Etwa 1000 Osteopathinnen und Osteopathen in der Deutschschweiz sehen sich mit einer existenziellen Herausforderung konfrontiert: Obwohl sie seit Jahren erfolgreich in ihren eigenen Praxen praktizieren, sehen sie sich plötzlich mit dem Aus ihrer Profession konfrontiert. Grund dafür ist ein komplexer Anerkennungsprozess, der sich um die Frage dreht, wer befugt ist, Diplome und Weiterbildungen von Osteopathen zu anerkennen und welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen. Vor allem Fachkräfte mit ausländischen Ausbildungen sehen sich mit einer ungewissen Zukunft konfrontiert. Im Schussfeld der Kritik: Das Schweizer Rote Kreuz SRK.
Warum ist das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) schon wieder ins Fadenkreuz der Kritik geraten? Schliesslich ist es die zuständige Stelle für die Diplomanerkennung der Osteopathen. Denn im Auftrag des Bundes prüft das SRK, ob osteopathische Ausbildungen im Ausland der Schweizer Ausbildung entsprechen. Laut Betroffenen gestaltet sich dieser Prozess aber ungenau, langsam und in vielen Fällen unverhältnismässig streng. Das führt dazu, dass selbst langjährig tätige Osteopathinnen und Osteopathen, die bereits 10 oder 15 Jahre in der Schweiz gearbeitet haben, um ihre berufliche Existenz fürchten müssen.
Zudem wird dem SRK vorgeworfen, wie ein Kartell die Inhaberinnen und Inhaber bereits anerkannter Diplome zu schützen und die Gruppe der osteopathischen Fachkräfte klein zu halten. Kritiker argumentieren, dass das SRK in seiner Rolle die gesetzlich vorgesehene Aufsicht nicht nur mangelhaft umsetzt, sondern dass die eigentliche Aufgabe – nämlich die Aufsicht über den Berufsstand – vom Gesetzgeber bewusst an eine dritte Organisation ausgelagert wurde. Insidern zufolge haben der Bund und die Kantone haben gemäss Insidern kein Interesse, diese Aufgabe selber wahrzunehmen. Die Frage drängt sich auf: Warum überlässt man die Aufsicht einer privatrechtlichen Organisation, anstatt klare, staatliche Strukturen zu schaffen?
Unser Artikel beleuchtet die Hintergründe der Problematik, zeigt Verstösse gegen die bilateralen Abkommen mit der EU auf und geht auf Urteile des Bundesgerichtentscheide zum Thema ein. Das oberste Gericht der Schweiz hat in mehreren Fällen Klärung verlangt, aber die Kantone, der Bund und vor allem die zuständigen Organisationen zögern, diese Urteile umzusetzen. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die generelle Frage der „Kartelle“ im Schweizer Gesundheitswesen. Es werden zudem Beispiele aufgeführt, in denen schweizerische Berufs- und Branchenverbände restriktive Zulassungs- und Anerkennungsregelungen praktiziert haben (und zum Teil noch praktizieren).
Osteopathie in der Schweiz
Osteopathie hat sich in der Schweiz fest etabliert. Viele Krankenkassen übernehmen osteopathische Behandlungen im Rahmen ihrer Zusatzversicherungen oder sogar in der Grundversicherung, unter bestimmten Voraussetzungen auch in der Grundversicherung. Die Osteopathie ist eine sanfte, ganzheitliche Methode, insbesondere zur Prävention und Behandlung von muskuloskelettalen Beschwerden.
Die wachsende Nachfrage führte jedoch schnell zu einer Regulierungsdebatte: Wer darf sich Osteopath nennen? Welche Ausbildungsstandards müssen dafür erfüllt sein, und wie kann die Qualität der Behandlungen sichergestellt werden? In dieser Spannungsfeld spielt das Schweizerische Rote Kreuz seit Jahren eine zentrale Rolle. In Absprache mit dem Bundesamt für Gesundheit BAG bzw. auf gesetzlicher Grundlage ist es als Anerkennungsstelle für ausländische Diplome tätig. Das SRK handelt dabei im Auftrag des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation SBFI.
Statt Rechtssicherheit zu schaffen, scheint diese Konstellation jedoch zu einer Vielzahl von Unklarheiten geführt zu haben. Verschiedentlich wird kritisierte Stimmen kritisieren, dass das SRK intransparent vorgehe und sehr hohe Anforderungen an die nachträgliche Anerkennung von Diplomen aus dem EU-Raum stelle – Anforderungen, die oft weit über das hinausgehen, was im Herkunftsland verlangt wird. Diese Anforderungen sind für Praktikerinnen und Praktiker, die zum Teil seit mehr als einem Jahrzehnt erfolgreich in der Schweiz tätig sind , kaum erfüllbar.
