So führt man Befragungen und Einvernahmen durch – Neues Ausbildungsinstitut will Qualität von Untersuchungen verbessern

Untersuchungen werden längst nicht nur in Straffällen und durch Staatsanwaltschaften geführt: Anwaltskanzleien, aber auch Compliance-Abteilungen von Unternehmen und sogenannte «Forensic Firms» führen ständig welche durch. Zentrales Element dabei sind Befragungen. Aber ausgerechnet da hapert es häufig – nicht zuletzt, weil in dem Bereich kaum Ausbildung stattfindet. Ein ehemaliger Ermittler will das jetzt ändern und gründet mit «The Business Criminalist» ein neues Ausbildungsinstitut.

Stefan Schrepfer ist ausgebildeter Jurist, hält einen Master in Strafrecht und Kriminologie, hat achtzehn Jahre Berufserfahrung bei der Kantonspolizei gesammelt, wovon vier Jahre polizeilicher Verhandlungsführer in Sonderlagen. Zuletzt hat er als Manager Forensic für KPMG nationale und internationale Untersuchungen geführt.

Immer wieder sei ihm dabei aufgefallen, dass kaum je umfassendes Know-How über Befragungsmethoden vorhanden war: «Da sind zum einen diejenigen, die sich theoretisch mit dieser Materie befassen, aber noch nie ein Interview geführt haben. Und fast häufiger aber noch die, die einfach ins kalte Wasser geworfen wurden und es so lernten.» Egal, ob als Staatsanwälte, Privatanwälte oder Compliance beziehungsweise Forensic-Spezialisten, die In-House Untersuchungen führen. «Wenn sie Glück hatten, haben sie es bei einem erfahrenen Kollegen, der es kann, abschauen können.»

Nur: Nicht alle können es. Wer, wie wir das bei INSIDE JUSTIZ tun, regelmässig Einvernahmeprotokolle liest, dem stehen öfters die Haare zu Berge: Da findet man verpönte Suggestivfragen, da werden Amtspersonen nicht darauf hingewiesen, dass sie in einer Strafuntersuchung ohne Entbindung vom Amtsgeheimnis keine Aussagen machen dürfen und dergleichen mehr. 

 Aus- und Weiterbildungsbedarf gegeben

Schrepfer sieht darin seine Chance: «Es erscheint mir an der Zeit, ein Angebot auf den Markt zu bringen, das systematisch Theorie und Praxis der Befragungstechniken zusammenbringt und strukturiert vermittelt.» – Und das allen Interessierten zugänglich ist. «Aktuell gibt es schon einzelne Ausbildungsangebote, beispielsweise organisiert vom Schweizerischen Polizeiinstitut. Aber da haben nur Angehörige eines Polizeikorps Zugang.» Andererseits gebe es vereinzelte Angebote an Fachhochschulen, diese aber wiederum sehr spezifisch, zum Beispiel bezogen auf die Befragung von Opfern bei Sexualdelikten.

Schrepfer fasst unter dem Titel «Investigative Befragung» Befragungstechniken für alle Formen von zielgerichteten Interviews zusammen, die der Informationsgewinnung zur Aufklärung von Sachverhalten dienen sollen. «Darunter fallen richterlichen Befragungen, Einvernahmen mit Beschuldigten, Auskunftspersonen oder Zeugen, aber auch Befragungen im Rahmen privat geführter Untersuchungen – bis hin zu investigativen Interviews von Medienschaffenden.

Um die Nähe zur Praxis sicherzustellen, führt Schrepfer Übungen mit Figuranten durch. Im Rahmen der Seminare werden die Befragungen aufgezeichnet und ausgewertet, um konkrete Verbesserungspotentiale zu erschliessen. Dabei ist Schrepfer bewusst, dass es mit einer Schnellbleiche nicht getan ist.

«Natürlich braucht es erst einmal die Grundlagen, aber dann spielt die Erfahrung eine grosse Rolle.» Deshalb will er auch Coachings im Sinne einer Weiterbildung oder eines «Sounding Boards» anbieten. – Ähnlich einer Supervision, wie sie in vielen anderen Branchen längst etabliert ist. «Mein Anspruch ist: Lerne von den Besten.» 

Stefan Schrepfer ist «The Business Criminalist»: www.business-criminalist.ch

 

Blick über den Tellerrand

Im Rahmen seiner Tätigkeit hat sich Schrepfer auch im Ausland umgeschaut. «In Deutschland läuft schon die gesamte polizeiliche Ausbildung anders – dort gehen angehende Polizisten auf die Fachhochschule, aber auch auf der universitären Ebene setzt man sich mit der Dogmatik der Befragungstechniken viel tiefgehender auseinander.» Erkenntnisse, die Schrepfer in seine Arbeit einfliessen lässt. Wenig hält er hingegen von der Vorgehensweise der Amerikaner. «Vieles, was in den USA im Rahmen von Befragungen gemacht wird, ist bei uns undenkbar.»

