Strafverfahren gegen Klinik-Direktor des Inselspitals

Das Berner Inselspital trennt sich per sofort von einem Chefarzt und Klinikdirektor.  Hintergrund soll eine Affäre des Klinikdirektors mit einer Oberärztin sein, welcher der Klinikdirektor dann anfangs 2025 gekündigt hatte. Involviert ist auch die Universität Bern: Die Insel ist auch Universitätsspital, ihre Chefärzte damit regelmässig auch als Professoren an der medizinischen Fakultät tätig.

Die Medienmitteilung des Insel-Spitals ist kurzgehalten. Um welche Personalie und welche Klinik es sich konkret handelt, wird «aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes» nicht bekanntgegeben.  Im Februar habe sie Hinweise erhalten, «wonach sich ein Klinikdirektor unangemessen verhalten und geltende Weisungen nicht beachtet haben soll. Die Insel Gruppe ist diesen Hinweisen konsequent nachgegangen und hat dies intern wie auch von externen Spezialisten untersuchen lassen», schreibt die Medienstelle des Inselspitals, das zur Insel Gruppe AG gehört, und diese wiederum zu über 99 Prozent zur privatrechtlichen Inselspital-Stiftung – welche die grösste Spitalgruppe der Schweiz darstellt.

Der Klinikdirektor «ist per sofort von all seinen Funktionen am Inselspital entbunden», heisst es, im Titel schreibt die Insel allerdings erst, die Gruppe «beabsichtigt Trennung» – was wohl dahingehend zu interpretieren ist, dass die Angelegenheit arbeitsrechtlich noch offen ist. Die offzielle Begründung des Inselspitals für Freistellung und beabsichtigte Trennung: «Die Untersuchungen haben gezeigt, dass der Klinikdirektor seine Treue- und Sorgfaltspflichten als Leiter der Klinik in schwerwiegender Weise verletzt hatte.»

Die Formulierung lässt dabei alles offen. Hat der Klinikdirektor falsch gehandelt, weil er eine sexuelle Beziehung mit einer Oberärztin nicht ordnungsgemäss gemeldet hatte? Wird ihm eine sexuelle Belästigung und die Ausnützung des Machtpotentials zwischen Vorgesetztem und Untergebener vorgeworfen? Oder hat er die Treue- und Sorgfaltspflichten dadurch verletzt, dass er einer fähigen Oberärztin aus persönlichen Motiven und dann noch missbräuchlich gekündigt hatte?

Es ist aus juristischer Sicht nachvollziehbar, dass sich das Inselspital nicht detaillierter äussert; jedwelche Transparenz könnte von der Gegenseite als Eingeständnis von Fehlverhalten gerichtlich verwendet werden. – Das Vertrauen der Öffentlichkeit stärkt das Kommunikationsverhalten freilich nicht.

Es steckt mehr dahinter

Und was die Medienmitteilung gänzlich verschweigt, SCHWEIZER RADIO SRF aber enthüllt: Gegen den Chefarzt läuft seit Februar eine Voruntersuchung der Staatsanwaltschaft. Und die Vorwürfe sind brisant: Dem Chefarzt werden Sexualstraftaten angelastet. Die Strafanzeige erstattet wurde vom Rechtsvertreter einer ehemaligen Oberärztin, mit welcher der Klinikdirektor über längere Zeit eine aussereheliche Affäre gehabt haben soll. Und deren direkter Vorgesetzter er war.

SRF hatte die Insel am Mittwochmorgen mit diesen Fakten konfrontiert, und prompt erfolgte am selben Tag noch die Medienmitteilung, dass man sich von dem Chefarzt trennen wolle und dieser freigestellt worden sei.

Brisant: Im ersten Beitrag behauptet SRF,  der Chefarzt sei bis zu diesem Zeitpunkt weiterhin tätig gewesen; die Freistellung erfolgte erst, als der Vorgang an SRF herangetragen worden war.  In einem späteren Beitrag berichtet das REGIONALJOURNAL BERN FREIBURG WALLIS dann das Gegenteil, der Chefarzt sei gemäss Auskunft der Insel-Gruppe schon nicht mehr in der Klinik tätig gewesen, behauptet aber, es gebe in diesem Punkt widersprüchliche Aussagen. In der Sendung SCHWEIZ AKTUELL von SRF TV sagt Direktionspräsident Christian Leumann zu dem Punkt, der Klinikdirektor sei seit längerem «nicht mehr klinisch tätig» gewesen.

Das REGIONALJOURNAL BERN FREIBURG WALLIS hatte für seine Donnerstagsausgabe zudem mit dem Rechtsvertreter des Opfers gesprochen, dem Berner Fürsprecher  Rolf P. Steinegger: «Ich habe die Vorwürfe als so gravierend betrachtet, dass man die Universitätsleitung und das Rektorat der Universität benachrichtigen musste», sagte Steinegger in der Sendung. Auf seine Frage, welche Massnahmen sie zu ergreifen gedächten, habe er keine Antwort erhalten.  Steinegger spricht von «einem ganz gravierenden Fall mit einer krassen Gewaltanwendung im sexuellen Bereich».

