostituiertenmörder beschäftigt und viele verurteilt. Darunter bekannte Fälle und Namen.

Eine Recherche in der Schweizer Mediendatenbank SMD zeigt, dass Richter Sebastian Aeppli im Raiffeisen-Prozess Fall durch sein Amt einen interessanten Blick auf unsere Gesellschaft werfen konnte. Einige seiner vor Gericht gestellten Personen waren bekannt, die Verfahren medial stark beachtet. So zum Beispiel Carl Hirschmann, Rudolf Elmer oder Urs E. Schwarzenbach, der Kunst im Wert von über 100 Millionen Franken in die Schweiz geschmuggelt haben soll.

Seefeld-Mörder, Hermann Lei und Harry Sprenger

Auch der ruppige Mordprozess gegen Jeton G lief unter seinem Vorsitz oder die Seefeld-Mörder Tobias K. oder der Call-Girl-Mörder im Dolder wurden durch Aeppli verurteilt. Er war auch im Fall des früheren Nationalbankpräsidenten Philipp Hildebrand gegen den Whistleblower Reto T. oder den Thurgauer Anwalt Hermann Lei der Richter. Weitere bekannte Fälle waren die Verurteilung des ehemalige Manager der Fondsfirma Swisscanto, der 5 Mio. Franken prellte oder der sein Schuldspruch gegen den Limmattaler Konzertveranstalter Harry Sprenger.

Antraben musste auch der italienische Vermögensverwalter aus Küsnacht, der 76 Landsleuten über zwölf Millionen Franken abgenommen hatte. Und ein früherer Kadermann eines Schweizer Medienkonzerns wurde von Aeppli als Internetsextäter verurteilt. Gross in den Medien war auch der Fall des sogenannten Lambada-Amokfahrer, den Aeppli für 15 Jahren ins Gefängnis schickte. 4 Jahre Freiheitsstrafe kassierte ein Krankenpfleger, der nach Operationen im Universitätsspital Zürich elf Frauen schändete. Nicht fehlen darf in dieser Aufzählung auch der in Zürich bekannte gewesene Martin Gloor, Finanzbetrüger und ehemaliger Präsident des Rennvereins Zürich. Deliktsumme 30. Mio. Franken, die Strafe 4,5 Jahre.

BVK-Prozess, Daniel Glor und Bruno Zuppiger

Ebenfalls mediale Aufmerksamkeit generierte das Milliardenloch bei der Personalvorsorge des Kantons Zürich. Der Hauptangeklagte im BVK-Prozess : Daniel Gloor wurde wegen Korruption verurteilt. Verlust für den Kanton. 5 bis 15 Milliarden Franken. Dafür verantwortlich und ebenso vor Gericht erschienen bekannte Namen wie Rumen Hranov, Alfred Castelberg , Walter Meier (BT&T-Gruppe/Freigesprochen). Das Urteil: 6 1/4Jahre Gefängnis für Gloor. Auch der ehemalige SVP-Nationalrat Bruno Zuppiger wurde durch Aeppli wegen mehrfacher Veruntreuung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 13 Monaten verurteilt. Dieser Fall beendete auch dessen Politkarriere und Bundesratsträume.

Höngger Beilmörder, Hirschmann und der Ex-Banker

Weitere spektakuläre Fälle sind zudem der «Höngger Beilmörder» der 17 Jahren Gefängnis bekam oder der spielsüchtige 45-jährigen Ex-Direktor der Bank Vontobel, der 5 Millionen Franken ergaunert und dafür 30 Monate Freiheitsstrafe erhielt. Und der damals vor allem in den Boulevardmedien hitzig verbreitete Fall des Milliardärserben Carl Hirschmann erhielt ein «Schuldig» durch Richter Aeppli. Hirschmann wurde wegen mehrfacher sexueller Nötigung und Sex mit Minderjährigen zu 33 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Davon muss er 14 Monate absitzen. Die Revision durch das Obergericht wurde abgewiesen, und an das Bundesgericht weitergezogen.

Ein weiterer Wirtschaftslenker, der frühere Finanzchef der Rentenanstalt / Swiss Life Dominique Morax, lernte Richter Aeppli kennen, der ihn zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten, davon 6 Monate unbedingt, verurteilte. Der damalige Verteidiger von Morax, Rechtsanwalt Lorenz Erni ist aktuell für Pierin Vinzenz tätig (und hat bisher 1750 Stunden für die Verteidigung von Vinzenz aufgewendet). In der Berufung wurde das Urteil leicht korrigiert. Auf eine bedingte Gefängnisstrafe von 22 Monaten sowie einer Geldbusse von 1,07 Millionen Franken. Doch nicht jeder, der ein Aufgebot vor Sebastian Aeppli bekommt, wird verurteilt. Beispiel dafür: der bekannte Financier Martin Ebner wurde vom Anklagepunkt Börsen-Insidergeschäfte freigesprochen und dieses Urteil von der Staatsanwaltschaft akzeptiert.

