Ruag-Skandal erschüttert Schweizer Politik – Armeechef und Geheimdienstchef treten zurück

Der Korruptionsskandal beim bundeseigenen Rüstungskonzern Ruag weitet sich aus. Millionenverluste, unkontrollierte Verschrottung von Armeematerial, mangelhafte Aufsicht und kriminelle Machenschaften haben das Vertrauen in die Schweizer Verteidigungspolitik massiv erschüttert. Nun gibt es erste hochrangige Rücktritte: Sowohl Armeechef Thomas Süssli als auch Nachrichtendienstchef Christian Dussey sind am Dienstag zurückgetreten.

Während Verteidigungsministerin Viola Amherd um Schadensbegrenzung bemüht ist, wächst der Druck auf sie und ihr Departement. Politiker fordern personelle Konsequenzen, eine umfassende Reform der Ruag und eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK), um die Vorgänge lückenlos aufzuklären. Ein Whistleblower hatte bereits 2019 gewarnt – doch die Hinweise wurden offenbar ignoriert.

Skandal mit politischer Sprengkraft: Millionen verschwunden, Kontrolle versagt

Wie das Zofinger Tagblatt berichtet, hat die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) in ihren jüngsten Berichten gravierende Mängel bei der Ruag festgestellt. Neben einem mutmasslichen Betrug in Millionenhöhe durch einen ehemaligen Kadermitarbeiter zeigen die Berichte gravierende Führungs- und Aufsichtsprobleme auf, die sich über Jahre hingezogen haben. „Das ist nicht nur ein Skandal, das ist ein Totalschaden für die Glaubwürdigkeit unseres Verteidigungssystems“, sagt FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen.

Laut den Schaffhauser Nachrichten sei die Führung der Ruag über Jahre instabil gewesen. Seit 2020 habe es fünf CEO-Wechsel gegeben, was eine wirksame Kontrolle verunmöglicht habe. Die chaotischen Strukturen begünstigten Betrug und Misswirtschaft, heisst es im Bericht der Finanzkontrolle. Besonders dramatisch: Die Ruag habe über Jahre 1140 Ersatzteile ohne Bewilligung der Armee verschrottet oder verkauft – darunter teure Komponenten für Panzer und andere Waffensysteme.

„Es war ein System der Intransparenz und des Wegschauens“, sagt ein anonymer Insider aus dem Verteidigungsdepartement. „Niemand wusste genau, was in den Lagern war und wohin das Material verschwand.“

Politisches Erdbeben: Armee- und Geheimdienstchef ziehen Konsequenzen

Nun hat der Skandal erste personelle Opfer gefordert: Armeechef Thomas Süssli und Geheimdienstchef Christian Dussey reichten am Dienstag ihren Rücktritt ein. „Ich habe das Vertrauen der politischen Führung und der Öffentlichkeit verloren. Es ist Zeit für einen Neuanfang“, sagte Süssli bei einer Pressekonferenz. Er übernehme die Verantwortung für Versäumnisse bei der Kontrolle von Armeelagern und Beschaffungsprozessen. Auch Geheimdienstchef Christian Dussey begründete seinen Rücktritt mit schweren Fehlern in seinem Verantwortungsbereich. „Wir haben Hinweise auf kriminelle Machenschaften erhalten, aber offenbar nicht entschieden genug reagiert. Das darf nicht passieren“, sagte Dussey. Laut der Neuen Zürcher Zeitung könnte der Rücktritt des Nachrichtendienstchefs darauf hindeuten, dass der Schweizer Nachrichtendienst schon früher über Unregelmäßigkeiten bei der Ruag informiert war, aber nicht angemessen gehandelt hat.

Die Reaktionen aus der Politik fallen heftig aus. „Das ist eine Bombe, die ins Herz unserer Verteidigungspolitik trifft“, sagt SP-Ständerätin Franziska Roth. Josef Dittli, FDP-Ständerat und Mitglied der Geschäftsprüfungskommission, spricht von einem „Totalversagen auf allen Ebenen“ und fordert eine „radikale personelle Erneuerung“ in der Ruag-Spitze und im Verteidigungsdepartement. SVP-Sicherheitspolitiker Werner Salzmann betont: „Es ist unglaublich, dass jemand jahrelang krumme Geschäfte machen konnte, ohne dass jemand genauer hingeschaut hat. Die Kontrollmechanismen haben völlig versagt. Laut Aargauer Zeitung werden in den nächsten Tagen Verantwortliche der Ruag vor das Parlament zitiert. „Wir erwarten klare Antworten und keine weiteren Ausflüchte“, sagt Nationalrat Beat Flach (GLP).

Was wusste Amherd? Verteidigungsministerin in der Kritik

Besonders brisant: Bereits 2019 hatte ein Whistleblower auf massive Korruption bei der Ruag hingewiesen. Doch das Verteidigungsdepartement unter Amherd hat offenbar nichts unternommen. „Es gab einen detaillierten Bericht über die Machenschaften eines Kaders, doch der Fall wurde intern abgebügelt“, berichtet das Toggenburger Tagblatt. Das Verteidigungsdepartement habe sich auf eine knappe Stellungnahme der Ruag verlassen, welche die Vorwürfe als „haltlos“ zurückwies.

Viola Amherd verteidigte sich in einer Stellungnahme: „Ich habe sofort nach Bekanntwerden der Unregelmässigkeiten eine Untersuchung eingeleitet. Ich werde dafür sorgen, dass alle Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden“. Doch Kritiker bleiben skeptisch. „Entweder wusste Amherd nichts – dann war sie naiv. Oder sie wusste es – dann ist es ein Skandal“, sagt Nationalrat Balthasar Glättli (Grüne).

„Die Ruag gehört abgeschafft“

Während bürgerliche Parteien eine Reform der Ruag fordern, gehen Armeegegner noch einen Schritt weiter. Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) fordert laut Bluewin.ch die sofortige Abschaffung der Ruag und ein Ende der Waffenexporte. „Die Ruag ist ein Fass ohne Boden, ein Sumpf von Korruption und Misswirtschaft. Sie gehört aufgelöst“, sagt GSsA-Sprecher Nicolas Eichenberger. Die Organisation fordert zudem eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK), um das ganze Ausmass des Skandals aufzudecken.

Der Ruag-Skandal hat sich von einer Unternehmensaffäre zu einer tiefen politischen Krise ausgeweitet. Der Rücktritt von zwei hochrangigen Sicherheitsverantwortlichen zeigt den Ernst der Lage.

Während Verteidigungsministerin Viola Amherd um ihr politisches Überleben kämpft, steht das gesamte Schweizer Verteidigungssystem unter massiver Kritik. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob das Vertrauen wiederhergestellt werden kann – oder ob weitere Rücktritte folgen.

Parlament fordert umfassende Aufarbeitung

Die Enthüllungen lösten parteiübergreifend Empörung aus. Josef Dittli, FDP-Ständerat und Mitglied der Geschäftsprüfungskommission, sprach von einem „Totalversagen“ auf allen Ebenen. Die Solothurner SP-Ständerätin Franziska Roth bezeichnete den Skandal als „eine Bombe, die hochgeht“.

Die Schaffhauser Nachrichten berichten, dass sich das Parlament in der kommenden Woche mit der Forderung nach einer Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) befassen wird. Eine solche Kommission hätte weitreichende Befugnisse, um sämtliche Dokumente und interne Kommunikation der Ruag und des Verteidigungsdepartements offen zu legen.

Laut der Aargauer Zeitung haben bereits mehrere Parteien signalisiert, dass sie eine komplette Neustrukturierung der Ruag fordern. Eine mögliche Option wäre die vollständige Reintegration der Ruag ins Verteidigungsdepartement, um eine direkte staatliche Kontrolle zu gewährleisten.

Amherd wehrt sich – aber reicht das?

Bundesrätin Viola Amherd sieht sich mit massiven Rücktrittsforderungen konfrontiert. Laut den Schaffhauser Nachrichten betonte sie jedoch, dass sie sofort nach Bekanntwerden der Unregelmäßigkeiten im Bereich der Panzerersatzteile eine Untersuchung eingeleitet habe.

Kritiker werfen ihr jedoch vor, bereits 2019 von den kriminellen Machenschaften bei der Ruag erfahren zu haben, den Hinweisen aber nicht ausreichend nachgegangen zu sein. „Man hätte den Hinweisen damals ernster nachgehen müssen. Dann hätte man wahrscheinlich vieles verhindern können“, so ein Experte der Finanzkontrolle.

Ein Bericht des Toggenburger Tagblatts enthüllt zudem, dass die Kommunikation zwischen der Ruag-Führung und dem Verteidigungsdepartement nach 2020 nicht mehr korrekt protokolliert wurde. Dies erschwert nun die Aufarbeitung der Affäre erheblich.

Armeegegner fordern drastische Massnahmen

Während das Parlament über Reformen bei der Ruag debattiert, geht die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) noch einen Schritt weiter. Die Organisation fordert laut Bluewin.ch nicht nur eine parlamentarische Untersuchungskommission, sondern auch einen sofortigen Stopp der Rüstungsexporte durch die Ruag.

Bei der Ruag herrscht kriminelle Energie, es fehlt an Führung und Kontrolle“, sagte eine Sprecherin der GSsA. Die Organisation fordert, die Ruag in ihrer jetzigen Form abzuschaffen und ihre Rüstungsproduktion zu stoppen.

Wie geht es nun weiter? Verschiedene Szenarien stehen zur Diskussion:

Neubesetzung wichtiger Ämter:

Mit dem Rücktritt von Armeechef Thomas Süssli und Nachrichtendienstchef Christian Dussey muss das Verteidigungsdepartement nun rasch Nachfolger finden.

Juristische Konsequenzen:

Die Ruag hat bereits mehrere Strafanzeigen gegen ehemalige Mitarbeitende eingereicht. Ob auch politische Akteure zur Verantwortung gezogen werden, bleibt abzuwarten.

Reform oder Auflösung der Ruag?

Während einige Parteien eine bessere Kontrolle und Reform der Ruag fordern, drängen andere auf eine umfassende Restrukturierung oder gar Auflösung des Unternehmens.

PUK oder keine PUK?

Ob es tatsächlich zu einer parlamentarischen Untersuchungskommission kommt, wird sich in den nächsten Wochen entscheiden.

Fazit: Krise mit unabsehbaren Folgen

Der Ruag-Skandal hat sich von einer Unternehmensaffäre zu einer tiefen politischen Krise ausgeweitet. Der Rücktritt von zwei hochrangigen Führungspersonen zeigt, wie gravierend die Auswirkungen sind.

Während Bundesrätin Viola Amherd um ihr politisches Überleben kämpft, steht das Vertrauen in das Verteidigungsdepartement auf dem Spiel. Die nächsten Wochen werden entscheidend sein, ob es zu strukturellen Veränderungen kommt – oder ob weitere Rücktritte folgen. Die politische Landschaft der Schweiz wird sich durch diesen Skandal nachhaltig verändern.

 (Titelbild: Wartung eines Super Puma in Emmen — © VBS-DDPS)

Ruag – eine Geschichte

voller Problemen und Krisen

Die Ruag ist der wichtigste Rüstungskonzern der Schweiz und erbringt essenzielle Leistungen für die Schweizer Armee sowie internationale Kunden. Das Unternehmen mit Sitz in Bern beschäftigt rund 2.800 Mitarbeiter und erwirtschaftete 2023 einen Umsatz von 741 Millionen Franken. Es ist zu 100 % im Besitz des Bundes und untersteht der Aufsicht des Verteidigungsdepartements (VBS).

Die Ruag ist in mehreren Bereichen tätig: Ein zentraler Bereich ist die Wartung und Instandhaltung von Schweizer Armee-Fahrzeugen, darunter Leopard-2-Panzer, Schützenpanzer und F/A-18-Kampfflugzeuge. Sie produziert zudem Kleinwaffenmunition, Artilleriegeschosse und Mörsergranaten für Polizei und Militär.

Darüber hinaus ist das Unternehmen in der Weltraumtechnik aktiv und stellt Strukturbauteile für Satelliten und Raketen her, unter anderem für das europäische Ariane-Programm. Auch im Bereich Cyber- und Kommunikationstechnologie ist die Ruag tätig und entwickelt verschlüsselte Kommunikationssysteme für das Schweizer Militär.

Neben der Schweiz ist das Unternehmen auch in Deutschland und Schweden mit Standorten vertreten und arbeitet mit internationalen Kunden, darunter NATO-Staaten und Airbus, zusammen.

Doch seit Jahren steht die Ruag wegen Korruptionsvorwürfen, Missmanagement und mangelnder Kontrolle in der Kritik. Immer wieder gab es Skandale um Betrug, Unterschlagung und fragwürdige Geschäfte, darunter ein illegaler Waffenexport nach Russland im Jahr 2016. Die Führung des Unternehmens war instabil, mit fünf CEO-Wechseln seit 2020, was effektive Kontrolle erschwerte.

Besonders gravierend ist, dass ein Whistleblower bereits 2019 auf kriminelle Machenschaften innerhalb der Ruag hinwies, diese Hinweise jedoch ignoriert wurden. Auch die Finanzkontrolle bemängelte wiederholt fehlende Transparenz in den Lagerbeständen, sodass über 1.100 Ersatzteile ohne Genehmigung verschrottet oder verkauft wurden.

Trotz ihrer zentralen Rolle für die Schweizer Armee bleibt die Ruag ein Dauer-Problemfall, und die aktuelle Krise wirft die Frage auf, ob das Unternehmen in seiner jetzigen Form noch tragbar ist.

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