Man weiss nicht, worüber man sich am meisten ärgern soll

Unglaubliches vernimmt man dieser Tage aus den USA. Wenn auch nicht ganz überraschend, so zeigt sich doch immer unverrückbarer, dass der abgewählte US-Präsident Donald Trump am 6. Januar 2020 bereit war, einen veribablen Staatsstreich zu begehen. So erscheint es nachgerade als erwiesen, dass Trump nichts dagegen unternahm, als seine Gefolgsleute ernsthaft versuchen wollten, seinen Vize Mike Pence umzubringen. Das alleine ist ein unerträglicher Vorgang. Wenn es noch eines Belegs bedürft hätte, um sich klar zu werden, dass Trump weder auf dem Boden der Demokratie noch der Rechtstaatlichkeit steht – spätestens damit müsste das eigentlich auch den dumbsten amerikanischen Bürgerinnen und Bürgern klargeworden sein.

Müsste. – Denn die Realität ist eine andere, und noch immer glauben Millionen US-Amerikanerinnen und Amerikaner den Lügengeschichten um eine gestohlene Wahl und den abenteuerlichen Geschichten ihres Idols. Liz Cheney, der Tochter des früheren republikanischen Vize-Präsidenten Dick Cheney, droht die Abwahl als Mitglied des Repräsentantenhauses, weil in ihrem Heimatstaat Wyoming nicht geduldet wird, dass sie sich von eben diesem Trump in aller Form distanziert. Die Ignoranz gegenüber den Fakten, wie sie in Interviews mit dem Mann und der Frau auf der Strasse in Wyoming zum Ausdruck kommt, ist erschreckend und macht Angst.

Genauso schlimm ist aber, dass das republikanische Partei-Establishment nach wie vor nicht auf Distanz zu Trump geht, sondern diesem Landesverräter weiterhin die Stange hält. Die Gründerväter der USA müssen sich im Grabe umdrehen, wenn sie zusehen, wie ihre Werte und Ideale von den karrierebessessenen Opportunisten in den Reihen der Republikaner verraten werden.

Aber auch die Rolle der Demokraten ist eine hochgradig fragwürdige. Noch immer wurde gegen Trump kein Strafverfahren eingeleitet, obwohl die Beweislast bereits heute erdrückend erscheint und im Rahmen eines Verfahrens möglicherweise ja noch Weiteres hinzukommen würde. Aber auch bei den Demokraten erscheint aktuell das politische Taktieren wichtiger als das zu tun, was richtig wäre. Damit sind sie leider auch nicht besser als die Republikaner.

Und als Zuschauer von der Bande fragt man sich, über welchen dieser Umstände man sich jetzt als Demokrat und Angehöriger der westlichen Wertegemeinschaft am meisten ärgern soll.

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