Fragezeichen hinter Swiss-Untersuchung

Haben die österreichischen Behörden bei der Untersuchung des Swiss-Unglücks in Graz geschlampt? Diesen Vorwurf erhebt der TAGESANZEIGER in seiner Samstagsausgabe (hinter Bezahlschranke).

Flug LX1885, durchgeführt mit einem Airbus A220 der Swiss, auf dem Weg von Bukarest/Rumänien nach Zürich, musste am 23. Dezember 2024 in Graz notlanden. Grund: In der Kabine hatte es dichten Rauch, offenbar aufgrund eines Triebwerkdefekts. Durch die «Pressluft», also Kabinenluft, die von den Triebwerken angesaugt und ins Innere der Maschine geleitet wird, wurde der Rauch aus dem defekten Triebwerk in die Kabine geleitet. – Mutmasslich zumindest, denn eine andere Erklärung bietet sich aktuell nicht an. Die Untersuchung ist nicht abgeschlossen.

Zwölf Personen mussten nach der Notlandung in Graz in Spitalpflege verbracht werden, darunter auch ein 23-jähriger Flugbegleiter, der bewusstlos geworden war. Der Mann starb eine Woche später; sein Hirn war zu lange mit Sauerstoff unterversorgt gewesen.

Offenbar hatte er eine der Masken getragen, die speziell für die Crewmitglieder mitgeführt werden, um bei einem solchen Notfall weiterhin arbeiten zu können. Bereits bekannt ist, dass die Swiss aufgrund von festgestellten Mängeln dabei war, das bislang eingesetzte «Protective Breathing Equipment» (PBE) auf der ganzen Flotte auszuwechseln. Der betroffene Airbus A220 war allerdings noch mit den alten Masken unterwegs gewesen.

Schludrige Untersuchung?

Der TAGESANZEIGER führt in seiner Berichterstattung verschiedene Indizien auf, dass bei der Untersuchung des Vorgangs womöglich schludrig gearbeitet worden sei. Untersucht wird der Vorgang einerseits von der Staatsanwaltschaft in Graz, andererseits von der österreichischen Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes (SUB) – dem Pendant zur Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (SUST).

Der Hauptvorwurf betrifft prompt die fraglichen Masken: Der Untersuchungsleiter der SUB habe diese nicht persönlich oder durch Mitarbeiter der SUB konfisziert, sondern die Aufgabe einem Flughafenmitarbeiter in Graz übertragen. Dieser sollte die zum Auto es Untersuchungsleiters bringen. Der Flughafenmitarbeiter habe die fünf Masken dann eingesammelt und in einem Abfallsack zum Untersuchungsleiter gebracht.

Die Masken seien dann auch erst eine Woche später, und erst auf Druck der Staatsanwaltschaft in Graz, zu einer kriminaltechnischen Untersuchung gegeben worden. So soll es gemäss TAGESANZEIGER in einer Strafanzeige gegen die SUB stehen, die von der Wiener Anwaltskanzlei List Rechtsanwalts GmbH gegen die SUB eingereicht worden sei. In dieser würden der SUB Straftatbestände vorgeworfen wie «mutmassliche Korruption, Behinderung der Justiz sowie allfällige weitere Tatbestände wie Unterdrückung von Beweismitteln, Begünstigung oder Missbrauch der Amtsgewalt».

Tatsächlich ist das Vorgehen der SUB eine Einladung an die spätere Verteidigung: Sollte es z.B. je zu einem Prozess kommen gegen die Swiss, weil sie ihrer Fürsorgepflicht gegen den Mitarbeiter mit einer nicht funktionstüchtigen Maske nicht nachgekommen sei, wäre es für die Verteidigung ein leichtes, zu behaupten, die Maske sei erst beim unsachgemässen Transport durch einen nicht autorisierten Mitarbeiter des Flughafens kaputt gegangen und falle deshalb als Beweismittel ausser Betracht.

