Freie Bahn für Strafverfahren gegen Gerichtspräsident

Die zuständige Kommission des Bündner Grossen Rates hebt die Immunität des Bündner Gerichtspräsidenten Norbert Brunner auf. Das berichtet heute die NZZ AM SONNTAG. Dem Gerichtspräsidenten wird vorgeworfen, in einer Erbschaftssache nachträglich das Urteil ohne Einverständnis der restlichen beteiligten Richter abgeändert zu haben.

Der Fall war in den Medien schon verschiedentlich breitgeschlagen worden und auch Inside-Justiz hatte im Februar bereits berichtet. Am Bündner Kantonsgericht herrscht dicke Luft: Richter Peter Schnyder wirft dem Gerichtspräsidenten Norbert Brunner vor, erhabe ein Urteil nachträglich, will heissen: nach der Urteilsfindung durch das Richterkollegium, ohne Rücksprache abgeändert. Aus diesem Grund hat Schnyder Strafanzeige gegen Brunner eingereicht – ebenso wie der Anwalt einer der von dem Urteil betroffenen Parteien.

An wen soll das Geld ausbezahlt werden?

In der Sache ging es um einen Erbschaftsstreit. Das Gericht entschied zunächst für den Kläger und anerkannte, dass ihm aus dem Erbe seines Vater rund eine halbe Mio CHF zustehen solle. Bei der Redaktion des Urteils stellte Gerichtspräsident Brunner fest, dass sich in den Akten auch ein Vertrag fand, in dem der obsiegende Kläger mit seinem früheren (und unterdessen verstorbenen) Anwalt vereinbart hatte, alle Beträge, die ihm aus dem Erbschaftsverfahren zufallen sollten, seien an seinen Rechtsanwalt zu überweisen. Also redigierte Gerichtspräsident Brunner das Urteil dahingehend, dass nicht mehr der Kläger, sondern eben dessen Anwalt als Zahlstelle erschien.

Schweizweiter Medienrummel

In der Folge behaupteten Medien wie SRF oder die Republik (und zum Teil tatsachenwidrig, zum Teil unter Ausblendung wichtiger Sachverhaltselemente), Gerichtspräsident Brunner habe Akten erst nach dem Urteilsspruch ins Verfahren eingebracht, der Kläger behauptete via Medien, er hätte den Vertrag, auf den sich Brunner bezog, gar nie eingebracht (es war sein früherer Anwalt, wobei das laut Zivilprozessordnung keinen Unterschied macht). Und Experten befanden in den Medien, die Änderungen durch Brunner seien weit über die redaktionelle Bereinigung eines Urteils hinausgegangen, wie es dem Gerichtspräsidenten allenfalls erlaubt gewesen wäre.

Parallel dazu veranlasste der Fall das Gericht, die Amtsenthebung des Whistleblower-Richters Peter Schnyder zu beantragen.

Staatsanwaltschaft will externen Untersucher

Mit der Aufhebung der Immunität durch die Kommission für Justiz und Sicherheit des Bündner Parlaments ist jetzt der Weg frei, um die Strafuntersuchungen an die Hand zu nehmen. Gemäss NZZ AM SONNTAG soll die Bündner Staatsanwaltschaft prüfen, das Verfahren einem externen ausserordentlichen Staatsanwalt zu übertragen, „um keinen Anschein von Befangenheit entstehen zu lassen“. Das täte in der Situation effektiv Not.

Gerichtspräsident Brunner hat indes die Möglichkeit, gegen den Entscheid der Kommission beim Bundesgericht Beschwerde zu führen. Gegenüber der NZZ AM SONNTAG habe Brunner ausrichten lassen, er kläre zurzeit ab, ob er die Ermächtigung anfechten oder ob er sich auf die Verteidigung im Stafverfahren beschränken werde.