Strafanzeige erfolgte unmittelbar nach Kündigung

Was SRF allerdings verschweigt: Die Oberärztin, in deren Namen Strafanzeige eingereicht wurde, war vom beschuldigten Vorgesetzten gekündigt worden. BLICK.CH zitiert eine nicht namentliche Quelle mit der Aussage: «Sie war bei den Kollegen unbeliebt, unter anderem deshalb hat er sie schliesslich entlassen.» Und zwar Ende Januar, wie die BERNER ZEITUNG (hinter Bezahlschranke) recherchiert hat. Sie schreibt unter Berufung auf Rechtsanwalt Steinegger weiter, die Affäre habe mehrere Jahre gedauert und sei Ende 2023 zu Ende gegangen. Die Oberärztin sei danach aber weiter am Spital beschäftigt, die berufliche Konstellation bestehen geblieben. Und im letzten Mitarbeitergespräch (MAG) mit der Oberärztin, geführt im November 2024, seien in der Leistungsbeurteilung alle Zielsetzungen als erfüllt oder übertroffen beurteilt worden. So immer noch die BERNER ZEITUNG, die selbst Einsicht in das Protokoll des MAGs hatte. Es sei vom Klinikdirektor und seinem Stellvertreter unterzeichnet worden.

Zur Frage, was sich zwischen der positiven Beurteilung im November bis zur Entlassung Ende Januar verändert haben könnte, bieten die bisher erschienenen Medienberichte keine Erklärung. Gemäss Anwalt Steinegger in der BERNER ZEITUNG soll als Kündigungsgrund angeführt worden sein, das Verhalten der Oberärztin «gegenüber verschiedenen Personen» habe  «nicht mehr den Werten der Insel-Gruppe und den Erwartungen der Vorgesetzten» entsprochen. Die Oberärztin habe die Kündigung am 3. Februar 2025 erhalten, sie aber angefochten, weil sie zum Zeitpunkt der Kündigung arbeitsunfähig gewesen sei – wobei die Krankheit, gemäss Aussage ihres Anwalts, «bereits seit längerer Zeit bestanden» habe.

BLICK.CH schreibt, ihm hätten «mehrere Insider» von dem Verhältnis zwischen Chefarzt und Oberärztin erzählt. «Die Darstellungen, wie einvernehmlich das war, gehen auseinander», schreibt das Online-Portal. «Die Rede ist jedoch von harten Sexpraktiken. Und eindeutigem Bildmaterial, das bei diesen Begegnungen entstanden sein soll.» Dieses soll – immer noch gemäss BLICK – von Fürsprecher Steinegger an die Verantwortlichen von Spital und Universität weitergeleitet worden sein. Und die Bilder hätten den Beschuldigten gegenüber seinen Vorgesetzten in Erklärungsnot gebracht.

Anwalt des Beschuldigten: Überrascht von den Vorwürfen

Der beschuldigte Klinikdirektor wird von Rechtsanwalt Lukas Bürge vertreten. Wie die betroffene Oberärztin äussert sich auch der Klinikdirektor nicht selbst in der Öffentlichkeit. «Mein Mandant kann sich aufgrund der grossen psychischen Belastung derzeit nicht dazu äussern», lässt Bürge im BLICK ausrichten. Darüber hinaus sagt der Strafverteidiger, man habe «erst aus der Presse von den Vorwürfen gegen seinen Mandanten erfahren». Der Klinikdirektor sei überzeugt, dass er sich strafrechtlich nichts habe zu Schulden kommen lassen. Zurzeit prüfe er selbst rechtliche Schritte, darunter Anzeigen wegen falscher Anschuldigung, Verleumdung oder übler Nachrede.

Die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern hat verschiedenen Medien gegenüber bestätigt, dass eine Voruntersuchung geführt werde und dabei auch gesagt, es handle sich nicht um einen Haftfall – sprich: Gegen den beschuldigten Klinikdirektor wurde keine Untersuchungshaft beantragt. Trifft die Darstellung von Rechtsanwalt Bürge zu, dass der Klinikdirektor von den Vorwürfen erst durch die Berichterstattung überhaupt erst erfahren hat, kann das nichts anderes heissen, als dass die Berner Staatsanwaltschaft bislang – immerhin viereinhalb Monate nach der Strafanzeige – noch nicht einmal eine Einvernahme des Beschuldigten durchgeführt hat.

