An einer Medienkonferenz am Sonntagabend haben Vertreter des Bundes und der Grossbanken UBS und Credit-Suisse eine Übernahme der CS durch die UBS angekündigt. Der Deal wird vom Bund mit Notrecht durchgesetzt, die Aktionäre der beiden Grossbanken haben zu der Übernahme nichts zu sagen und werden ihrer Aktionärsrechte beraubt. «Ganz dünnes Eis», kommentieren Fachleute.
Der Kaufpreis war an der Medienkonferenz überhaupt kein Thema. Dafür betonten insbesondere Bundesrätin Karin Keller-Sutter, aber auch Nationalbankpräsident Thomas Jordan oder die Präsidentin der Finanzmarktaufsicht FINMA, Marlene Amstadt, rege Kontakte mit ihren Pendants etwa in den USA oder in Grossbritannien in den letzten Tagen. Die avisierte Übernahme werde von den ausländischen Finanzmarktaufsichten und Zentralbanken ausdrücklich begrüsst, war denn auch mehr als einmal zu hören. Was bei verschiedenen Beobachtern den Eindruck erweckte, die Akteure des Bundes hätten womöglich mehr die internationalen Erwartungen zu erfüllen versucht als eine Lösung im besten Interesse des Landes und der Akteure zu suchen.
Der Deal
Die UBS tauscht 22.48 Aktien der CS gegen eine UBS-Aktie, was bei den letzten Notierungen bei Börsenschluss am Freitag noch einem Kaufpreis pro CS-Aktie von rund 76 Rappen entsprach. Total will die UBS rund 3 Milliarden Franken für die Übernahme lockermachen. Dass dem Preis wohl keinerlei Fakten unterlegt sind, zeigt sich daran, dass am Sonntagmittag über anglosächsische Medien durchgesickert war, dass die UBS der CS eine Kaufofferte für CHF 1 Mia. unterbreitet hatte, diese aber den Deal ablehnte. Am Abend betrug der Preis dann plötzlich das dreifache. Brisanz auch: Alleine das Schweiz-Geschäft der CS wird von Fachleuten je nach Quelle mit einem Wert zwischen CHF 10 und 15 Mia. bepreist.
Verschiedene Beobachter kommen denn auch zum Schluss, die Beteiligten des Bundes und die in Not geratene CS hätten sich von der UBS über den Tisch ziehen lassen. Kommt hinzu, dass der Bund der UBS auch noch eine Verlustgarantie von CHF 9 Mia. für bestimmte Positionen ausstellt, die gemäss Keller-Sutter wie eine «Versicherung» funktionieren solle. Wenn sich bei der CS weitere heikle und teure Rechtsfälle zeigen würden, so könnte die UBS bei Erreichen einer Verlustschwelle von CHF 5 Mia. diese Verlustgarantie geltend machen.
Aktionärsrechte ausgehebelt
Der Deal geht über die Bühne, ohne dass ihn die Generalversammlungen der beiden Gesellschaften absegnen. Die Aktionärsrechte werden damit ausgehebelt. SVP-Nationalrat und Banker Thomas Matter sprach am Sonntagabend in der ARENA des SCHWEIZER FERNSEHEN von einer Enteignung der Aktionäre und einem Vorgehen wie in einer Bananenrepublik. Finanzministerin Keller-Sutter berief sich in der Medienkonferenz auf die Art. 184 Abs. 3 und 185 Abs. 3 der Bundesverfassung.
Die erstere Bestimmung ermöglicht es dem Bundesrat unter dem Titel «Beziehungen zum Ausland», Verordnungen und Verfügungen zu erlassen, «wenn die Wahrung der Interessen des Landes es erfordert.» – Ein weiterer Hinweis darauf, dass die Übernahme vor allem auf Druck des Auslands vorangepeitscht wurde. Die zweite der genannten Notrechtsnormen gibt dem Bundesrat die Kompetenz, Verordnungen und Verfügungen zu erlassen, «um eingetretenen oder unmittelbar drohenden schweren Störungen der öffentlichen Ordnung oder der inneren oder äusseren Sicherheit zu begegnen.»
Klagerisiken gegen die Eidgenossenschaft
Der Berner Finanzmarktprofessor Peter V. Kunz sieht darin einen Anknüpfungspunkt für CS-Aktionäre, um gegen die Schweiz zu klagen. «Am Freitag sagte man der Öffentlichkeit noch, dass die Bank liquide sei und kein Notfall bestehe. An dieser Aussage könnten die Grossaktionäre den Bund festnageln», sagt Kunz am Montagmorgen auf BLICK.CH und richtet sein Augenmerk insbesondere auf die Saudis, deren Nationalbank mit 9.9 Prozent der Aktien der grösste CS-Aktionär ist und erst im Herbst 2022 noch neues Geld eingebracht hatte – für CHF 4.00 pro Aktie. Die Schweiz hätte die Saudis damit faktisch enteignet, so Kunz.