Die Rolle des Gesetzgebers: Auslagerung statt Verantwortung?
Es ist Aufgabe des Gesetzgebers – also des Bundes und der Kantone –, eine kohärente und transparente Berufsaufsicht zu schaffen. Dies ist in vielen Gesundheitsberufen der Fall. Für Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, Pflegefachpersonen und Physiotherapeuten gelten je nach Kanton und Berufsverband unterschiedliche Regelungen. Diese sind in (kantonalen) Gesundheitsgesetzen und in Bundesgesetzen (z.B. Medizinalberufe-Gesetz, MedBG, GesBG) festgehalten. Die kantonalen Gesundheitsbehörden regeln dabei die Zulassung und Beaufsichtigung.
Für die Osteopathie wurde die Zuständigkeit für die Diplomanerkennung jedoch an das SRK delegiert. Das SRK hat formell nur die Aufgabe zu prüfen, ob ein im Ausland erworbenes Diplom mit den schweizerischen Ausbildungsinhalten gleichwertig ist. Die Schweiz hat bereits Erfahrung mit der Übertragung staatlicher Aufgaben an private Institutionen, z.B. bei den Prüfungen verschiedener Berufsverbände oder bei den Zulassungsbedingungen von Fachgesellschaften.
Der Kern des Problems: Kritiker weisen zu Recht darauf hin, dass es keine wirksame staatliche Kontrolle darüber darüber gibt, wie das SRK im Einzelfall prüft und ob dabei alle geltenden Gesetze – insbesondere auch die internationalen Abkommen mit der EU – eingehalten werden. Das SRK ist zwar an Richtlinien und Vorgaben gebunden, doch in der konkreten Umsetzung gibt es jedoch Fälle geben, in denen hochqualifizierten Fachkräften unverhältnismässige Auflagen gemacht werden. Zudem wird zu wenig berücksichtigt, dass die betroffenen Osteopathinnen und Osteopathen seit langem in der Schweiz tätig sind und damit ihre Qualifikation faktisch unter Beweis gestellt haben.
SRK: Kartellbildung und Intransparenz
Die stärkste Kritik am SRK ist, dass es die bereits anerkannte Gruppe der Osteopathen weitgehend schützt. Es steht der Vorwurf im Raum, ein „Quasi-Kartell“ zu bilden, indem man neue bzw. alternative Qualifizierungswege blockiert oder extrem erschwert werden. Die Kritiker bedienen sich dabei folgender Argumentationslinien:
- Strenge Weiterbildungsauflagen: Personen mit ausländischem Diplom müssen umfangreiche und teure Weiterbildungen nachweisen – unabhängig davon, ob sie seit Jahren oder gar Jahrzehnten in der Schweiz praktizieren und eine einwandfreie Praxisführung nachweisen können. Diese Auflagen sind mit einem hohen Kosten- und Zeitaufwand verbunden und verhindern eine rasche Anerkennung. So werden beispielsweise Diplome aus Deutschland, Österreich, den Niederlanden oder Belgien vom SRK gar nicht erst zur Weiterbildung zugelassen.
- Mangelndes Interesse an ausländischen Fachkräften: Einer der beiden grossen Verbände will keine neuen Osteopathen auf den Markt lassen. Denn mehr Konkurrenz könnte das Honorar- und Kundenvolumen reduzieren. Osteopathen, die dem anerkannten Verband angehören, unterliegen zudem einer gewissen Marktschutzlogik. Wer einmal im System ist, profitiert von einem geringerenAngebot an Fachkräften und kann so seine Einkommen steigern.
- Röstigraben: Hinzu kommt, dass der Westschweizer Markt weitgehend mit Osteopathen gesättigt ist, viele davon aus Frankreich, deren Diplome das SRK aus rechtlichen Gründen nicht blockieren kann. Ganz anders die Situation in der Deutschschweiz, wo das Versorgungsnetz deutlich geringer ist.
