Wieder Lämpen um Donzallaz

Bundesrichter Yves Donzallaz will im Dezember Bundesgerichtspräsident werden. Als Parteiloser. Im Oktober war der Unterwalliser aus der SVP ausgetreten, nachdem ihn diese schon 2020 absetzen wollte. Jetzt kommt aber auch Druck von innen. Der SONNTAGSBLICK berichtet heute, Donzallaz sei bei der bundesgerichtsinternen Nomination nur mit 20 Stimmen durchgedrungen – 15 Bundesrichterinnen und -richter hätten explizit gegen ihn votiert.

Das Bundesgericht hat diese Abstimmung zwar offiziell kommuniziert, allerdings nur im Ergebnis: die Information über das konkrete Stimmenverhältnis wurde ganz offensichtlich an den SONNTAGSBLICK durchgestossen – und dafür kommt eigentlich nur ein anderes Mitglied des Bundesgerichts in Frage. Was zeigt, dass auch am höchsten der eidgenössischen Gerichte – wie auch an den anderen – eine Kultur der Intrigen und der gegenseitigen Missgunst herrscht.

Retourkutsche auf Untersuchung gegen das Bundesstrafgericht?

Der SONNTAGSBLICK stellt das Misstrauen gegenüber Donzallaz einerseits in den Zusammenhang mit der Untersuchung der Verwaltungskommission zur Situation am Bundesstrafgericht. Die Verwaltungskommission des Bundesgerichts, damals in der Zusammensetzung Ueli Meier (SP), Martha Niquille (Mitte) und Yves Donzallaz (SVP) hatte 2019 in überraschender Deutlichkeit einzelne Bundesstrafrichterinnen und -richter in den Senkel gestellt, verschiedene der in den Medien erhobenen Vorwürfe aber nicht bestätigt bzw. für nicht mehr relevant erachtet, was ihr prompt die Kritik der Geschäftsprüfungsdelegation eingetragen hatte – und eine gehässige Kompetenzrangelei zwischen GP Del und Bundesgericht auslöste, bei welcher die GP Del regelmässig amtsgeheime Informationen an die Presse durchsickern liess. Die Arbeit der eigenen Verwaltungskommission stiess nicht bei allen Bundesrichterinnen und  -richtern auf Wohlgefallen.

Neue Vorwürfe gegen Donzallaz

Der SONNTAGSBLICK erhebt allerdings auch neue Vorwürfe gegen Donzallaz. Vielen seiner Kolleginnen und Kollegen missfalle, dass Donzallaz 2021 ein Buch über das schweizerisch-europäische Medizinrecht veröffentlicht habe – im Umfang von 4418 Seiten, schreibt die Zeitung in ihrer Ausgabe vom 13. November 2022. Donzallaz wird mit dem Satz zitiert, ihm gegenüber habe niemand jemals diesen Vorwurf erhoben, was die Intrigenthese weiter anfeuert. Donzallaz wehrt sich aber auch inhaltlich gegen die Kritik. Er habe habe während fast zehn Jahren in seiner Freizeit und in den Ferien an dem Buch gearbeitet. Woran gemäss SONNTABSLICK seine Kolleginnen und Kollegen zweifeln und zwischen den Zeilen insinuieren, Donzallaz habe seine Arbeit als Bundesrichter wohl an die Gerichtsschreiberinnen und -schreiber delegiert, um mehr Zeit für sein Buch zu haben. – Der Vorwurf mag berechtigt sein oder nicht: taktisch geschickt ist es mit Sicherheit nicht, wenn der designierte Präsident des Bundesgerichts Zeit findet, um ein über 4000-seitiges Buch zu schrieben und die Lausanner Richterinnen und Richter gleichzeitig regelmässig über ihre hohe Arbeitsbelastung jammern.

Wahlchancen kaum geschmälert

Weder die Intrige am Bundesgericht noch der Vorwurf an sich dürften indes die Wahlchancen Donzallaz‘ zum neuen Bundesgerichtspräsidenten schmälern, ist Donzallaz doch bereits kampferprobt. Seine ehemalige Partei, die SVP, hatte ihn schon 2020 vergeblich absetzen wollen, nachdem der Jurist 2019 an einem Urteil mitgewirkt hatte, dass der Partei damals missfiel.

Zur Debatte stand damals ein Rechtshilfeverfahren der Franzosen, die von der UBS Unterlagen zu 4’000 Konten haben wollten im Rahmen von Steuerermittlungen. Die bürgerlichen Richter Thomas Stadelmann (Die Mitte)  und Hans Georg Seiler (SVP) sahen darin eine unerlaubte Fishing Expedition und votierten in der öffentlichen Verhandlung dagegen, Donzallaz mit der Grünen Florence Aubry Girardin und dem Grünliberalen Stephan Haag dafür, mit der Begründung, es handle sich nicht um eine Sammelanfrage, sondern 4’000 Einzelanfragen. Die SVP witterte in dem Entscheid Landesverrat – oder zumindest den Verrat an dem, was vom Bankgeheimnis noch übriggeblieben war. – Dass Donzallaz bei dem Entscheid allerdings im Sinne des Eidgenössischen Finanzdepartementes gestimmt hatte, fiel in der Berichterstattung über den Fall meistens durch.

Das juristische System reagierte  wie immer, wenn die Politik an einem Mitglied Kritik übt: Es wehrte sich erbost über die unerhörte Einmischung der Politik in die Unabhängigkeit der Justiz. Donzallaz wurde schliesslich 2020 als Bundesrichter bestätigt – mit den Stimmen aller anderen Parteien als der SVP. Diese hatte daran festgehalten, ihn nicht mehr wiederzuwählen.

Was nun Donzallaz tatsächlich oder vermeintlich vorzuwerfen ist oder auch nicht – im Parlament dürfte keine Partei der SVP den Gefallen tun, Donzallaz das Amt als höchster Richter des Staates zu verweigern.

 

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