Titelbild: Gebäude des Berner Inselspitals (Quelle: Medienstelle Inselspital Bern)

In dem jüngsten Insel-Skandal liegt noch viel publizistisches Potential: Sprich, Stoff für weitere Geschichten und schmutzige Wäsche. Das hat primär mit der Mini-Kommunikation des Inselspitals mit ihren Widersprüchlichkeiten zu tun: Zu welchem Zeitpunkt wurde der Klinikdirektor denn nun tatsächlich von all seinen Funktionen am Inselspital entbunden? In der Medienmitteilung vom 9. Juli 2025 ist die Rede davon, man habe «heute» entschieden, sich zu trennen und der Beschuldigte sei «per sofort von all seinen Funktionen am Inselspital entbunden». Einen halben Tag später behauptet das Inselspital gemäss REGIONALJOURNAL dann, der Chefarzt sei schon nicht mehr an der Klinik tätig gewesen, seit die Vorwürfe im Februar aufgekommen seien.


Wie lassen sich diese widersprüchlichen Aussagen auflösen? Spielte das Inselspital hier mit verdeckten Karten, um zu verschleiern, um wen es sich handelt – weil alle mitbekommen hatten, dass ihr Klinikdirektor plötzlich seit einem halben Jahr verschwunden war und damit sofort klar gewesen wäre, wer die Betroffenen sind? Selbstverständlich kann das Spital keine Namen nennen, ohne die Fürsorgepflicht für die Betroffenen zu verletzen. Das erwartet aber auch niemand. Die Wahrheit würde ausreichen. Gleichzeitig müsste der Leitung doch auch völlig klar sein, dass die Namen der Betroffenen intern sowieso innerhalb kürzester Zeit die Runde machen und das schlicht nicht zu verhindern ist.


Fragen zum Vorgehen der Insel wirft aber auch auf, dass über die Freistellung und Trennungsabsicht angeblich genau am Tage entschieden wurde, als die erste Medienanfrage in der Sache einging. Hat die Insel einfach husch-husch entschieden, und so versucht, vorsorglich dem öffentlichen Druck nachgegeben? Also quasi aus Sorge um die eigene Reputation den Chefarzt «geopfert»? Oder hatte sie versucht, den Fall unter dem Deckel zu halten im völlig naiven Glauben, die Sache würde nie auskommen?
Das Vorgehen lässt auf jeden Fall Erinnerungen aufkommen an das Krisenmanagement des Zürcher Universitätsspitals im «Fall Maisano». Auch dort hatte die oberste Spitalführung freihändig und spontan aufgrund von Medienberichten Kaderärzte einmal fristlos entlassen, nach entsprechender Medienschelte wieder eingestellt, nur um sie wenig später wieder zu entlassen.

Aber auch, dass der Rechtsanwalt des mutmasslichen Opfers auf BLICK.CH aussagt, es gehe seiner Mandantin mit der Strafanzeige nicht um Rache für die Kündigung und damit den Elefanten im Raum proaktiv anspricht, wirft eine Reihe von Fragen auf. Und am Ende die, ob der Gang an die Öffentlichkeit in diesem Fall wirklich der Weisheit letzter Schluss war.


Und schliesslich die Medien. Die Berichterstattung des REGIONALJOURNAL BE/FR/VS bewegt sich in der Sache auf sehr dünnem Eis. In der SRF-Berichterstattung des Regionaljournals findet man nirgends eine Stellungnahme des beschuldigten Klinikdirektors oder dessen Anwalt. Obwohl das bei schwerwiegenden Vorwürfen absolute Journalistenpflicht wäre. Darüber hinaus verpasst es SRF Audio vollständig, den Fall damit zu kontextualisieren, dass dem mutmasslichen Opfer unmittelbar vor der Strafanzeige gekündigt worden war. Dem SRF-Publikum wird so die Möglichkeit vorenthalten, sich selbst mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Strafanzeige auch einfach eine Racheaktion für die Kündigung gewesen sein könnte.

2 thoughts on “Strafverfahren gegen Klinik-Direktor des Inselspitals

  1. Der beschuldigte Klinikdirektor ist also gleichzeitig Chefarzt und soll – arbeits- und strafrechtlich relevant – mit einer Oberärztin zu tun gehabt haben. Mit diesen Angaben sind beide medial und öffentlich bereits enttarnt, das gesamte soziale Umfeld weiss sofort, um wen es sich handelt, die Gerüchteküche kann und wird brodeln. Mit allen Folgen.

    Werden ihre Rechtsbeistände und die Gerichte in der Lage sein – unabhängig davon, ob und welche Vorwürfe berechtigt sind -, die vorverurteilende und sensationsgeile Berichterstattung der Boulevardmedien wirksam auszugleichen?

    1. Wir können Ihre Argumentation nicht ganz nachvollziehen. Das Inselspital hat 37 Universitätskliniken und Institute, und sehr vielen steht ein Chefarzt / Klinikdirektor vor – selten eine Chefärztin, die dann wohl nicht in Frage kommt. Dass die Gerüchteküche am Spital brodelt, ist anzunehmen, ebenso, dass betriebsintern und auch darüber hinaus die Namen der Involvierten herumgereicht werden. Wie das bei solchen Fällen immer der Fall ist – ganz unabhängig davon, ob die Medien darüber – sensationsgeil oder sachlich – berichten.

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