Die Kritiker stellen klar: Diese beiden Aspekte fügen sich zu einem Bild, in dem eine staatliche Aufgabe (Anerkennung und Aufsicht) an einen Akteur delegiert wird, der aufgrund seiner strukturellen Nähe zur bestehenden Osteopathenlobby kaum neutrale Entscheidungen trifft. Das SRK betont zwar nach aussen, dass es nach den Richtlinien und zum Wohle der Patientinnen und Patienten handelt. Zahlreiche Praktikerinnen und Praktiker, die sich mit ihren Fällen an Inside-Justiz, andere Medien und Rechtsinstanzen wandten, berichten von enormen Hürden – Hürden, die sie als „absurd“, „astronomisch“ und „nicht zielführend“ bezeichnen.
Die unzureichende Umsetzung
Das Bundesgericht hat sich bereits mehrfach mit dieser Problematik befasst. Die von Inside Justiz ausgewerteten Urteile befassen sich alle mit der Frage, wie ausländische Diplome auf ihre Gleichwertigkeit mit schweizerischen Ausbildungen zu prüfen sind.
Im Zentrum steht die Frage, ob die Schweiz mit ihrer restriktiven Anerkennungspraxis gegen das Freizügigkeitsabkommen mit der EU beziehungsweise gegen die bilateralen Verträge verstösst. Dazu gibt es ein Gutachten, dass die Vereinigung akademischer OsteopathInnen VaOS in Auftrag geben hat. Es wurde von Dr. Astrid Epiney LL.M erstellt. Sie ist Professorin für Völkerrecht, Europarecht und schweizerisches öffentliches Recht an der Universität Freiburg und geschäftsführende Direktorin des Instituts für Europarecht. Das Gutachten trägt den Titel „Zur Reichweite der Pflicht zur Prüfung der Gleichwertigkeit ausländischer Diplome“ und kommt zum eindeutigen Schluss, dass die Schweiz verpflichtet ist, die individuelle Qualifikation von Bewerberinnen und Bewerbern zu berücksichtigen und nicht pauschal hohe Weiterbildungsstunden vorzuschreiben, wenn bereits genügend Berufserfahrung und Fachkenntnisse nachgewiesen wurden.
Wesentliche Punkte aus den Bundesgerichtsurteilen:
- Individuelle Bewertung: Das Bundesgericht hat unmissverständlich klargestellt, dass bei der Anerkennung ausländischer Diplome nicht nur auf formale Abschlüsse abgestellt werden darf. Es ist vielmehr zwingend auf die tatsächliche Qualifikation und Berufserfahrung abzustellenzu achten.
- Verhältnismässigkeit: Die geforderte Nachqualifikationen oder Prüfungen müssen zwingend in einem angemessenen Verhältnis zum Ausbildungsdefizit stehen. Eine mehrjährige Berufspraxis in der Schweiz darf keinesfalls ignoriert werden.
- Rechtsanspruch auf korrekte Umsetzung: Die Osteopathinnen und Osteopathen haben einen Anspruch darauf, dass die zuständigen Behörden – und damit auch das SRK – diese Grundsätze einhalten.
Die Umsetzung dieser Urteile in der Praxis erfolgt nicht wie vorgesehen. Es wird vermutet, dass Bund und Kantone die Verantwortung beim SRK belassen wollen, da eine Übernahme der Anerkennung und Aufsicht mit einem erheblichen personellen und finanziellen Aufwand verbunden wäre.
Warum das Problem bislang nicht gelöst wurde
Die Zuständigkeiten im Gesundheitswesen sind klar geregelt: Die Schweiz ist in verschiedene Kantone aufgeteilt, die für ihre eigenen Gesundheitsfragen zuständig sind. Der Bund erlässt übergeordnete Gesetze, aber die Details sind Sache der Kantone. Im Bereich der Osteopathie gibt es deshalb unterschiedliche Regelungen, weil die Kantone unterschiedlich vorgehen. Die Delegation an das SRK ist deshalb die pragmatischste Lösung: Die Kantone sparen Ressourcen, indem sie diese Aufgabe auslagern.
Das Problem liegt auf der Hand: Es gibt keine übergeordnete Instanz, die kontrolliert, ob das SRK alle Vorgaben korrekt umsetzt. Betroffenen können zwar vor Gericht gehen, doch das ist teuer und langwierig. Die Bundesgerichtsentscheide zeigen, dass gewisse Aspekte der Praxis des SRK kritisiert wurden. Die Vollzugsbehörden haben aber bisher keine konsequenten Verbesserungen vorgenommen.