Und nennt die «Pegasus»- oder «Reid»-Methoden als Beispiele. «Das sind Befragungsmethoden, die auf den amerikanischen Geheimdienst zurückgehen. Bei der Reid-Methode dürfen beispielsweise Lügen als Ermittlungsmethode angewendet werden – etwa, indem einer Person gegenüber behauptet wird, man habe belastende Beweise gegen sie gesichert, auch wenn das gar nicht den Tatsachen entspricht.

Vorgehensweisen, welche die Schweizerische Strafprozessordnung nicht zulässt. «Die Grenze hier liegt bei der kriminalistischen List: diese darf angewendet werden. Ich kann beispielsweise einen Beschuldigten darin bestärken, wenn er glaubt, eine andere Person habe gegen ihn ausgesagt», erklärt Schrepfer. «Lügen sind aber ausgeschlossen.»

 

Verwertbarkeit von Aussagen in privaten Untersuchungen

Schrepfer empfiehlt, sich auch bei privaten Ermittlungen an die Grundsätze des Strafprozessrechts zu halten. Zum einen schon deshalb, weil beispielsweise bei Untersuchungen eines Arbeitgebers die Fürsorgepflicht aus dem Obligationenrecht zu wahren sei. «Unlautere Methoden wie die geschilderte Reid-Technik wären ein Verstoss gegen die Fürsorgepflicht aus dem Obligationenrecht.»

Zum anderen gilt es aber auch, die Verwertbarkeit von Aussagen bei einem allfälligen späteren Gerichtsprozess sicherzustellen. «Das Bundesgericht hat bislang keine umfassende Ansage gemacht zur Verwertbarkeit von Befragungen aus privaten Untersuchungen, die auf der Basis des Arbeitsrechts gemacht wurden. Es hat sich aber durchaus dazu geäussert, wie der Wert von Aussagen für ein Gerichtsverfahren gesteigert werden kann, die in einem solchen Rahmen erhoben werden. – Dazu gehören beispielsweise gewisse Regeln bei der Protokollierung, die wir uns in meinen Seminaren natürlich genau anschauen.»

 

2 thoughts on “So führt man Befragungen und Einvernahmen durch – Neues Ausbildungsinstitut will Qualität von Untersuchungen verbessern

  1. Gemäss Art. 158 StPO hat die beschuldigte Person im Rahmen einer Strafuntersuchung, also bei Befragungen und Beweiserhebungen durch die Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht, das Recht, die Aussage und Mitwirkung zu verweigern. Es gilt das sog. Selbstbelastungsverbot (Nemo-tenetur-Prinzip). Im Gegensatz dazu, trifft einen Arbeitnehmer bei einer internen Untersuchung bzw. investigativen Befragung eine sog. Mitwirkungspflicht. Er hat gestützt auf die Treuepflicht nach Art. 321a OR an einer internen Untersuchung teilzunehmen und die Fragen des Arbeitgebers wahrheitsgetreu zu beantworten.

    Herrschende Lehre und Praxis sind sich Stand heute uneinig darüber, ob der Arbeitnehmer in Selbstbelastungssituationen, insb. wenn der Arbeitgeber seine Aussagen in einem nachfolgenden Straf- oder Zivilverfahren verwenden will, eine unbeschränkte Pflicht zur Auskunft oder das Recht hat, gegenüber seinem Arbeitgeber die Auskunft zu verweigern. Es bestehen keine klare höchstrichterlichen Entscheide. Es ist eine Abwägung zwischen den Interessen des Arbeitgebers und -nehmers vorzunehmen.

    Gegenwärtig wird diesem Problem dadurch Rechnung getragen, dass eine unbeschränkte Auskunftspflicht, flankiert mit einem entsprechenden Verwertungsverbot der erhobenen Beweise in einem nachfolgenden Strafverfahren, praktiziert wird.

    Ob eine Person, sei es in einem Strafverfahren oder einer internen Untersuchung, seine Aussagen verweigern will, ist und bleibt eine prozesstaktische Entscheidung.

  2. Interessanter Artikel, aber eigentlich ist es ganz einfach.
    Jede Person, die in eine Befragungssituation gerät, sollte einfach konsequent von ihrem Schweigerecht Gebrauch machen.
    Wer dagegen gegenüber einem polizeilichen Sachbearbeiter, Staatsanwalt oder dem Gericht den Mund aufmacht, hat bereits verloren.
    Den staatlichen Repressionsorganen geht vielfach nicht um die Wahrheit, sondern einzig darum Täter zu produzieren.
    Dafür sollte man als Betroffener nicht auch noch Hand bieten und (gefällige) Aussagen machen.
    Die Wahrnehmung des Schweigerechts bleibt unangefochten das beste Verteidigungsmittel und den Rest hat zieht man einen versierten Anwalt bei, der mittels Plädoyer die wichtigen Punkte vorträgt.

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