Übung abgebrochen – Suche für Bundesanwaltschaft zurück auf Feld 1

Die Gerichtskommission der eidgenössischen Räte hat das Nominierungsverfahren für die Bundesanwaltschaft abgebrochen. Die Stelle soll noch einmal neu ausgeschrieben werden. Das schreibt die Kommission heute in einer Medienmitteilung.

 

Die Meldung vom Übungsabbruch kommt nicht ganz unerwartet. HEUTE MORGEN von SCHWEIZER RADIO SRF hatte bereits am 13. November davon berichtet, dass nach der ersten Anhörung der Kandidaten ein Antrag gestellt worden war, die Stelle noch einmal neu auszuschreiben, weil offenbar viele Kommissionsmitglieder die verbliebenen Kandidaten für unzureichend erachtet hatten. Der Antrag war damals – so die Berichterstattung im Radio – nur knapp mit einer Stimme Unterschied gescheitert.

Die Kommission schreibt heute, sie suche für dieses Amt «eine Person mit langjähriger Erfahrung in einem vergleichbaren Amt und umfassenden Führungskompetenzen, die geeignet ist, Ruhe in eine Behörde zu bringen, um die es in den letzten Jahren viel Wirbel gab». Keiner der beiden verbliebenen Kandidaten würde «sämtliche persönlichen und beruflichen Fähigkeiten» mitbringen, die es heute für ein derart exponiertes Amt brauche. Die Kommission hat deshalb beschlossen, die Stelle im Hinblick auf die Frühjahrssession erneut auszuschreiben.

 

Alterslimite erhöhen

Zudem hat die Kommission gemäss eigenen Aussagen beschlossen, die Kommissionen für Rechtsfragen einzuladen, die Rechtsgrundlagen dahingehend zu ändern, dass die Alterslimite für die Stelle der Bundesanwältin bzw. des Bundesanwalts auf 68 Jahre angehoben wird. Mit anderen Worten: Die Gerichtskommission möchte insbesondere Persönlichkeiten, die sich bereits dem Ende ihrer beruflichen Laufbahn nähern, die Möglichkeit geben, dieses Amt zu übertragen. Ob die Kommission mit diesem Anliegen bereits konkrete Kandidat/innen vor Augen hat, ist nicht bekannt.

 

Nur sechs Kandidaten überhaupt

Gemäss früheren Medienberichten hatten sich für die Stelle bei der ersten Ausschreibung nur sechs Personen überhaupt gemeldet. Mit Medienmitteilung vom 28. Oktober 2020 hatte die Gerichtskommission mitgeteilt, dass sie drei Personen anhören möchte. Die Anhörungen waren damals auf den 11. November angesetzt worden. Bereits früher hatte die Gerichtskommission beschlossen, dass sie ein zweistufiges Verfahren „mit zusätzlicher Vertiefung“ durchzuführen gedenke. Nach den ersten Anhörungen vom 11. November präzisierte die Kommission, sie wolle die danach noch verbleibenden zwei Kandidaten einem Assessment unterziehen.

 

Medienleaks machten Namen bekannt

Bereits vor dem Termin war duchgesickert, um wen es sich bei den Kandidaten handelte. Als erster wurde die Kandidatur des Genfer Generalstaatsanwalts Olivier Jornot bekannt. Kurz nachdem er seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über den Schritt informiert hatte, wurde er bereits von welschen Medien um eine Bestätigung der Kandidatur angefragt. Recherchen über Jornot zeigten indes rasch, dass er in Genf nicht nur aus Gründen seiner Amtsführung umstritten war. Frühere Berichte warfen auch Fragen zu seiner charakterlichen Eignung auf: So wurde an Berichte über eine angebliche Autofahrt nach reichlich Alkoholkonsum im Jahr 2016 berichtet, auch gegenüber Frauen innerhalb der Genfer Staatsanwaltschaft soll sich Jornot zum Teil distanzlos verhalten haben. Das ging soweit, dass die Aufsichtsbehörden Abklärungen durchführten.

In Bezug auf seine Arbeit als Generalstaatsanwalt wurde Jornot unterstellt, er messe nicht mit gleichen Ellen. Während er Kleinkriminelle und Ausländer teilweise für vergleichsweise harmlose Delikte massiv bestrafe, drücke er bei Persönlichkeiten aus der Genfer Gesellschaft auch gerne mal ein Auge zu.

 

Freiburger Andreas Müller als Gegenspieler

Den zweiten Kandidaten enthüllten die Medien der TX-Gruppe Ende November. Es handelte sich dabei um Andreas Müller, der heute schon in Diensten der Bundesanwaltschaft steht und dort im Rechtsdienst arbeitet. Tinner kam vor Jahren in Justizkreisen zu Bekanntheit, als er den „Fall Tinner“ vor Gericht brachte. Die Familie Tinner wurde des illegalen Atomschmuggels bezichtigt, offenbar gab es Verbindungen zur CIA. Als Müller diese aufarbeiten wollte, erhielt er allerdings ein „Niet“ des Bundesrates und des damaligen Justizministers Christoph Blocher, der in einer fragwürdigen Aktion auch viele Akten schreddern liess – mutmasslich auf Geheiss der CIA. Müller setzte sich dagegen zur Wehr und soll dem Vernehmen nach versucht haben, mit einem Trupp bewaffneter Kantonspolizisten der Kapo Bern beim FEDPOL die verbleibenden Akten zu editieren. Später hatte Müller gemäss dem TAGES-ANZEIGER einen Fall von Industriespionage bei der Ems-Chemie untersucht. Für die Untersuchungsführung erntete er heftige Kritik von EMS-CEO und (unterdessen) Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher.

 

„Toxisches Amt“

Bemerkenswert an dem Auswahlverfahren ist insbesondere auch die Tatsache, dass viele Parabili, wenn sie von den Medien angefragt wurden, offenbar keinerlei Interesse an einer Veränderung hatten. Das dürfte mit der jüngeren Geschichte der Bundesanwälte zu tun haben. Alle drei letzten Amtsinhaber sind durch Skandale gestürzt worden, die zwar sehr wohl  immer durch das unprofessionelle und bisweilen rechtswidrige Verhalten der Amtsinhaber ausgelöst worden waren. Gleichwohl gilt das Amt heute für viele Juristen als „toxisch“ und die Konstellation als „Setup to fail“, das sich niemand antun möchte. Etliche Beobachter sind deshalb skeptisch, ob sich in einem zweiten Durchgang bessere Kandidat/innen finden lassen. – Falls überhaupt, dürfte dies wohl nur geschehen, wenn geeignete Personen aktiv angegangen und zu einer Kandidatur ermuntert werden. Allerdings dürften die verschiedenen Indiskretionen durch Mitglieder der Gerichtskommission im Rahmen der ersten Evaluationsrunde weitere denkbare Kandidat/innen eher abgeschreckt haben – die Parlamentarier/innen haben der Sache mit ihren Amtsgeheimnisverletzungen einen Bärendienst erwiesen.

 

 

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