Die Rolle der Krankenkasse CSS und der Blick in die Zukunft
Die Frage, inwieweit die Krankenkassen die Leistungen der Osteopathen weiterhin anerkennen und vergüten, ist ein entscheidender Teilaspekt. Die CSS, eine der grössten Schweizer Krankenversicherungen, hat sich entschieden, osteopathische Leistungen bis auf Weiteres auch von Praktizierenden zu vergüten, die noch nicht (oder nicht vollständig) über ein anerkanntes Diplom verfügen, sofern sie ihre Praxisausübungsbewilligung vorweisen können. Dies gilt für die ganze Schweiz.
Die Tatsache, dass selbst innerhalb der Versicherungsbranche unterschiedliche Auffassungen über die Umsetzung der Diplomanerkennung bestehen, zeigt, dass es hier deutliche Differenzen gibt. Die CSS sendet damit ein klares Signal an andere Kantone und Versicherer, dass sie an der Versorgung durch qualifizierte Osteopathen festhalten will. Gleichzeitig macht dieser Schritt unmissverständlich klar, dass die Rechtslage keineswegs eindeutig ist – sonst gäbe es eine schweizweit, einheitliche Regelung.
Was sagen die drei Bundesgerichtsurteile im Kern – und warum werden sie nicht umgesetzt?
An dieser Stelle lohnt ein kurzer genauerer Blick auf die Kernaussagen der drei Bundesgerichtsurteile:
Urteil Bundesverwaltungsgericht B-2844/2020 vom 18. März 2022 (Richterin Mia Fuchs (Vorsitz), Richter Daniel Willisegger, Richter Pascal Richard, Gerichtsschreiberin Anna Wildt):
Der Fall betraf einen Osteopathen, der sein Diplom in der EU erworben hatte und bereits mehrere Jahre in der Schweiz tätig war. Das Bundesgericht stellte unmissverständlich fest, dass der Betroffene aufgrund seiner praktischen Erfahrung und seiner Zusatzausbildungen einen Anspruch auf Anerkennung hat. Das SRK darf nicht einfach eine bestimmte Stundenzahl oder einen bestimmten Inhalt verlangen, ohne eine individuelle Prüfung vorgenommen zu haben. Und hier beginnt einer der vielen Skandale in diesem Thema. Der beschriebene Fall ging zurück ans SRK, das nach über einem Jahr Wartezeit erneut einen ablehnenden Entscheid fällte. Der Fall ist erneut vor Bundesverwaltungsgericht hängig. Das Verfahren läuft nun schon fünf Jahre.
Urteil Bundesgericht BGer 2C_584/2015 vom 23.11.2015 (Bundesrichter Andreas Zünd, Präsident, Bundesrichter Hans Georg Seiler, Yves Donzallaz, Thomas Stadelmann, Stephan Haag, Gerichtsschreiber Martin Kocher):
In diesem Fall hat das SRK mehreren ausländischen Diplominhabern eine massive Nachschulung auferlegt. Das Gericht bezeichnete die geforderte Ausbildungsdauer als unverhältnismässig und verwies auf das Freizügigkeitsabkommen mit der EU verwiesen. Die Anerkennung darf nicht verweigert werden.
Urteil Bundesverwaltungsgericht B-4052/2023 vom 19. September2024: (Pascal Richard (président du collège), Daniel Willisegger, Eva Schneeberger, juges, Aurélien Stettler, greffier.):
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts beschäftigt sich mit der Prüfung von ausländischen Diplomen, die bereits einmal Gegenstand eines Anerkennungsverfahrens waren. Die Beschwerdeführerin, Inhaberin eines englischen Mastertitels in Osteopathie, ist durch die frühere, interkantonale Anpassungsprüfung bereits dreimal gefallen. Ein paar Jahre später stellte sie ein neues Anerkennungsgesuch beim SRK, diesmal nach den Regeln des Gesundheitsberufegesetzes (GesGB). Das SRK hat ein Nichteintreten mit der Begründung abgelehnt, dass ein früherer Misserfolg bei der Anpassungsprüfung eine erneute Anerkennung ausschliesse. Das Bundesverwaltungsgericht hat das jedoch nicht akzeptiert und festgestellt, dass das Nichteintreten das rechtliche Gehör verletzt, weil das SRK Änderungen im Sachverhalt seit dem ersten Anlauf der Beschwerdeführerin bei der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) nicht berücksichtigt hat.
