Schatten über den Sonnenstoren

Die zwei Schweizer Marktführer bei Storen und Sonnenschützen liefern sich über ihre Tochtergesellschaften einen juristischen Showdown. Vor den Kölner Gerichten sind mehrere Verfahren hängig, bei der Staatsanwaltschaft sogar eine Strafuntersuchung. Angezettelt von der weinor GmbH & Co. KG., einer Tochterfirma der Griesser AG in Aadorf/TG. Beschuldigte ist eine Tochter der Schenker Storen AG in Schönenwerd/SO. Nur: Die weist alle Vorwürfe zurück.

Die Beschuldigungen hören sich an wie in einem Wirtschaftskrimi. Von langer Hand geplant soll die Schenker Storen Gruppe mit Sitz im solothurnischen Schönenwerd ihrem Mitbewerber in Köln, der Firma weinor, die ganze Entwicklungsabteilung ausgespannt haben. Es handle sich um einen von langer Hand geplanten Coup, um mit gezielten Abwerbungen in unmittelbarer Nähe des eigenen Firmensitzes eine Konkurrenz aufzubauen. Das auf jeden Fall will die weinor in einer Medienmitteilung glauben machen, die sie am 31. Juli der Fachpresse zugestellt hatte. Und die von Branchenportalen wie www.sicht-sonnenschutz.com oder www.glaswelt.de unbesehen übernommen worden war.

Und es kommt noch besser: Mehrere Mitarbeiter werden beschuldigt, in einem Akt verschwörerischer Wirtschaftsspionage Entwicklungspläne und weitere geheime Geschäftsunterlagen bei der weinor entwendet zu haben, um sie alsbald bei ihrem neuen Arbeitgeber einzusetzen. Und das alles auf Geheiss von Schenker Storen-CEO Marcel Frei.

Staatsanwaltschaft Köln nimmt Vorwürfe ernst

Die Vorwürfe in der Strafanzeige haben die Kölner Staatsanwaltschaft zumindest so weit beeindruckt, dass sie tatsächlich am 31. Juli 2025 bei fünf ehemaligen weinor-Mitarbeitern einfuhr und Hausdurchsuchungen durchführte. Die Ausbeute dürfte allerdings bescheiden sein, wie ein Blick in die Akten des Anwalts der Schenker Storen AG, Thomas Prenzel, zeigt. Die zeigen nämlich ein ganz anderes Bild.

Tatsächlich liess die weinor schon 2024 deutlich verlauten, dass sie beabsichtige, sich von einem wesentlichen Teil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu trennen. Im Juni 2024 wurde zwischen der Geschäftsleitung und dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen – sie liegt INSIDE JUSTIZ vor. Das Papier mit dem zynischen Titel «Fit for future» sah einen Arbeitsplatzabbau im grösseren Stil vor – statt eines Sozialplans wurde vereinbart, dass betroffene Mitarbeiter eine grosszügige Abfindung erhalten sollen. Am 12. November 2024 kündigte die Geschäftsleitung an einer Betriebsversammlung dann weitere Details an: 40 Mitarbeiter sollten ihre Stelle verlieren.

 

Von langer Hand geplant? Schon im Juni 2024 schlossen Geschäftsleitung und Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung im Hinblick auf einen Stellenabbau. Mit «einvernehmlichen Abfindungsangeboten» sollten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motiviert werden, freiwillig zu gehen, um nicht gekündigt werden zu müssen.

Darunter auch acht bis zehn Personen aus der Entwicklungsabteilung. Aus jener Abteilung, aus der die Schenker Storen Gruppe später sieben Mitarbeiter übernommen hat. Von langer Hand geplant war also weniger die Abwerbung von qualifizierten Fachkräften durch die Schenker Storen Gruppe, als vielmehr ein gross angelegter Stellenabbau. Nur: Darüber verliert die weinor-Medienmitteilung vom 31. Juli 2024 kein einziges Wort.

Stellenstreichungen aufgrund schlechter Zahlen?