Weitere Vorwürfe

Die SUB treffen aber auch weitere Vorwürfe. So insinuiert der TAGESANZEIGER, der Vorfall sei zunächst heruntergespielt worden. Gemäss der Zeitung hätte die Notlandung aufgrund der Tatsache, dass es dabei Schwerverletzte gab (wie den bewusstlosen Flugbegleiter), sofort als «Unfall» klassifiziert werden müssen. Mit der Folge, dass von der SUB unverzüglich eine umfassende Untersuchung hätte eingeleitet und ihre Pendents in den Ländern der Fluggesellschaft (Schweiz), des Flugzeugherstellers (Frankreich) und des Triebwerksherstellers (USA) hätten informiert werden müssen.

Letzteres sei, so der TAGESANZEIGER, aber erst sieben Tage später erfolgt – nach dem Tod des Swiss-Mitarbeiters. Die SUB weist diesen Vorwurf allerdings zurück. Die Anwaltskanzlei List vermutet, die SUB hätte bis dahin wohl versucht, den Vorfall lediglich als «Störung» zu taxieren.

Kritisiert wird schliesslich, der Untersuchungsleiter der SUB sei bis zum 30. Dezember nicht oder nur schwer zu erreichen gewesen. Bei der Swiss habe sich der Eindruck verfestigt, der Ermittler sei in den Weihnachtsferien gewesen. Auch das weist die SUB allerdings zurück und wird im TAGESANZEIGER mit dem Satz zitiert: «Der Untersuchungsleiter war jedenfalls im Rahmen seiner Dienstzeit erreichbar und stand mit Beteiligten per E-Mail und auch telefonisch in Kontakt.»

Schlechter Ruf

Die österreichische Sicherheitsuntersuchungsstelle kommt nicht zum ersten Mal unter Druck. Die Rechtsanwaltskanzlei List vertritt bei ihrer Anzeige zehn Mandanten, die allerdings auf einen anderen Vorgang zurückgehen: Am 9. Juni 2024 war Flug OS434 der Austrian Airlines aus Palma de Mallorca kurz vor der Landung in Wien in eine Gewitterzone mit Hagelschlag geflogen. Das Flugzeug wurde massiv beschädigt, der Fall in den österreichischen Medien ein grosses und kontroverses Thema: Es wurde heftig diskutiert, ob der Vorfall nicht hätte vermieden werden können, zudem stellte sich heraus, dass zum entscheidenden Zeitpunkt der Flugkapitän auf der Bordtoilette war. Der Austrian wurde zudem vorgeworfen, Dokumente manipuliert zu haben.

Auch in diesem Fall hatte die SUB den Fall heruntergespielt und lediglich als «Störung» klassifiziert – Fachleute sollen monieren, es habe sich auf jeden Fall um eine «schwere Störung» gehandelt. Über die Herausgabe der Flugdatenschreiber an die Staatsanwaltschaft wird offenbar bis heute gestritten.

Die Rechtsanwaltskanzlei List wird im TAGESANZEIGER damit zitiert, es gehe den Mandanten nicht um finanzielle Ansprüche, sondern lediglich um eine saubere Aufklärung des Vorgangs. Die SUB schreibt auch zum Hagelvorfall, die Anschuldigungen seien völlig aus der Luft gegriffen.

Ob die Strafanzeige da Licht ins Dunkel bringen wird? Der Anzeichen, dass die österreichische Regierung gut beraten wäre, Prozesse und Aufbauorganisation der SUB genauer anzuschauen, gibt es auf jeden Fall viele. Schon vor einem Jahr hatte der österreichische Rechnungshof die SUB unter die Lupe genommen und in seinem öffentlich einsehbaren Bericht fünf zentrale Empfehlungen zur Verbesserung der SUB abgegeben. Der Bericht wurde erstellt, weil schon davor immer wieder Kritik an den Unfallermittlern laut geworden war.

 

(Symbol-Titelbild: Screenshot SRF)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert