Im Jahr 2023 standen 141 Beschwerdefälle vor Bundesgericht (Irrtum und Auslassung vorbehalten). Inside-Justiz hat etwas genauer hingeschaut und Erstaunliches festgestellt. Ein Kommentar zur Frustrationstoleranz.
Das Bundesgericht hat im Geschäftsjahr 2023 141 Urteile zur Steuerbeschwerden erlassen. Davon waren 14 „Gutheissungen“, 75 „Nichteintreten“ und 52 „Abweisungen“.
Beschwerdeführer in den Verfahren waren in 7 Fällen Steuerbehörden (Kant. Steuerverwaltungen oder ESTV) und in 134 Fällen Steuerpflichtige Personen.
Gutheissung der Beschwerde
Die Erfolgsquote vor Bundesgericht ist über alle Beschwerden betrachtet mit 10 Prozent sehr gering.Interessant ist der Blick auf die Erfolgsquote in Bezug auf die beschwerdeführende Personen: Die Erfolgsquote steigt signifikant an, wenn der Staat Beschwerdeführer ist.
- Von den sieben Beschwerden von Steuerbehörden wurden fünf Beschwerden gutgeheissen, was einer sensationellen Erfolgsquote von 71.50% entspricht.
- Nur gerade in 28.5% oder in zwei Fällen wurden die Beschwerden der Steuerbehörden abgewiesen.
- Gerade umgekehrt sieht es aus, wenn man den Beschwerdeerfolg aus der Optik der Steuerpflichtigen betrachtet.
Von den insgesamt 134 Fällen wurden insgesamt nur 9 Beschwerden teilweise oder ganz gutgeheissen. Dies entspricht einem prozentualen Wert von 6.72%.
In 50 Beschwerden (37.31%) ist das Bundesgericht zwar materiell eingetreten, hat aber die Beschwerden schliesslich doch vollständig abgewiesen.
Die Aussagekraft einer solchen Auswertung ist natürlich zurückhaltend zu würdigen. Der geringe Erfolg bei Beschwerden von Steuerpflichtigen hängt auch mit der hohen Zahl von Nichteintreten (z.B. Nichtleistung des Kostenvorschusses, unzureichende Begründung oder Beschwerdeschrift) zusammen. Dazu gehört auch ein nicht geringer Anteil querulatorischer Beschwerdeführungen.
So wurden im Jahr 2023 von den 134 Beschwerdefälle nicht weniger als 75 Beschwerden mit Nichteintreten erledigt, was rund 55.97% aller Fälle ausmacht.
Das Bundesgericht ist keine Berufungsinstanz, was viele Rechtssuchende übersehen. Viele Beschwerdeschriften genügen den Anforderungen an die Begründung nicht oder nur teilweise. Vielfach ist dann in den Urteilen von appellatorischer Kritik zu lesen, worauf das Bundesgericht generell nicht eintritt. An den strengen Vorschriften nach Art. 42 BGG scheitern sodann vor allem Laien, aber erstaunlicherweise immer wieder auch anwaltlich vertretene Personen.
Über alles betrachtet bleibt jedoch der Eindruck hängen, dass die Steuerbehörde als Beschwerdeführer vor Bundesgericht auf ein auffallend höheres Wohlwollen trifft als die rechtsuchenden Steuerpflichtigen.
Die 75 materiellen Abweisungen der in vielen Fällen anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer lässt zudem vermuten, dass das Bundesgericht jedweden Steuervermeidungspraktiken rigoros gegenübertritt. Die teilweise barsche Urteilsformulierung durch das Bundesgericht lässt hierzu bestimmte Rückschlüsse zweifelsohne zu.
Fraglich ist allerdings, ob in jedem einzelnen Fall der 75 Beschwerden die Begründung tatsächlich derart unzulässig oder gar schwach war. Es lässt sich vielfach beobachten, dass das Bundesgericht sich nicht gerne mit unliebsamen Beschwerden und Rügen herumschlägt und diese häufig als unsubstantiiert, als unzulässige Kritik oder als appellatorische Beschwerdeführung abweist.Die Steuerpflichtigen haben im Kampf um ihren Anspruch auf faire Verfahrensführung und Schutz ihrer Rechtsinteressen einen schweren Stand. Wie heisst es doch so schön, wer sich im Steuerrecht bewegt, benötigt eine hohe Frustrationstoleranz.