Dass die weinor sparen musste, ist nachvollziehbar. Das Mutterhaus Griesser Holding AG lieferte für 2023 verheerende Zahlen. «Sonnenschutz im Gegenwind» titelte etwa das ST. GALLER TAGBLATT am 28.April 2024 und sprach von «Umsatzeinbruch und Gewinnschmelze» (Online-Ausgabe hinter Bezahlschranke: hier)

Der Betriebsgewinn sei von CHF 17.9 Mio. auf CHF 200’000 abgesackt, schrieb die Zeitung. Unter dem Strich resultierte gar ein Reinverlust von CHF -2.4 Mio. Nach einem Reingewinn von CHF 11.7 Mio. im Vorjahr. Hauptsächlicher Grund für die Misere, so das ST. GALLER TAGBLATT:  Die schlechten Zahlen der deutschen Tochtergesellschaft weinor.

Unter der Gründer-Generation lief’s lange gut

Das Unternehmen weinor war 1960 vom Handwerker Dieter Weiermann aufgebaut, später seinem Sohn Thilo übergeben worden, der seit 1991 die Geschäfte führte – und sich auf viele langjährige und engagierte Mitarbeiter stützen konnte.  Mit der Übernahme von Weiermann junior war die Schweizer Storenbauerin Griesser Holding AG eingestiegen, welche das Potential der Kölner erkannte und damals rund drei Viertel der Anteile übernahm.

Dann, 2023, veräusserte Weiermann weitere Anteile an die Griesser Gruppe, mit Tim Füldner übernahm 2024 ein neuer Manager, der andere Ideen hatte. Füldner verfügte allerdings kaum über Branchenkenntnis und einen zumindest fragwürdigen Leistungsausweis. Als der frühere Vertriebs- & Marketingleiter 2016 zum CEO der Butzbach GmbH wurde, führte er die Firma geradewegs «in die grösste Krise der Unternehmensgeschichte». So auf jeden Fall steht es in einem Artikel der Neu-Ulmer Zeitung vom 8. März 2018 (hinter Bezahlschranke). Über seinen Weggang sagte der Gewerkschafter der IG Metall damals: «Es ist gut, dass Herr Füldner weg ist.» Er habe in der Firma «viel Unruhe und Chaos» angerichtet, aber Führungsqualitäten vermissen lassen.

Entwicklung outsourcen

Füldner und sein Geschäftsleitungskollege waren es auch, die in den Managementrunden bei der weinor die Vorgesetzten aufforderten, sich in ihren Teams umzusehen, wer bereit wäre, einer Austrittsvereinbarung zuzustimmen und das Unternehmen zu verlassen, um einer Kündigung zu entgehen.

Mit in diesen Managementrunden sass auch der damalige Entwicklungsleiter, dessen Abteilung zum grossen Teil ausgelagert werden sollte. Es würden künftig externe Entwicklungspartner eingebunden und Arbeiten nach Georgien verlagert werden, erinnert sich der Entwicklungschef, der seit 40 Jahren in der Branche ist und wesentlich mitverantwortlich für die früheren Erfolge der weinor war.

Die anstehenden Veränderungen sprechen sich in der überschaubaren Branche schon im Sommer 2024 herum. Und dringen bis zur Schenker Storen AG in die Schweiz vor. Das Unternehmen mit 1’400 Angestellten war just zu diesem Zeitpunkt unterwegs, der Weiterentwicklung ihrer Markisen neue Impulse zu verpassen. Dass der Kölner Mitbewerber seine  besten Leute in die Wüste schicken wollte, kam den Solothurnern tatsächlich mehr als nur gelegen.

Eher Übernahme als Abwerbung

Durch einen Personalvermittler kam Schenker-Storen-CEO Marcel Frei in Kontakt mit dem damaligen weinor-Entwicklungschef. Ein Whats-App Chat, der sich in den Gerichtsakten befindet (und INSIDE JUSTIZ vorliegt), belegt das Interesse der Solothurner, die nachfragten, ob denn auch weitere Kollegen bereit wären, zu ihnen zu wechseln.

Schenker lockte mit der Gründung eines «Innovation-Hubs»: Nur wenige hundert Meter von der weinor entfernt entstand so die Schenker Innovation GmbH. Am Ende wechselten sieben Mitarbeiter. Drei von ihnen hatten eine Aufhebungsvereinbarung unterschrieben, vier ordentlich gekündigt. Bei mehreren der aufgelösten Arbeitsverhältnisse hat die weinor nun Klage eingereicht. In einem Fall wird um die Kündigungsfrist gestritten, bei den Aufhebungsverträgen will sie die einvernehmlich vereinbarten Abfindungen nicht mehr bezahlen, nachdem die Mitarbeiter nun bei der Konkurrenz arbeiten. – Absurd, sagt Anwalt Thomas Prenzel: «Es gibt nach dem deutschen Arbeitsrecht bei einer solchen Vereinbarung keine Verpflichtung, dem früheren Arbeitgeber mitzuteilen, wo man künftig zu arbeiten gedenkt.» Ein erstes Gerichtsverfahren – es ging um einen superprovisorische Verfügung – hat Prenzel denn auch bereits gewonnen.

 

Ausriss: Die weinor GmbH & Co. KG behauptet, Schenker Storen hätte ihnen von langer Hand geplant Mitarbeiter aus der Entwicklungsabteilung abgeworben. Dokumente, die INSIDE JUSTIZ vorliegen, zeigen jedoch, dass die Firma mit drei der sieben betroffenen Mitarbeitern vorher Auflösungsvereinbarungen getroffen hatte, weil sie Personal abbauen wollte. In einer Betriebsversammlung vom 12. November 2024 war von 40 Stellen die Rede, die abgebaut werden sollten.

Direkte Konkurrenz in unmittelbarer Umgebung?

Weinor wirft der Schenker Storen Gruppe vor, sie direkt und aggressiv zu attackieren. Nur: So etwas nennt man freie Marktwirtschaft. Schenker-Storen-Kommunikationsleiterin Doris Winnewisser winkt aber auch in diesem Punkt ab: «Die Schenker Innovation am Standort Köln ist eine reine Entwicklungsgesellschaft», erläutert sie: «Es wird dort nichts produziert, es wird dort nichts verkauft, und die Schenker Innovation macht auch keinen Kundendienst von diesem Standort aus.» Ob sich das später ändern könnte? «Es gibt aktuell keine anderen Pläne, als dort unsere Markisen-Produkte zu entwickeln. Zudem sind wir mit unserer Tochtergesellschaft im Norden von Freiburg i.Br. ja schon aufgestellt, und wir haben auch schon verschiedene Produktionsstandorte.»

Die Vorwürfe von weinor empfindet man in Solothurn als schlechterdings absurd: «Es ist richtig, dass wir Kontakt aufgenommen hatten, als wir hörten, dass ein Teil der Entwicklungsabteilung ihren Job verlieren sollte, verschiedenen Mitarbeitern Abgangsentschädigungen angeboten worden waren – und wir uns genau in diesem Gebiet verstärken wollten. Dass qualifizierte Fachkräfte, denen nahegelegt wurde, das Unternehmen zu verlassen und die eine Kündigung befürchten mussten, offen waren für Gespräche mit uns? Darin können wir nichts Unrechtes erkennen», sagt CEO Marcel Frei von der Schenker Storen AG auf Nachfrage von INSIDE JUSTIZ.

Und der Datendiebstahl?

Bleibt der Vorwurf des Datendiebstahls. Tatsächlich hatten drei ehemalige weinor-Mitarbeiter Daten aus der Firma auf private Datenträger kopiert. «In einem Fall hatte sich ein Mitarbeiter eine Zeichnung als E-Mail nach Hause geschickt, um dort im Home-Office an dem Projekt weiterzuarbeiten – und auf seiner privaten Fräsmaschine an einem Kubus zu arbeiten, den er dann wieder in die Firma mitnahm. Zudem fand das lange vor dem behaupteten Tatzeitraum statt», schreibt Rechtsanwalt Thomas Prenzel auf Nachfrage.

«In einem anderen Fall hatte ein Mitarbeiter einfach grosszügig seine Daten übertragen, darunter private und Dateien, die mit seiner Tätigkeit im Verband zu tun hatten. Er wollte sie erst später aussortieren.» Aber eine Absicht, sich widerrechtlich Firmendaten anzueignen, habe genau so wenig bestanden wie die Idee, die Daten bei der Konkurrenz zu verwenden, erklärt Anwalt Prenzel.