Das Gericht hat unmissverständlich klargemacht, dass ein Anerkennungsgesuch als Wiedererwägungsgesuch zu behandeln ist. Es muss geprüft werden, ob die zwischenzeitlich erworbene Berufserfahrung und Weiterbildung als Ausgleich für etwaige Ausbildungsdefizite genügt. Das BVGer kritisierte die widersprüchliche Praxis des SRK massiv. Das SRK übe „une pratique à géométrie variable“ aus, in vergleichbaren Fällen trete es teils auf Gesuche ein und teils nicht, ohne Begründung für die ungleiche Behandlung. Hier griff das Bundesgericht ergänzend auf ein Gutachten zurück, das die „Reichweite der Pflicht zur Prüfung der Gleichwertigkeit ausländischer Diplome“ näher beleuchtet. Das SRK muss detailliert begründen, weshalb es bestimmte Bedingungen auferlegt. Pauschale und unflexible Standards sind unzulässig, insbesondere wenn der jeweilige Kandidat tatsächlich bereits alle erforderlichen Kompetenzen nachweisen kann.
Warum wird es nicht umgesetzt?
Die Antwort ist klar: Bürokratische Trägheit und fehlende personelle Ressourcen beim SRK spielen eine Rolle. Die Kantone üben nur wenig Druck auf das SRK aus, da sie bisher von diesem Auslagerungsmodell profitieren. Ein weiterer Punkt ist ein Interessenkonflikt innerhalb der osteopathischen Berufsverbände selbst. Ein kontrolliertes Zulassungsverfahren verhindert eine plötzliche Flut neuer Osteopathen. Das ist eine Situation, von der die bereits praktizierenden Fachkräfte profitieren.
Forderungen von Betroffenen
Die Botschaft der betroffenen Osteopathinnen und Osteopathen ist klar: Es braucht einheitliche und faire Regeln für die Anerkennung ausländischer Diplome. Diese müssen auf dem Niveau der Schweizer Ausbildung entsprechen, aber nicht zu unverhältnismässigen Hürden führen. Eine transparente und faire Überprüfung muss staatlich kontrolliert und nicht an das SRK delegiert werden.
Bund, Kantone und allenfalls die parlamentarischen Gremien, die entsprechende Gesetze oder Verordnungen erlassen, sind in der Pflicht. Eine Möglichkeit wäre, die Diplomanerkennung direkt bei einer nationalen Stelle anzusiedeln – zum Beispiel beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) oder einer ähnlich gelagerten Institution wie das SBFI. Damit hätten die Betroffenen eine klarere rechtliche Grundlage und könnten ihre Rechte leichter durchsetzen.
Kartelle im Schweizer Gesundheitssystem: Keine Einzelfälle
Die Diskussion um die Diplomanerkennung für Osteopathinnen und Osteopathen ist Teil einer kontinuierlichen Entwicklung. In verschiedenen Bereichen des Schweizer Gesundheitswesens werden immer wieder Vorwürfe der „Kartellbildung“laut. So gab es beispielsweise in der Vergangenheit:
- Diskussionen um die Zulassungsbeschränkung bei Ärzten: Bestimmte Kantone haben die Niederlassung von Ärztinnen und Ärzten reglementiert. Das Ziel: das Kostenwachstum im Gesundheitswesen drosseln. Kritiker sprechen von einem „Kartell des Status quo“. Es soll bestehende Praxen schützen.
- Kontroversen um die Ausbildungsplätze in der Physiotherapie: Hier wurde zu Recht kritisiert, dass es viel zu wenige Ausbildungsplätze gibt. Und es ist inakzeptabel, dass die Anerkennung ausländischer Diplome teilweise so schwer gemacht wird.
- Pflegefachmangel und Anerkennungsprozesse: International ausgebildete Pflegefachpersonen werden dringend gesucht. Ihre Anerkennung sollte nicht langwierig und bürokratisch sein.
Die Schweiz hat in vielen Branchen strukturelle Hürden aufgebaut, die sich nur schwer zu verändern sind. Dies liegt oft an der föderalistischen Struktur und den historisch gewachsenen Berufsverbänden. In vielen Branchen spielen Verbände und Berufsorganisationen eine starke Rolle inne und setzen oft Standards, die von den Kantonen übernommen werden, ohne dass eine übergeordnete staatliche Institution regulierend eingreift.
Im Fall der Osteopathie ist klar: die betroffenen Praktikerinnen und Praktiker befürchten, dass nicht fachliche Qualitätsstandards im Vordergrund stehen, sondern eine Marktabschottung. Entsprechend gross ist ihr Unmut, wenn sie erleben, dass selbst Bundesgerichtsurteile ihnen zwar in gewisser Weise Recht geben, in der Praxis aber wenig an der Situation ändern.
