Die Verantwortlichen des Filehosters, einer der damals beliebtesten Filesharing-Dienste unter Raubkopierern, wurden laut diversen Medien freigesprochen, nun liegt die Begründung des Gerichts vor. Offenbar haben es sich Kläger und Staatsanwaltschaft zu einfach gemacht.
Rapidshare war eines der kommerziell erfolgreichsten Schweizer Startups: Mit täglich bis zu 42 Millionen Besuchern war die 2002 gegründete Firma mit dem späteren Hauptsitz in Baar eine der 20 beliebtesten Websites der Welt. Im Jahr 2008 soll der Besitzer gemäss «Bilanz» ein höheres Einkommen versteuert haben als der Nestlé-Chef.
Allein 2010 soll der One-Click-Filehoster mit seinen 60 Mitarbeitenden einen Umsatz von 60 Millionen Franken erzielt haben. Ihre Besitzer verdienten Millionen. Wie das veröffentliche Urteil des Strafgerichts Zug zeigt, können sie rechtlich aber dafür nicht belangt werden. Ende März 2015 stellte das Unternehmen den „aktiven Dienst“ ein, nachdem die Firma ihr Geschäftsmodell mehrfach unter Druck der Unterhaltungsindustrie anpassen musste. Diese sahen sich geschädigt, so hatte ein deutsches Gericht Rapidshare bereits 2012 dem Hoster Verpflichtungen zum Urheberschutz aufgebrummt.
Die Verantwortlichen des Zuger Filehosters mussten dann im September 2018 auch in der Schweiz vor Gericht antraben. Mehrere Fachverlage hatten auf Urheberrechtsverletzung geklagt. Rapidshare habe zu wenig unternommen, um den Austausch von Raubkopien zu vermeiden, lautete der Vorwurf. Erst im Januar 2021 wurde das Urteil veröffentlicht: Sämtliche Beteiligten wurden freigesprochen.
Nun liegt die Urteilsbegründung zur Einsicht auf. Sie könnte richtungsweisenden Charakter haben, geht es doch um nicht weniger als das Urheberrecht im Internet, Filesharing und Hosting. Heute würde zwar hauptsächlich illegal gestreamt, das Geschäftsmodell im Stil von Rapidshare sei nur noch eine Randerscheinung. Dennoch müsse man erst noch prüfen, was das Urteil für das 2020 revidierte Urheberrecht und die darin verankerte „Stay-Down-Pflicht“ bedeute, sagt Martin Steiger, Rechtsanwalt mit Spezialgebiet Recht im Online-Portal inside-it.ch im digitalen Raum.
Nur die Ausrichtung auf illegale Daten beziehungsweise urheberrechtlich geschützte Werke sei für Rapidshare finanziell lukrativ gewesen, argumentierten die Kläger vor dem Strafgericht in Zug. Es sei aber nicht ersichtlich, wie viele der Einkünfte auf legale und wie viele auf angeblich illegale Tätigkeiten zurückzuführen sei, heisst es nun in der Urteilsbegründung.
Kläger sehe eine Mittäterschaft
Die Fachverlage warfen dem Unternehmen Mittäterschaft vor. Das Hochladen von allfällig urheberrechtlich geschützten Werken auf nicht öffentliche Server und die automatisierte Zusendung von Links an die Kunden falle aber nicht unter das Urhebergesetz, so das Gericht. Verhandelt wurde schliesslich über erwerbsmässige Gehilfenschaft.
Strafbar wäre allenfalls das Publizieren der Links in öffentlichen Foren, womit man die Daten auf den Servern zugänglich macht. Da aber nicht bekannt sei, welche Rapidshare-Kunden wann und in welchem Land die Links publiziert hätten, könne die Frage nach der Strafbarkeit oder fehlender Strafgewalt nicht beantwortet werden, heisst es in der Urteilsbegründung. Bei Urheberrechtsdelikten sei der Ort der Dateneinspeisung und nicht der Betriebsort des benutzten Servers relevant, dies sei aber in keinem Fall in der Schweiz nachgewiesen.
Auch die Privatkläger, sechs wissenschaftliche Verlage, boten keinen Ansatz, da lediglich ein Basler Verlag Interessen von Schweizer Autoren geltend machte. Im Urteil heisst es: Downloads zum Eigengebrauch seien nicht strafbar, auch wenn die Inhalte urheberrechtlich geschützt seien. Deshalb seien auch Einkünfte daraus nicht verwerflich.
Ob Rapidshare den Ersuchen von angeblich Geschädigten nach Entfernung bestimmter Inhalte nachgekommen sei, könne offenbleiben, so das Gericht. In der Hochphase sollen es mehrere 10’000 pro Monat gewesen sein. Es gehe aus den Unterlagen weder hervor, ob die Meldungen auf tatsächlichen Urheberrechtsverletzungen beruhten, noch ob und wie das Unternehmen darauf reagiert habe, heisst es in der Begründung. Auch sei nicht ersichtlich, ob Rapidshare von der Verteilung geschützter Inhalte profitiert oder gar seine Kunden dazu animiert habe.
Der Druck aus der Film-, Musik und Game-Industrie wurde über die Jahre aber immer grösser. Als die Schweiz vor einigen Gesetzesänderungen stand, limitierte das Unternehmen die kostenlosen Nutzerkonten. Dies war der Anfang vom Ende. Kurz nach dem Umzug von Cham in einen markanten ziegelroten Bau bei der Autobahnausfahrt Baar entliess das Unternehmen im Jahr 2013 drei Viertel der 60 Angestellten. Zwei Jahre später wurde der Dienst vollständig eingestellt.
Verfahrenskosten müssen die Beschuldigten tragen
Offenbar waren es die falschen Kläger am falschen Ort. „Die Staatsanwaltschaft und die Privatkläger haben es sich möglicherweise zu einfach gemacht und sind auf eine wirksame Strafverteidigung gestossen“, sagt Martin Steiger bei inside-it.ch. Er sieht sich an ein Verfahren gegen die Swisscom erinnert. 2019 war die Zürcher Filmgesellschaft Praesens-Film mit einer Beschwerde gegen den Internet-Provider gescheitert. Das Bundesgericht bestätigte damals eine Vorinstanz mit ähnlichen Argumenten wie nun im Falle Rapidshare.
In Zug müssen zwei Beschuldigte aber die Verfahrenskosten tragen: Ihr Geschäftsmodell sei so ausgelegt gewesen, dass die Nutzung der Dienstleistungen anonym möglich war, wodurch fehlbare User nicht effektiv gesperrt werden konnten. Dies habe die Strafverfolgungsbehörden veranlasst, eine Untersuchung einzuleiten. Der Gründer Christian Schmid und seine Gattin Alexandra müssen jeweils knapp 30’000 Franken bezahlen sowie die Kläger zusammen mit 67’000 Franken entschädigen. Bei der Urteilsverkündung im Januar 2021 hatte einer der Strafverteidiger erklärt, dass man diesen Punkt allenfalls anfechten wolle.
Christian und Alexandra Schmid haben es mit dem Geschäft zu Reichtum gebracht. Die beiden haben ihren Wohnsitz seit 2019 im Schloss Eugensberg im Kanton Thurgau. Schmid kaufte das Schloss aus der Konkursmasse des Unternehmers Rolf Erb und soll rund 36 Millionen Franken dafür bezahlt haben.
Der Dritte Angeklagte, ein Jurist, der nachträglich zum Unternehmen gestossen war, wurde hingegen mit 75’000 Franken entschädigt, da ihm auch zivilrechtlich keine Schuld nachgewiesen werden konnte.