Beim dritten Mitarbeiter handelte es sich um den Dokumentationsverantwortlichen. Er hatte Daten kopiert, weil er sich in der Pflicht sah, seinem Nachfolger eine aufgeräumte Datensammlung ordnungsgemäss übergeben zu können.

Mitarbeiter bezeugen, keine Daten weitergegeben zu haben

Was die weinor ebenfalls verschweigt: Von allen ehemaligen Mitarbeitern liegen eidesstattliche Versicherungen vor. «Fünf erklären, dass sie keine Daten heruntergeladen hätten. Die anderen beiden, dass sie die Daten vollständig gelöscht und zu keinem Zeitpunkt die Absicht hatten, sich Daten rechtswidrig anzueignen oder diese Dritten zugänglich zu machen, wie ihnen vorgeworfen wird.» Die eidesstattlichen Erklärungen wurden alle bereits im März aufgesetzt und unterschrieben – also schon bevor die Mitarbeiter ihre Tätigkeit beim neuen Arbeitgeber aufnahmen. Und sie liegen der weinor seit geraumer Zeit vor.

Die Schenker Storen AG ist deshalb guten Mutes, dass die Vorwürfe sich rasch entkräften lassen. «Wir gehen davon aus, dass die Staatsanwaltschaft bei der Auswertung schnell feststellen wird, dass die erhobenen Vorwürfe gegen uns haltlos sind.» Das Solothurner KMU prüft derweil seinerseits juristische Schritte wegen der geschäftsschädigenden Vorwürfe der weinor.

Auch Branchen-Insider schütteln ob dem Vorgehen der Griesser-Tochter den Kopf. «Die müssen sehr nervös sein», sagt einer, der seit Jahren Aufträge vergibt in der Branche. «Oder sie realisieren, dass ihnen die Felle davon schwimmen.»

INSIDE JUSTIZ hatte am Donnerstagsabend per E-Mail eine Reihe von Fragen an die weinor und Tim Füldner gestellt, um zu den in diesem Beitrag dargestellten Sachverhalten Stellung zu nehmen. Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist eine Antwort immer noch ausstehend.

Hinweise der Redaktion:

In einer früheren Version des Artikels war statt von der Griesser Holding AG lediglich von der Griesser AG die Rede. Die Anwälte der Griesser Gruppe legen Wert darauf, dass die weinor GmbH & Co. KG. eine Tochtergesellschaft der Griesser Holding AG darstellt und nicht der Griesser AG.

Die Weiterentwicklung dieser Geschichte lesen Sie im Artikel «Der Kölner Wirtschaftskrimi wird immer wilder», erschienen am 22. August 2025.

Titelbild: Schenker Storen-CEO Marcel Frei verteidigt sich gegen Vorwürfe von Mitbewerber Tim Füldner. (Roger Huber / perplexity KI)

Krieg der Branchen-Leader

Die beiden in den Konflikt involvierten Muttergesellschaften, die Griesser Holding AG in Aadorf/TG und die Schenker Storen AG in Schönenwerd/SO sind in der Schweiz die beiden grössten Anbieter von Sonnenstoren, Rollläden und anderen Sonnenschutzsystemen. Sie sind sich in vielen Punkten durchaus ähnlich.

Griesser wurde 1882 gegründet, Schenker Storen 1881. Und beschäftigt gemäss Angaben auf seiner Internetseite 1400 Mitarbeiter, Griesser spricht von rund 1’500. Schenker unterhält in der Schweiz und Liechtenstein 30 Standorte,

So sind beide Firmen international aufgestellt und in verschiedenen Ländern Europas vertreten. Die Schenker Storen Gruppe hat mit der Ehret GmbH etwa 40km nördlich von Freiburg im Breisgau eine deutsche Tochtergesellschaft, die Griesser Holding AG hält fast alle Anteile der weinor GmbH & Co. KG. im Norden von Köln.

Schenker Storen produziert in Frankreich, der Schweiz und in Deutschland, Griesser in der Schweiz, Österreich und Frankreich. Dazu hält Griesser-Gruppe gemäss eigenen Angaben in neun Ländern eigene Gesellschaften, über ihr Partnersystem ist sie insgesamt in 30 Ländern vertreten.

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