Betroffen sind aber natürlich auch alle weiteren Aktionäre der CS, darunter wohl viele Schweizer Pensionskassen, die in die Grossbank investiert waren und sich nun erheblichen Verlusten gegenübersehen dürften. Das Ausmass des Schadens für die Pensionskassen ist aktuell nicht klar, es dürften aber längst nicht alle Pensionskassen rechtzeitig aus ihren Engagements in die Schweizer Grossbank ausgestiegen sein. SNB-Präsident Jordan rechtfertigte das lapidar damit, bei einem Konkurs der CS hätten die Aktionäre gar nichts mehr erhalten.
Noch schlimmer für die UBS-Aktionäre
Bei der CS könnte das Notrecht immerhin noch damit gerechtfertigt werden, dass die Bank – und letztlich deren Aktionäre – sich selbst in die missliche Lage gebracht hatten, weil sie über Jahre unfähiges Führungspersonal geduldet hatte und mit den vielen grösseren und kleineren Skandalen massgeblich zum Vertrauensverlust der letzten Monate und zum Bankrun der letzten Tage beigetragen hatten.
Bei der UBS zieht diese Argumentation nicht. Deren Aktionäre konnten sich bis zum Wochenende sicher sein, in eine Bank investiert zu sein, die ein klares Risikoprofil auswies, gut geführt und in der Schweiz der berechenbaren Jurisdiktion eines Rechtsstaates unterworfen war. Diese Gewissheit ist mit einem Federstrich weg, und die UBS-Aktionäre sehen sich über ein Wochenende nicht nur ihres Rechts beraubt, im Rahmen ihrer gesetzlich verbrieften Aktionärsrechte über die Übernahme abstimmen zu können. Ihre Aktien werden auch noch verwässert, und ob die UBS von dem Deal am Ende tatsächlich profitiert, wie deren Präsident Colm Kolleher an der Medienkonferenz vom Sonntag Glauben machen wollte, steht auf einem ganz anderen Blatt Papier.
Markt straft auch UBS ab
Zum einen ist es notorisch, dass die Integration einer solchen Grossübernahme eine enorme Herausforderung für ein Management darstellt, die in vielen Fällen schief geht. Gerade wenn, wie vorliegend, die Unternehmenskulturen sehr unterschiedlich sind. Zum anderen entsteht mit der neuen UBS eine «Monsterbank» (Zitat der NZZ) mit einer mutmasslichen Bilanzsumme von über deutlich über einer Billion Schweizer Franken – also einer Million Millionen – oder dem doppelten Bruttoinlandprodukt der Schweiz. Die UBS-Eigentümer werden sich, das hat die FINMA auch bereits angekündigt, überproportional höheren Eigenkapitalvorschriften gegenüber sehen, die auf die Rendite drücken. Dazu holt sich die UBS mit der Übernahme der CS möglicherweise auch noch weitere ungelöste Skandale in die eigenen Bücher. Und schliesslich ist nicht auszuschliessen, dass bei dieser neuen Risikoposition der UBS bisherige Kundinnen und Kunden abspringen – und Investoren ihr Kapital auf Finanzmärkte umschichten, in denen Gesetze nicht einfach über Nacht von einer Regierung ausgehebelt werden.
Das Verdikt der Märkte war am Montagmorgen auf jeden Fall für beide Grossbanken deutlich negativ: Während die CS erwartungsgemäss über 60 Prozent an Wert verlor, büsste bei Handelsbeginn in Europa auch die UBS 16 Prozent ein.
Viele Fragen zur Rolle der «offiziellen Schweiz»
Am Montag nach der Ankündigung der Übernahme stellen sich nebst der Verfügung von Notrecht und der damit verbunden Aushebelung von gesetzlichen Garantien viele weitere kritische Fragen an den Bundesrat und die Finanzmarkt-Institutionen.
Das beginnt damit, dass Finanzministerin Keller-Sutter am Sonntagabend bekannt gab, der Bundesrat habe schon am Donnerstag letzter Woche entschieden, der SNB die Möglichkeit für weitere Liquititätsspritzen zu geben, im Umfang von total CHF 200 Mia. Kommuniziert wurde das indes nicht. Begründung: Man sei sich einig gewesen, dass eine Kommunikation die Verunsicherung noch gesteigert hätte. Wirklich? Die Frage bleibt am Ende eine hypothetische. Dass aber ein klares Signal aus Bern, man werde die CS nicht untergehen lassen, die Dynamik des Bankenruns gebrochen hätte, erscheint zumindest plausibel.
Die Zusagen musste der Bundesrat wiederum als Notverordnung verfügen: Es sei zwar schon im letzten Sommer angedacht worden, die gesetzliche Basis für einen sogenannten Public Liquidity Backstop zu schaffen, der Bundesrat habe dann aber zugewartet, um nicht ein falsches Signal zu setzen, erläuterte Keller-Sutter am Sonntagabend. Beide Erklärungen zeigen: Der Bundesrat und die «offizielle Schweiz» sehen sich offensichtlich nicht in der Lage, die Deutungshoheit über ihre Entscheide durchzusetzen.
