Süddeutsche Zeitung sieht im FIFA-Verfahren eine „Schweizer Justizposse“

Die Peinlichkeiten rund um die Strafverfahren gegen verschiedene Fussball-Funktionäre im Zusammenhang mit der Vergabe der Fussball-WM 2016 nach Deutschland schlagen neue Wellen. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG wittert politisches Kalkül hinter der stümperhaften Verfahrensabwicklung.

Anlass für die jüngste Geschichte in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG ist die Rückweisung der Anklageschrift in der Sache an die Bundesanwaltschaft. Fünf Monate hatte sich das Bundesstrafgericht in Bellizona Zeit gelassen, um die Rechtsschrift zu prüfen, um dann, Mitte Januar, zum Schluss zu kommen, den Ball an die Bundesanwaltschaft zurückzuspielen. Nebst dem Straftatbestand des Betrugs solle auch derjenige der ungetreuen Geschäftsbesorgung geprüft und angeklagt werden, fanden die Strafrichter im Tessin. Die Frist für die Nachbesserung: 1 Woche.

Die SÜDDEUTSCHE hat dazu den Schweizer Strafrechtsexperten und Professor Mark Pieth befragt, der deutliche Worte findet und das Vorgehen des Bundesstrafgericht als „hochsuspekt“ taxiert: „Ich halte das für Schlamperei.“ Die betrifft allerdings nicht nur das Bundesstrafgericht. Die hochnotpeinlichen Ermittlungspannen der Bundesanwaltschaft hatten 2019 beinahe zur Abwahl von Bundesanwalt Michael „ich habe keine Erinnerung“ Lauber geführt. Wie die SÜDDEUTSCHE jetzt berichtet, hat die Bundesanwaltschaft zudem auf die Schlusseinvernahmen verzichtet. Art 317 StPO sieht eine solche „in umfangreichen und komplizierten Vorverfahren“ vor. In solchen „befragt die Staatsanwaltschaft die beschuldigte Person vor Abschluss der Untersuchung nochmals in einer Schlusseinvernahme und fordert sie auf, zu den Ergebnissen Stellung zu nehmen.“ Gelingt es den Anwälten, aufgrund des Verfahrensfehlers den Prozess in Bellinzona zu verzögern, dürfte der Fall wohl in die Verjährung entgleiten.

Die SÜDDEUTSCHE stellt in den Raum, ob politisches Kalkül dahinter stecke. „Ist die Strafjustiz in der Schweiz, wo die Politik zur Jahrtausendwende gezielt internationale Fachverbände ins Land gelockt hatte, eine Art institutionalisierte Schreddermaschine für schmutzige Geschäfte im Weltsport?“ Indizien sieht die SÜDDEUTSCHE darin, dass sich die Schweizer Behörden nie wirklich engagiert um eine Einvernahme der Schlüsselperson, Mohammed Bin Hammam, bemüht hätten. Die Bundesanwaltschaft habe zwar mitgeteilt, man habe sich vergeblich um Rechtshilfe aus Katar bemüht. Für die Journalisten aus München ist das allerdings wenig glaubhaft:  „Sass nicht just der Bundesanwalt Lauber persönlich öfter mit Infantino zusammen? Hätte er nicht über den Fifa-Boss, der die WM 2022 ja in Katar feiert, Druck auf das Emirat ausüben können?“

Für die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG ist deshalb ziemlich klar: Die Schweizer Justiz werde die Affäre wohl eher zu Grabe tragen, als juristisch abschliessen können.