Wo Parlamentarier auch noch gratis Ski fahren

Unsere Kollegen von der Südostschweiz haben den Skipass-Skandal aus dem Wallis nun nach Graubünden gebracht. Während die Schweizer Medien die Gratis-Skipassabgabe an Politiker im Wallis kritisieren, läuft in Graubünden eine Strafuntersuchung wegen derselben Praxis in Arosa. Ein Artikel von Gion-Mattias Durband.

Publik gemacht hat den Fall das Westschweizer Radio und Fernsehen (RTS) vergangenen Freitag, verschiedene Medientitel zogen nach: Mehrere Walliser Skigebiete bedienen Politiker der kantonalen und nationalen Ebene mit Skipässen zu Spottpreisen oder gar gratis. Gemäss RTS-Bericht schenken mehrere Skidestinationen den Exekutivmitgliedern ihrer Gemeinde eine Saisonkarte – wofür sonst bis zu 1000 Franken zu berappen wären. Walliser National- und Ständeräten wird der Snowpass Limited für 100 Franken statt 1570 Franken offeriert, der in allen Skigebieten des Kantons mit wenigen Einschränkungen freie Fahrt ermöglicht. Vorgänge, die «sehr wahrscheinlich» strafrechtlich relevant seien, wird der renommierte Korruptionsexperte Mark Pieth zitiert.

Ein Fall, der in Graubünden seinesgleichen findet. Auch in Arosa zeigten sich Bergbahnen gegenüber Gemeindevertretern sehr grosszügig: Wintersaisonkarten wurden gratis angeboten, Jahreskarten zum Bruchteil des Preises; ein 350- bis 550-Franken-Zustupf für Parlamentarier und Gemeindevorstandsmitglieder gegenüber dem Tarif, den normale Einheimische zu bezahlen haben (Ausgabe vom 29. April 2021). Im Nachgang der Berichterstattung leitete die Bündner Staatsanwaltschaft Vorermittlungen ein, diesen Herbst wurde ein Strafverfahren wegen des Vorwurfs der Vorteilsgewährung eröffnet (Ausgabe vom 4. Oktober).

Einvernahmen im Gang

Ende September zeigte sich der Verwaltungsratspräsident der Arosa Bergbahnen AG, Lorenzo Schmid, gegenüber dem «Regionaljournal Graubünden» von SRF noch überzeugt, man habe «alles korrekt gemacht». Und liess sogleich wissen, dass die Arosa Bergbahnen AG im Frühling deshalb erneut Gratisabos an die Lokalpolitiker offeriert habe.

Bei der Staatsanwaltschaft kam man offenbar nicht zum selben Schluss. Dass im August eine Strafuntersuchung eingeleitet wurde, lässt darauf schliessen, dass die Vorermittlungen «genügend Sachbestand» zutage gebracht haben, wie Franco Passini, Medienverantwortlicher der Staatsanwaltschaft Graubünden, erklärt. «Es braucht einen hinreichenden Verdacht, blosse Vermutungen oder Gerüchte reichen dazu nicht aus.»

Gegenstand der laufenden Strafuntersuchung ist der Vorwurf der Vorteilsgewährung gegen zwei Personen, wie Passini sagt. Ihre Namen sind bekannt: Nebst Lorenzo Schmid ist auch Philipp Holenstein, Geschäftsleiter der Arosa Bergbahnen, betroffen. Es seien bereits Einvernahmen und Befragungen vorgenommen worden, so Passini.

Heikel auch für Beschenkte

Rechtsanwalt Reto Ruoss, der seit 2021 dem Aroser Gemeindeparlament angehört, hatte die Praxis (gemeint: Gratis/Vergünstigte Abgabe von Abos) im vergangenen Jahr angeprangert und publik gemacht. Er zeigt sich erstaunt, dass die nationalen Medien in ihrer Berichterstattung zum Walliser Fall keinen Bezug zu Arosa hergestellt haben. Er zeigt sich als Jurist weiterhin überzeugt: «Zuwendungen an Behördenvertreter in dieser Grössenordnung liegen schlicht nicht mehr drin – ob nun im Wallis oder in Arosa.»

Er habe «mit grosser Befriedigung» zur Kenntnis genommen, dass kein Verfahren gegen die begünstigten Behördenvertreter eröffnet worden sei, sagt Ruoss. Dort verortet er denn auch keine schlechten Absichten. «Was bei solchen Geschenken noch erlaubt ist und was nicht, wissen viele Milizparlamentarier und Behördenvertreter nicht.»

Bis zu drei Jahre Haft

Ob die Begünstigten aus dem Schneider sind, steht indes noch nicht fest. Bei der laufenden Untersuchung wegen Vorteilsgewährung können die Begünstigten sanktioniert werden, wenn sie die Vergünstigungen «im Hinblick auf die Amtsführung» entgegengenommen haben, wie Staatsanwalt Passini erklärt. Sprich: Wenn die Beschenkten damit eine klare Erwartung an das eigene Handeln im Amt verbinden; das Strafmass könnte in diesem Fall für die Behördenvertreter – wie auch für Holenstein und Schmid – je nach Verfahrensausgang bis zu drei Jahre Haft oder eine entsprechende einkommensabhängige Geldstrafe betragen.

Keine Angaben macht Passini zur Frage, wie gross der Kreis der begünstigten Personen ist oder um welchen Geldwert es sich bei den Vergünstigungen insgesamt handelt. Die Aroser Gemeindepräsidentin Yvonne Altmann war für eine entsprechende Anfrage ferienhalber nicht zu erreichen.

Wie lange die Untersuchung noch andauern werde, sei schwer abzuschätzen und hänge etwa von Parteieneingaben oder Beweisanträgen ab, so Passini. Lorenzo Schmid und Philipp Holenstein verzichten unter Hinweis auf das laufende Verfahren auf eine Stellungnahme. Soweit die Südostschweiz.

Der Walliser Bote wirft in einem Artikel zudem auf, ob alles über 300 Franken Vetternwirtschaft sei? Und warum man in Arosa nur gegen die Bergbahnchefs ein Strafverfahren läuft, aber nicht gegen die Politiker. 

 

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