Schliesslich stellt sich die Frage, was all’ die Bemühungen der letzten Jahre gebracht haben sollen, die «Too big to fail»-Problematik zu entschärfen, wenn an ein Szenario wie das hier vorliegende offensichtlich nicht gedacht wurde. Auch die «Stresstests», denen die Banken im Nachgang zur Finanzkrise von 2008 ausgesetzt worden waren, erscheinen heute in einem hochgradig fragwürdigen Licht. Wurde denn ein Bankenrun auch bei einer grundsätzlich solventen Grossbank aufgrund einer Verunsicherung an den Märkten nie durchgespielt? Falls nicht, bleibt unverständlich, wie eine so realistische Krisenlage einfach ignoriert werden konnte. Dass im heutigen Kommunikationszeitalter alleine schon durch Falschinformationen eine solche Problematik ausgelöst werden könnte, dafür hätte es eigentlich nicht erst eines «Living Cases» bedurft. Und falls solche Szenarien doch durchgespielt wurden stellt sich die Frage, warum dann keine Instrumente vorlagen, um einer solchen Krise zu begegnen.
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Das CS-Debakel hat vor allem eines gezeigt: Der Schweizer Finanzplatz wird aktuell von zu vielen Akteuren gemanagt, die nichts oder zu wenig von Banking auf Weltniveau verstehen.
Das beginnt beim Bundesrat. In der Regierung sitzen aktuell ein Winzer (Parmelin), ein Arzt (Cassis), eine ehemalige Gemeindepräsidentin mit Anwaltspatent (Amherd), eine Sozialarbeiterin (Baume-Schneider), ein Politikwissenschafter mit Privatpilotenlizenz (Berset), ein studierter Bauer (Rösti) und eine Dolmetscherin (Keller-Sutter). Mit Verlaub: Das reicht einfach nicht für ein Land, das einen Top-Rang unter den internationalen Finanzmärkten bekleiden möchte.
Zum Vergleich: US-amerikanische Finanzministerin ist aktuell die studierte Wirtschaftswissenschafterin und frühere Zentralbankenpräsidentin Janet Yellen. In Grossbritannien wird das Finanzministerium vom früheren Unternehmensberater, Unternehmer und studierten Ökonom Jeremy Hunt geführt. Finanzminister auf dem ebenfalls bedeutenden Finanzplatz von Singapur ist mit Lawrence Wong ein studierter Ökonom mit mehreren Master-Abschlüssen, unter anderem in Harvard.
Wie soll da eine im Internationalen Banking kenntnisfreie Schweizer Regierung einen bedeutenden Finanzplatz umsichtig und vorausschauend managen können?
Nicht viel besser steht es aber auch um die Schweizerische Finanzmarktaufsicht FINMA. Sie ist im Wochenturnus in den Schlagzeilen, weil Skandale und Skandälchen zu oft ohne Folgen bleiben. Bei der CS konnte Verwaltungsratspräsident Urs Rohner jahrelang im Amt bleiben, obwohl eine Hiobsbotschaft die nächste jagte. Er hatte damit den Vertrauensverlust in Gang gesetzt, der schliesslich im Bankenrun von letzter Woche endete. Und die Aufsicht hatte jahrelang nichts getan. Noch vor kurzem hatte sie die offensichtlichen Falschaussagen von CS-Präsident Lehmann, die Abflüsse von Kundengeldern seien gestoppt worden, einfach durchgehen lassen. – Die FINMA wird sich herausreden, es würden ihr die Kompetenzen fehlen, um schärfer vorzugehen. Aber dann hätte sie mit wesentlich mehr Nachdruck darauf pochen müssen, von der Politik schärfere Instrumente zu erhalten.
Schliesslich die Schweizerische Nationalbank. Sie hat mit Thomas Jordan einen Verwalter an der Spitze, keinen Gestalter. Genau das wäre aber in Krisenlagen wie der gegeben nötig, um bessere Lösungen zu finden, als was sie offizielle Schweiz hier geliefert hat.
Der erzwungene Übernahme-Deal zwischen UBS und Credit Suisse durch den Bund stößt auf heftige Kritik und wirft viele Fragen auf. Die Umgehung der Aktionärsrechte und die plötzliche Preissteigerung deuten auf fragwürdige Machenschaften hin, die nicht im besten Interesse des Landes liegen könnten. Die Märkte reagieren entsprechend negativ, da die Zukunft der „Monsterbank“ und die Auswirkungen auf die Finanzlandschaft ungewiss bleiben.
Die Schweiz lässt mich oft an die Schildbürger denken. https://de.wikipedia.org/wiki/Schildb%C3%BCrger#Bekannte_Schildb%C3%BCrgerstreiche
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass in der Schweiz jeder macht, was er will, und Gesetze werden interpretiert, wie man es gerade braucht.
Zum Glück ist die Schweiz (und vor allem die Steuernzahlenden) reich genug, um alle diese Dillettanten zu sponsern. Die Frage ist nur: Wie lange noch?