Der Ständerat hat heute eine Motion der Basler SP-Vertreterin Eva Herzog überwiesen. Sie will, dass der Bund eine Statistik führe über die Unterhaltsentscheidungen der Gerichte und weiteren Vereinbarungen, welche bei Scheidungsurteilen gefällt werden. Dabei nennt sie namentlich Sorgerecht. Obhut, Besuchsrecht, Vorsorgeausgleich, Güterrecht sowie „Annahmen bezüglich Erwerbseinkommen und Ausgaben“.
Offensichtlich wurde Herzog durch die jüngere Bundesgerichtspraxis aufgeschreckt, die Schluss machte mit der Ehe als finanzielle Lebensversicherung insbesondere für Frauen, weil diese davon ausgehen konnten, dass sie im Falle einer Scheidung lebenslang von ihrem Ex-Gatten finanziell unterstützt werden müssen. Die Urteile waren weitherum begrüsst worden als Anpassung an die realen Verhältnisse und Abkehr von einem Versorgungsregime, das sowohl den Grundsätzen der Gleichstellung wie auch der finanziellen Selbstverantwortung widersprachen.
In der mündlichen Begründung hielt Herzog unter anderem fest: „Bis 2008 wurden im Rahmen der Scheidungsstatistik des Bundesamtes für Statistik von den Gerichten für jedes Scheidungsurteil grundlegende Informationen zu Unterhaltsentscheiden erhoben. Um die Gerichte zu entlasten, werden dem Bundesamt für Statistik die Daten zu den Scheidungen seither aus dem informatisierten Zivilstandsregister Infostar übermittelt. Dort fehlen aber Informationen zu Unterhaltsentscheidungen und weiteren Vereinbarungen im Fall von Scheidungen.“ Mit ihrer Motion wolle sie diese Lück schliessen und eine Datengrundlage zu Unterhaltsentscheiden im Familienrecht schaffen. Diese Daten sollen dann für Forschungszwecke mit weiteren Datenquellen verknüpft werden können.
Namens des Bundesrates trat Justizministerin Karin Keller-Sutter gegen die Motion an. Der Bundesrat stelle sich nicht grundsätzlich gegen das Ansinnen, erläuterte Keller-Sutter, es gehe ihm lediglich um das Vorgehen. Der Bundesrat wolle erst die finanziellen und personellen Aufwände abzuschätzen. „Die Schaffung einer Datengrundlage zu den Entscheiden im Familienrecht ist wünschenswert“, argumentierte Keller-Sutter. „Die Schaffung einer solchen Datengrundlage ist jedoch mit einem grossen Aufwand für den Bund und die Kantone verbunden, den wir im Moment schlichtweg nicht abschätzen können.“ Deshalb lehne der Bundesrat die Motion ab und wolle zunächst eine Machbarkeitsstudie durchführen.
Der Rat folgte Herzog und überwies die Motion mit 23 gegen 15 Stimmen.
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Dass im Schweizer Familienrecht wichtige Daten fehlen, ist eine Tatsache. Dabei sind es allerdings weniger die Zahlen zu Unterhaltszahlungen, die als Grundlage für die Ausgestaltung der Politik wichtig wären, als beispielsweise solche, die zeigen, ob die Schweizer Behörden und Gerichte die politischen Postulate auch tatsächlich umsetzen. Gerade im Bereich der Obhut liegt der Verdacht nahe, dass sie es nicht oder nur ungenügend tun. Entsprechend häufig hat das Bundesgericht zuletzt korrigierend eingreifen müssen – allerdings ohne dass sich die vorgelagerten Behörden ernsthaft mit der geänderten Praxis auseinandergesetzt hätten. Deshalb ist der Entscheid des Ständerates, zu diesen Themen systematisch zu erfassen, über die politischen Anliegen der Linken hinaus begrüssenswert. Dass der Rat zudem nicht erst eine Machbarkeitsstudie beauftragen wollte, was beim Tempo der Bundesverwaltung wohl zu einer Verzögerung von mehreren Jahren geführt hätte, zeigt auf, dass das Thema unterdessen wohl auch bei den Vertreterinnen und Vertreter der Mitte angekommen ist.