Schnelldenker, pragmatisch und mutig

Wer sich über das Mitglied der Grünen Partei Sebastian Aeppli erkundet, hört sehr unterschiedliche Stimmen. Viktor Dammann schreibt im Blick, dass ihn kaum ein Strafverteidiger lobt. Und dass «Staatsanwälte bei ihm kein leichtes Spiel hätten.» Andere loben ihn als «Schnelldenker» der «hervorragend mit komplexen Fällen umgeht» und als «pragmatisch und mutig». Dass er juristisch nur wenige Urteile an die Wand gefahren hat, zeigt seine eindrückliche Bilanz von Urteilen, an denen er mitgewirkt hat und selten durch eine nächsthöhere Instanz umgeworfen, höchstens leicht angepasst wurden. Im Mordfall Jeton G. verstiegen sich die beiden Verteidiger von Jeton G. in einem 15seitigen Medienmitteilung dazu, «der Gerichtsvorsitzende habe sich als «zutiefst befangen» geoutet und sich selbst «dem dringenden Tatverdacht eines eklatanten Machts- und damit Amtsmissbrauchs ausgesetzt», heisst es im Communiqué. «Der Vorsitzende Aeppli hat angesichts aller Umstände und des angerichteten Desasters in den Ausstand zu treten.» Jeton G. wurde wegen vorsätzlicher Tötung zu einer Freiheitsstrafe von 16,5 Jahren verurteilt

Ein Jurist sieht Aeppli hingegen als «Gerichtsgeneral», der seinen Strafprozess nach seinen Regeln in hohem Tempo durchpauken will. Aeppli hat bisher auch bei diesem Prozess so verfahren. So hat er den Prozessparteien Vorgaben nach seinen Vorstellungen gemacht und die Parteien angehalten, sich in ihren Plädoyers kurz zu halten. Ein heikler Vorgang. Angefragte Experten sehen gar ein unmöglicher Vorgang, weil damit das rechtliche Gehör verletzt werde.

Berüchtigt seien seine «inquisitorischen, meist sehr kurzen Parteibefragungen» in den Gerichtsfällen. Auch seine mündlichen Urteilseröffnungen und Urteilsbegründungen gehören zu den kürzesten der Branche, hinterlassen aber häufig viele offenen Fragen. Ein weiterer Jurist stellt fest, «er erinnert mich an Richter in amerikanischen Fernsehsendungen oder aus einem John Grisham-Buch.» Aeppli leitet die Verhandlung zusammen mit Rok Bezgovsek (SP) und Peter Rietmann (SP). Als Ersatzmitglied ist Marius Weder (SP) aufgeführt. Bei einem allfälligen Ausfall eines Richters würde er einspringen, damit der Prozess nicht platzt.

Diverse Lecks

Aeppli kam 1990 als Ersatzrichter ans Bezirksgericht Zürich, wurde 1993 gewählter Bezirksrichter und übernahm im Jahre 2000 als Vorsitzender die 9. Abteilung des Bezirksgerichts Zürich. Es ist jene Abteilung, die sich häufig mit schwierigen Wirtschaftsstraffällen oder Gewaltdelikten befasst. Diese Kammer ist, immer noch eine Seltenheit in der Schweiz, auf Wirtschaftsdelikte spezialisiert. Aeppli wird im kommenden Jahr 64, ist aber bis 2026 gewählter Bezirksrichter.

Im Vorfeld des Prozess kam es zu verschiedenen Lecks durch wohl ausgewählte Medien auf, die schon vor der Veröffentlichung sehr häufig aus der Anklageschrift zitieren konnten. Vor allem Tagi-Chefredaktor Arthur Rutishauser konnte einige Artikel über Spesendetails, Ausflüge in Cabarets in der ganzen Schweiz und einer Prügelei mit einer Tänzerin berichten. Auch auf die Details aus den Konten der Bank Julius Bär hatten nur wenige Personen Zugriff. Informationen die dem Bankgeheimnis oder dem Amtsgeheimnis unterstehen. Bislang gab es noch keine Untersuchung dazu. Der Prozess geht am 9. Februar weiter, dann soll Investnet-Gründer Andreas Etter befragt werden. Vier weitere Prozesstage sind im März angesetzt.

 

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