Alt-Ständeratspräsident Schiesser sass zwei Monate in U-Haft

Die NZZ AM SONNTAG berichtet heute über den tragischen Fall des ehemaligen Glarner Ständerats und alt-Ständerats- und ETH-Präsidenten Fritz Schiesser. Gemäss der Zeitung führt die Staatsanwaltschaft des Kantons Waadt ein Verfahren gegen Schiesser, dieser soll vom 3. Juni bis am 28. Juli gar in Untersuchungshaft gesessen haben. Für Schiesser gilt die Unschuldsvermutung.

Die NZZ AM SONNTAG berichtet heute über den tragischen Fall des ehemaligen Glarner Ständerats und alt-Ständerats- und ETH-Präsidenten Fritz Schiesser. Gemäss der Zeitung führt die Staatsanwaltschaft des Kantons Waadt ein Verfahren gegen Schiesser, dieser soll vom 3. Juni bis am 28. Juli gar in Untersuchungshaft gesessen haben.

Gemäss der NZZ AM SONNTAG (hinter Bezahlschranke) hat die Staatsanwaltschaft des Kantons Waadt die Untersuchungshaft bestätigt, wollte ansonsten aber zum gegenwärtigen Stand der Ermittlungen keine weiteren Informationen bekanntgeben. Laut der NZZ AM SONNTAG soll der Verdacht der Erpressung im Raum stehen. Für die weiteren Informationen in dem Artikel beruft sich die Zeitung auf Informationen «aus seinem Umfeld» und «mit dem Fall vertraute Kreise».

Eine fatale Internetbekanntschaft

Demnach soll Schiesser über das Internet eine Bekanntschaft gemacht haben und dieser Person immer wieder «exorbitante Geldbeträge» überwiesen haben – solange, bis er praktisch sein ganzes Vermögen verloren habe. Die Internet-Bekanntschaft soll aber nicht nur sehr viel Geld erschwindelt haben, sondern auch vertrauliche Informationen aus Schiessers Anwaltstätigkeit abgezogen haben.

Mit diesem Material sei dann die Familienstiftung Sandoz erpresst worden, so die Zeitung – wobei anzumerken ist, dass die Stiftung eigentlich aus einem Konglomerat verschiedenster Stiftungen und Unternehmen besteht. Eine der Stiftungen mit Sitz in Vaduz hält Aktienanteile an der Novartis. Ein Artikel von LE TEMPS (Artikel online nicht abrufbar) aus dem Jahr 2021 spricht von 3.6% des Novartis-Kapitals, das von dieser Stiftung gehalten werde. Was pro Jahr einen regelmässigen Dividendenertrag zwischen CH 250 und 300 Mio. einbringen soll. Eine weitere Stiftung hat ihren Sitz in Glarus – an derselben Bahnhofstrasse 18, an welcher Schiesser seine Anwaltskanzlei führt. Interessant dabei: Gemäss Handelsregister war Schiesser dort am 17. März 2022 als Präsident der Stiftung ausgeschieden, zum gleichen Datum wurde indes das Domizil der Gesellschaft neu an seiner Geschäftsadresse eingetragen.

Gemäss dem Artikel von LE TEMPS kontrollierte die Stiftung mit Sitz in Glarus die Holdinggesellschaft und das Family Office mit Sitz im waadtländischen Pully am Genfersee. Zu den Geschäftsaktivitäten der Sandoz-Familie gehören denn auch einige renommierte Betriebe. Beispielsweise kontrolliert die Familie das *****-Hotel Beau-Rivage in Lausanne oder die Uhrenfirma Parmigiani. Eine weitere Stiftung unterstützt in der Romandie als Mäzenin in grossem Stil Kulturveranstaltungen.

Mehrere Erpresserbriefe

Zwischen Frühling und Herbst 2024 sollen dann in den Büros in Pully verschiedene Erpresserbriefe eingegangen sein, schreibt die NZZ AM SONNTAG, in den Schreiben sei damit gedroht worden, vertrauliche Dokumente der Stiftung zu veröffentlichen, wenn den Geldforderungen nicht nachgekommen würde. «Die Staatsanwaltschaft hat den Verdacht, dass er Mittäter bei der Erpressung war», schreibt die NZZ AM SONNTAG im Hinblick auf die Vorwürfe gegen Schiesser. Dieser selbst habe auf Anfrage schriftlich erklärt, er sei «nicht befugt, irgendwelche Informationen preiszugeben», bestreite aber alle ihm vorgeworfenen Taten.

Die Sandoz Familienstiftung lässt in der NZZ AM SONNTAG ausrichten, sie sei in keiner Weise erpressbar.

Familienstreit seit längerem ruchbar

Ob dem so ist, mag die Zukunft zeigen. Bekannt ist, dass es innerhalb der Familie seit längerem rumort. Der Übergang von der alten zur jüngeren Erbengeneration hat viele Nebengeräusche verursacht. Im Zentrum steht eine Person: Die Berner Anwältin Monika Matti, die 2015 zu dem Family Office stiess und sich dort gemäss LE TEMPS schnell in eine unverzichtbare Position brachte. «Zwischen 2017 und 2019 trat sie insgesamt 15 verschiedenen Strukturen bei. Zunächst wurde sie im Februar 2017 zur Verwaltungsrätin der mächtigen Holdinggesellschaft in Pully ernannt, dann im März desselben Jahres zum Family Office. Vor allem aber wurde sie im Juli 2017 Mitglied des Verwaltungsrats von Emasan und im Oktober desselben Jahres Mitglied des Stiftungsrats der Einrichtung in Glarus und Vaduz.»

Insgesamt, so die Kritik einer anonymen Quelle in LE TEMPS, habe sich Matti in eine Position gebracht, in welcher sie sich quasi selbst kontrolliert habe. Mit Mattis Übernahme hatten viele Personen ihre Rollen innerhalb der Sandoz-Familienstiftungen verlassen – darunter auch Schiesser.

***

Was bei dem Fall bislang seltsam anmutet, ist die lange Haftdauer von Schiesser. Für eine banale Erpressung mit Erpresserbriefen erschiene eine Untersuchungshaft von maximal zehn Tagen allenfalls angemessen. In dieser Zeit können die notwendigen Einvernahmen durchgeführt, allenfalls Hausdurchsuchungen vorgenommen und weitere Beweise gesichert werden. Aber zwei Monate Untersuchungshaft? Da hat die Waadtländer Staatsanwaltschaft entweder eine unerlaubte Beugehaft durchgesetzt oder den Fall verlauert – beides wäre skandalös, aber für die Waadt mit ihren vielen Skandalen auch nicht wirklich verwunderlich. Oder aber der Fall reicht wesentlich tiefer als bislang bekannt.  

Titelbild: RHS&P Anwälte / Pascal Landert Photography

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert