Das war natürlich eine schöne Empörungsgeschichte! Der St. Galler Rechtsanwalt Patrick Stach blitzt mit einer Beschwerde vor Bundesgericht ab. Der Gute hatte mit einer Klientin in einer Erbschaftssache ein Erfolgshonorar vereinbart: Er sollte 20% erhalten des erstrittenen Erbes, «mindestens aber CHF 100’000». Das Bundesgericht rechnete hoch und kam zum Schluss, dass Stach damit ein Stundenhonorar von 910 CHF verrechnet hatte, was so deutlich über den branchenüblichen Ansätzen lag, und dass Stach deshalb von der Anwaltskammer zurecht mit CHF 10’000 gebüsst worden war.
Die vereinigten Trittbrettfahrer und Bedenkenträger, Sektion Ostschweiz, skandalisierten den Fall unter gütiger Mithilfe des ST. GALLER TAGBLATT (und dem nicht eben geschickten kommunikativen Verhaltens Stachs), mit der Konsequenz, dass «Abzocker» Stach als Hochschulrat der Universität St. Gallen, der er auch noch war, zurücktreten musste.
Ein alter Zopf
Was hingegen keiner diskutierte, war die Ausgangsfrage: Warum eigentlich soll es, wie es das Anwaltsgesetz will, ein Schweizer Rechtsanwalt kein Honorar auf Erfolgsbasis verlangen dürfen? Und warum soll es einem Rechtsanwalt verboten sein, bei einem ungünstigen Verfahrensausgang auf das Honorar verzichten zu müssen? Das Bundesgericht in der Besetzung Seiler, Zünd, Abury Giardin Donzallaz und Hänni liess Gerichtsschreiberin de Sépibus argumentieren. Allerdings einigermassen unbehelflich.
„Das Verbot von Erfolgshonoraren soll verhindern, dass der Rechtsanwalt seine Unabhängigkeit verliert, weil er wegen der Erfolgsabrede am Prozessergebnis persönlich interessiert ist. Weiter soll das Verbot der Gefahr begegnen, dass der Rechtsuchende durch seinen Anwalt, der die Prozessaussichten besser beurteilen kann als er, übervorteilt wird“, schreibt das Bundesgericht dem St. Galler Anwalt ins Stammheft.
Nur: Warum soll ein Anwalt „unabhängig“ sein, wenn er kein Erfolgshonorar vereinbart, und abhängig, wenn er gemessen am Erfolg bezahlt wird? Was soll daran problematisch sein, wenn ein Anwalt an einem für seinen Mandanten positiven Prozessergebnis persönlich interessiert ist? Der Anwalt, mit Verlaub, ist kein Richter, und als schlimm muss eher betrachtet werden, wenn sich der Anwalt um den Erfolg eines Prozesses einen Deut scheren muss, weil er sein Geld ja sowieso bekommt. DAS, liebes Bundesgericht, ist nämlich das Problem, das Mandant/innen mit ihren Anwälten erleben.
Bleibt das Argument der Übervorteilung. Konkret dürfte gemeint sein, dass ein Anwalt für einen banalen Fall, den er auf jeden Fall gewinnen sollte, ein hohes Erfolgshonorar einheimst.
Mit Verlaub: Diese Argumentation liest sich dann doch wie aus einer mittelalterlichen Denkhaltung. Meta-Botschaft: Wir Juristen verfolgen so eine Art Geheimwissenschaft, und weil die «Juristisch Unkundigen» nichts davon verstehen können, müssen sie vor den Anwälten geschützt werden, die sie übervorteilen könnten.
Darin kommen zwei Tendenzen zum Ausdruck, die dringend zurückgebunden werden müssen. Zum einen die zunehmende Verkomplizierung der Juristerei. Notabene in einem Ausmass, indem ja Richterinnen und Anwälte selbst nicht mehr durchblicken. Beispiel gefällig? In einer Kindesrechtsangelegenheiten sind beispielsweise allein im Bezug auf das Verfahrensrecht ein halbes Dutzend Rechtsquellen hinzuzuziehen. Weil es der Gesetzgeber nicht auf die Reihe kriegt, bürgergerecht zu legiferieren. Zum anderen zeigt sich in der Argumentation eine unglaubliche Arroganz und Überhöhung des eigenen Berufsstandes, der aus der Erfahrung im juristischen Tagesgeschäft überhaupt nicht zu rechtfertigen ist.
Mit der Begründung des Bundesgerichts müssten nämlich viele andere Bereiche des Wirtschaftslebens genau so mit regulierten Preisen überwacht werden: Oder wie wäre das etwa mit dem «Wissensvorsprung» des Garagisten gegenüber einem Juristen? Glücklicherweise kommt aber (noch?) niemand auf die Idee, Garagisten auf branchenübliche Stundensätze zu verpflichten. Hier überlässt die freie Gesellschaft es den Marktkräften, ausgehend von der Annahme, dass die Bürgerin mündig genug sei, sich Konkurrenzofferten einzuholen und kritisch genug nachzufragen.
Warum soll das in der Juristerei nicht auch gelten?
Letzter Punkt. Kaum einer bestreitet noch, dass insbesondere dem Mittelstand mit den Kostenregelungen der eidgenössischen Zivilprozessordnung der Rechtsweg in vielen Fällen verwehrt bleibt, weil das wirtschaftliche Prozessrisiko untragbar geworden ist. Alle wissen das, trotzdem bleiben Korrekturmassnahmen aus. Eine Rechtsvertretung auf Erfolgsbasis könnte gerade hier einen sinnvollen Ausgleich schaffen – wenigstens in einigen Fällen.