«Wir haben neue Beweismittel» – Mord von Interlaken geht vor dem Berner Obergericht in die zweite Runde

Vor dem Berner Obergericht wird heute der Mord am früheren «Des Alpes»-Wirt aus Interlaken verhandelt. Der Prozess war mit grosser Spannung erwartet worden, nachdem in erster Instanz die damalige Ehefrau und 27 Jahre jüngere Profiboxerin Viviane Obenauf für die Tat verantwortlich gemacht worden war.

Obenauf war am 9. Dezember 2022 vom Regionalgericht Oberland zu 16 Jahren Haft und 12 Jahren Landesverweis verurteilt worden – die Beschuldigte ist Brasilianerin. Gemäss dem Gericht hatte sie ihren Ehemann Marco T. am 19. Oktober 2020 in seiner Wohnung erschlagen.

Die beschuldigte Ehefrau hatte die Tat während dem gesamten Verfahren geleugnet und wurde aufgrund einer Indizienkette verurteilt. Auch nach dem Prozess hielt sie an ihrer Unschuld fest und äusserte sich offensiv in Medieninterviews, beispielsweise auf BLICK.CH. Darin beklagte sie eine einseitige Verfahrensführung, die nur darauf ausgelegt gewesen sei, ihr den Mord anzuhängen. Obenauf sass vor dem ersten Prozess 25 Monate in Einzelhaft und wurde gemäss ihren Angaben von den Untersuchungsbehörden immer wieder dazu genötigt, ein Geständnis abzulegen. 

Neuer Anwalt kündigt neue Beweise an

Obenauf wird im Berufungsprozess von Rechtsanwalt Simon Bloch vertreten, der in den Medien ankündigte, für den Berufungsprozess neue Beweise vorzulegen. Offenbar sollen die entsprechenden Beweisanträge vom Obergericht zumindest teilweise bewilligt worden sein, so der Anwalt in der Presse. Worum es sich bei den Beweisen handelt, wollte er vor dem Prozess allerdings noch nicht verraten.

Indizien einseitig gewürdigt?

Vor der ersten Instanz hatten verschiedene Indizien schliesslich zu einer Verurteilung geführt. Zum einen war die Türe zur Tatwohnung nicht aufgebrochen worden – und nebst dem Opfer hatte nur Obenauf einen Schlüssel. Allerdings stand die Balkontüre offen. Das Opfer war mit einem Baseballschläger getötet worden, der sich in der Wohnung des Wirts befand, aber der Beschuldigten gehörte.

19 Mal soll mit dem Tatwerkzeug gegen den Kopf des Mannes geschlagen worden sein – ein Fall einer Übertötung also, bei der mehr Gewalt angewendet worden war, als für den Tod des Opfer nötig. Das Regionalgericht folgerte daraus, dass bei der Tat starke Emotionen im Spiel gewesen sein mussten. Zudem fand man den Ehering direkt neben dem Opfer – eine Tatsache, wofür die Beschuldigte auch beim zweiten Prozess keine Erklärung hatte – ausser die, dass man ihr bewusst etwas anhängen wolle.

Auf Obenaufs Kleidung wie auf ihren Schuhen fand die Polizei zudem Blutspuren des Opfers. – Nicht allerdings in ihrem Auto. Gemäss Tathergang soll Obenauf nämlich nach der Tat mit ihrem roten Chevrolet Camaro zu ihr nach Hause ins 13 Autominuten entfernte Oberried am Brienzersee gefahren sein. – Ein Automechaniker hatte im ersten Prozess ausgesagt, das Auto am Tatabend in Interlaken gesehen und gehört zu haben. – Das Auto sei ihm aufgefallen, weil es in der ganzen Region der einzige rote Camaro sei, und weil das Fahrzeug aufgrund eines Defekts speziell getönt habe. Zudem hätte er es selbst schon repariert. 

Die Beschuldigte wirft dazu beim Berufungsprozess die Frage auf, warum der Automechaniker der Einzige gewesen sei, dem das Auto aufgefallen war, wenn es doch angeblich so speziell war und aufgrund eines Defekts seltsame Geräusche machte.

Alibi: Liebesfilm auf dem Handy geschaut

Obenauf gab bereits während der Untersuchung an, zum Tatzeitpunkt zuhause auf dem Handy einen Liebesfilm geschaut zu haben. Tatsächlich war das Handy während dem gesamten Abend am Wohnort der Beschuldigten eingeloggt, es wurden keine weiteren Manipulationen festgestellt – und am Ende des Films lief auch der Abspann durch. Die Staatsanwaltschaft folgerte daraus, dass es sich dabei um ein Ablenkungsmanöver gehandelt habe – das erstinstanzliche Gericht folgt dieser Einschätzung und stützte sich dabei auch auf die Tatsache, dass sich Obenauf offenbar bei der Befragung nicht mehr an den Film erinnern konnte. Bei der Berufungsverhandlung führt sie dazu aus, es seien ihr lediglich zwei Fragen zu Details gestellt worden, die sie nicht habe beantworten können. Sie wisse sehr wohl noch, worum es in dem Film gegangen sei.

Haben Polizisten falsche Beweismittel gelegt?

Ein weiteres Thema im Berufungsprozess ist eine Trainerjackes des Opfers, in in seinem Abfall-Container gefunden worden war. An der Jacke wurden Blutspuren des Opfers sowie DNA der Beschuldigten festgestellt. Vom Richter dazu befragt, gibt Obenauf an, das Beweismittel sei von Polizisten dort abgelegt worden. Und auf Nachfrage des Richters, warum die Polizisten dies hätten tun sollen: «Weil die Polizei sehr unter Druck stand, den Fall zu lösen.» Obenauf ist sich sicher, dass man ihr den Mord anhängen wolle und erzählt weiter, eine Woche vor ihrer Verhaftung sei ein Polizei bei ihr aufgetaucht und hätte ihr das blutverschmierte Portemonnaie und eine blutverschmierte Uhr des Getöteten überbracht. Eine Woche später sei dann ihre Wohnung nach Beweismitteln durchsucht worden. 

Anschliessend präsentiert ihr Verteidiger ein Paar Schuhe, die identisch mit denjenigen Schuhen sein sollen, die Obenauf in der Tatnacht getragen habe. Der Test zeigt: Die Schuhe sind Obenauf zu gross.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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