Senta Cottinelli, eine der bekanntesten Bildungsanwältinnen der Schweiz, hat in den letzten Jahren zahlreiche aufsehenerregende Schulrechtsfälle begleitet. Wie der TAGESANZEIGER berichtet, war ihr früh klar, dass sie ein Talent für Verhandlungen hat – bereits in der Schule konnte sie erfolgreich über eine Sportnote feilschen. Heute setzt sie sich professionell für Schülerinnen, Schüler und Studierende ein, die sich von Bildungsinstitutionen benachteiligt fühlen.
Einige ihrer bekanntesten Fälle umfassen die abgesagte Wiederholung einer eidgenössischen Berufsprüfung, nachdem Musterlösungen auf einer Toilette gefunden wurden, sowie den umstrittenen Fall eines Schülers aus Bülach, der durch einen einzigen zusätzlichen Punkt doch noch ans Gymnasium übertreten konnte. Besonders mediale Aufmerksamkeit erhielt Cottinelli durch die sogenannte Plagiatsaffäre an der Universität St. Gallen, in der sie Doktoranden unterstützte, die Plagiatsfälle bei Professoren aufdeckten – was letztlich zur Entlassung zweier Lehrpersonen führte.
Gerichtsstreitigkeiten im Bildungsbereich nehmen zu
Wie der TAGESANZEIGER weiter ausführt, zeigt sich in vielen Kantonen eine Zunahme von Rekursen gegen schulische Entscheide. Während Zürich im vergangenen Jahr fast 290 Beschwerden verzeichnete, waren es in St. Gallen 126, in Luzern 108 und in Bern 100. Diese Zunahme ist nicht nur auf ehrgeizige Eltern zurückzuführen, sondern auch auf eine verstärkte Nutzung von Rechtsschutzversicherungen. Diese decken mittlerweile auch Schulrechtsfälle ab, was Eltern ermutigt, den juristischen Weg zu beschreiten.
Nicht alle Beschwerden enden jedoch vor Gericht. Die meisten Streitigkeiten werden außergerichtlich beigelegt, doch einige Fälle ziehen sich über Jahre. Ein Beispiel ist der Fall eines Zuger Schülers, der mit seinen Eltern bis vor Bundesgericht klagte, nachdem er aus dem Gymnasium ausgeschlossen wurde – das höchste Gericht wies die Beschwerde schliesslich ab.
„Ein Rekurs kann Wunder wirken“
Senta Cottinelli sieht ihre Arbeit nicht nur als juristische Dienstleistung, sondern als wichtigen Beitrag zu mehr Gerechtigkeit im Bildungssystem. Laut dem TAGESANZEIGER betont sie, dass nicht alle Prüfungen und Entscheidungen an Schulen und Universitäten fehlerfrei sind. Neben engagierten Lehrpersonen und Schulleitungen gebe es auch inkompetente und nachlässige Entscheidungsträger. Gerade in solchen Fällen könne ein Rekurs eine bedeutende Verbesserung für betroffene Schüler oder Studierende bringen.
Während Kritiker argumentieren, dass wohlhabende Eltern sich durch Anwälte einen schulischen Vorteil für ihre Kinder erkaufen könnten, weist Cottinelli darauf hin, dass juristische Erfolge nur dann erzielt werden, wenn tatsächlich Fehler nachgewiesen werden können. Dennoch erkennt sie an, dass fachkundige Unterstützung bei der Suche nach Fehlern einen entscheidenden Vorteil darstellt.
Auch wenn viele Eltern sie konsultieren, um für ihre Kinder bessere Schulentscheide zu erwirken, ist Cottinelli bekannt dafür, ihnen keine falschen Hoffnungen zu machen. Falls ein Schüler objektiv nicht ins Gymnasium gehört, kommuniziert sie dies offen. Ihr Fokus liegt darauf, realistische Erfolgschancen abzuwägen und Eltern gegebenenfalls von aussichtslosen Verfahren abzuraten.
Herausforderungen
Ein entscheidender Faktor für die zunehmende Zahl an Schulrechtsfällen ist der gesellschaftliche Wandel. Die Erwartungen an das Bildungssystem steigen, und Eltern sowie Studierende sind besser informiert als je zuvor. Gleichzeitig spielen auch neue Herausforderungen wie der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in Prüfungen eine Rolle. Universitäten und Schulen müssen zunehmend klare Regeln formulieren, um Missbrauch zu verhindern. Cottinelli hat bereits mehrere Fälle betreut, in denen Studierende wegen unerlaubter Nutzung von KI-Technologien belangt wurden.
Ein weiteres Thema, das in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen dürfte, ist die Inklusion im Bildungssystem. Besonders Eltern von Kindern mit besonderen Bedürfnissen sehen sich oft mit Widerständen konfrontiert, wenn sie für eine angemessene schulische Unterstützung kämpfen. Rechtsschutzversicherungen spielen auch hier eine wachsende Rolle, da sie es betroffenen Familien erleichtern, gegen unfaire Entscheidungen vorzugehen.
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Der Fall Senta Cottinelli zeigt, dass das schweizerische Bildungssystem zunehmend juristisch herausgefordert wird. Während die einen kritisieren, dass die Ressourcen der Justiz für Streitigkeiten um Noten und Schulentscheide eingesetzt werden, sehen andere darin einen wichtigen Mechanismus zur Wahrung der Chancengleichheit. Die steigende Zahl der Klagen zeigt, dass viele Eltern und Schülerinnen und Schüler nicht bereit sind, schulische Entscheidungen einfach so hinzunehmen – seien es Fehler in der Benotung oder fragwürdige Praktiken in Bildungseinrichtungen. Ob in Zukunft noch mehr Schulrechtsfälle die Gerichte beschäftigen werden, bleibt abzuwarten. Es bedarf aber nicht der Fähigkeiten eines Nostradamus, dass dies der Fall sein wird. Klar ist aber, dass Anwältinnen wie Senta Cottinelli dabei eine Schlüsselrolle spielen werden, indem sie die Bildungsinstitutionen in die Pflicht nehmen und den Schülerinnen und Schülern eine rechtliche Stimme geben. Gleichzeitig müssen sich Schulen und Universitäten weiterentwickeln, um den neuen Herausforderungen gerecht zu werden und Transparenz und Fairness in Bildungsentscheidungen zu gewährleisten. Nicht zu unterschätzen sind auch die in die Höhe schnellenden Rechtskosten, die in Zukunft noch vermehrter auf die Schulen und damit auch
(Titelbild zvg: Foto: Rahel Zuber/https://rahelzuber.com/ )