Es ist ein weiterer völlig absurder Entscheid des Bundesrates. Letzte Woche hat das UVEK von Bundesrat Albert Rösti bekannt gegeben, dass Noch-Implenia-CEO André Wyss neuer Präsident der SBB werden soll – als Ablösung für Monika Ribar, bei der die (Dienst-)Altersguillotine zuschlägt. Die Personalie erschreckt nicht nur, weil Wyss als früherer Pharmamanager und heutiger Chef einer Baubude von Logistik und öffentlichem Verkehr so gar nichts versteht – gemäss Eigenaussage fährt er eher mit dem Auto zur Arbeit als mit dem ÖV.
Schlimmer: Implenia ist eine Auftragnehmerin der SBB und führt für die Bahnen jedes Jahr Bauaufträge in Millionenhöhe um. In den sechseinhalb Jahren bei Implenia sollen es CHF 550 Mio. gewesen sein, rechnet der SONNTAGSBLICK heute vor. Noch schlimmer: Wyss ist auch Aktionär der Implenia. 123’919 Implenia-Aktien besitze der CEO, schreibt Thomas Schlittler im SONNTAGSBLICK. Wert zum Zeitpunkt des Artikels: 4 Mio CHF. Und während Wyss als CEO der Implenia im nächsten Frühjahr zurücktreten wird: Das Aktienportfeuille will er gemäss der Zeitung behalten.
Mit anderen Worten: Wyss vergibt künftig als SBB-Präsident Aufträge an eine Baugesellschaft, an welcher er privat beteiligt ist. Auf die offensichtlichen Interessenskollisionen angesprochen, beeilen sich Sprecherinnen und Sprecher aller involvierten Stellen, die Probleme glattzubügeln. Wyss werde in den Ausstand treten, wenn Interessenskollisionen auftreten könnten, die SBB-Vergaberegeln seien so ausgefeilt, dass auch der VR-Präsident sie nicht einfach aushebeln könne, heisst es an anderer Stelle.
Das ist natürlich Bullshit.
Zum einen, weil die SBB alles andere als eine saubere Weste haben, wenn es um Good Governance geht. Vor kurzem erst kamen die Details über Ex Elvetino-Chef Wolfgang Winter ans Licht, als er sich vor dem Bezirksgericht Zürich verantworten musste. Die Liste der Anschuldigungen war lang: Privatreisen auf Geschäftskosten, Spesenreiterei, Lohnerhöhungen in die eigene Tasche. Die SBB hatten lange Zeit nichts bemerkt.
Zum zweiten, weil jeder weiss: Jede noch so ausgeklügelte Vergabe beruht am Ende auf Einschätzungen, Analysen und Bewertungen, die so oder anders ausfallen können. Dass die Angestellten beeinflusst sein könnten, wenn sie wissen, dass ihr oberster Chef ein Interesse an einem bestimmten Ausgang hat, liegt auf der Hand.
Bei Richtern wird verlangt, sie dürften auch nicht den Anschein der Befangenheit haben. Mit der Ernennung von Wyss setzen sich die SBB dem Risiko aus, dass künftig jeder Mitbewerber der Implenia, der in einer Ausschreibung unterliegt, behaupten wird, das Verfahren sei unsauber gelaufen und das Gremium befangen gewesen. Und die Implenia bevorzugt worden. Damit holen sich die SBB ein enormes Reputationsrisiko ins Haus.
Nachgerade peinlich ist dann noch, dass der Bundesrat die Personalie durchwinkt. Von einer Landesregierung, die diesen Namen verdient, müsste man erwarten können, bei obersten Personalentscheiden in Sachen Guter Unternehmensführung beispielhaft zu agieren und von Wyss entweder zu verlangen, dass er seine Implenia-Beteiligung abstösst, oder einen anderen Kandidaten einzusetzen. Die fehlende Sensibilität des Bundesrates ist schockierend, seine Glaubwürdigkeit im Thema «Good Governance» zerstört. Da brauchen sich die sieben Magistraten nicht mehr wundern, wenn sie – z.B. von den Bankern – nurmehr ausgelacht werden, wenn sie irgendwelche moralisch-ethischen Überlegungen zur Unternehmensführung anmahnen wollen.