Gesundheitssystem im Umbruch?
Das Thema zeigt deutlich die strukturellen Schwächen des Schweizer Gesundheitswesens auf. Es handelt sich um einen hochkomplexen Bereich, in dem föderale Zuständigkeiten, private Interessen und staatliche Regulierungen ineinander greifen. Die Anerkennung von Gesundheitsberufen wie Osteopathie, Physiotherapie und anderen muss dringend modernisiert werden. Es ist an der Zeit, dass die Schweiz hier eine Vorreiterrolle übernimmt und eine bedarfsgerechte, patientenorientierte Versorgung ermöglicht.
Die Forderungen sind klar: Die rund 1000 Osteopathinnen und Osteopathen brauchen zeitnah eine Anerkennung, die ihrem Beitrag zur Patientenversorgung gerecht wird. Einige haben bereits Anwälte eingeschaltet, andere wollen sich in Verbänden zusammenschliessen, um mehr politischen Druck auszuüben, wie es der VaOs bereits versucht. Gleichzeitig signalisieren einzelne Krankenkassen wie die CSS mit ihrer pragmatischen Anerkennungspraxis eine gewisse Lösungsbereitschaft – zumindest auf regionaler Ebene.
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KOMMENTAR: Zwischen Blockade und möglichem Neuanfang
Die Zukunft der Osteopathie in der Schweiz ist gefährdet – und damit auch die berufliche Existenz von rund 1000 Osteopathinnen und Osteopathen; vorallem in der Deutschschweiz. Der Grund? Ein Anerkennungssystem, das weder fair noch transparent ist. Es scheint eher Eigeninteressen zu wahren, als sich den Herausforderungen eines modernen Gesundheitswesens zu stellen. Die Verantwortung an das Schweizerische Rote Kreuz zu delegieren, war ein fataler Fehler. Statt für Klarheit und Gerechtigkeit zu schaffen, dominiert eine Praxis, die von Bürokratie, Intransparenz und offensichtlicher Marktabschottung geprägt ist.
Die Bundesgerichtsurteile und das Gutachten stellen dem heutigen System ein vernichtendes Zeugnis aus. . Es ist offensichtlich, dass das Establishment im Gesundheitswesen kein Interesse daran hat, den Status quo aufzubrechen. Die rechtlichen Grundlagen für eine faire Anerkennung ausländischer Abschlüsse sind längst vorhanden – und werden gefliessentlich ignoriert. Die Blockadehaltung gegenüber qualifizierten Fachkräften mit ausländischen Abschlüssen ist nichts anderes als Protektionismus, der unter dem Deckmantel des Patientenschutzes den Markt abschotten soll.
Diese Strategie ist nicht nur unfair, sondern auch gefährlich: Die Schweiz braucht dringend mehr qualifizierte Fachkräfte, um den wachsenden Bedarf im Gesundheitswesen zu decken. Stattdessen riskiert man die Berufsunfähigkeit erfahrener Praktikerinnen und Praktiker, die seit Jahren erfolgreich und ohne Beanstandungen praktizieren. Diese Verhinderungspolitik der Verhinderung ist ein Schlag ins Gesicht aller, die auf eine faire Chance und die Umsetzung der Freizügigkeitsabkommen setzen. Die Verantwortung für dieses Chaos liegt eindeutig beim Gesetzgeber, der seine Aufsichtspflicht sträflich vernachlässigt hat. Statt klare und faire Rahmenbedingungen zu schaffen, wird die Aufgabe an eine privatrechtliche Institution delegiert, deren Nähe zu den etablierten Verbänden eine neutrale Umsetzung mehr als fragwürdig erscheinen lässt. Solange Bund und Kantone nicht bereit sind, diese Aufgabe selbst in die Hand zu nehmen, bleibt das System ein Spielball der Interessengruppen – zum Nachteil der Patienten, der Versicherten und der betroffenen Osteopathen. Die Schweiz kann es sich nicht leisten, weiterhin zuzusehen, wie ein Berufsstand durch institutionelle Willkür und politische Untätigkeit zerstört wird.
Bildnachweis: Homepage Markus Janssen https://osteopathie-mj.de/
Was ist Osteopathie?
Osteopathie ist eine ganzheitliche manuelle Diagnose- und Behandlungsmethode. Sie berücksichtigt die Wechselwirkungen zwischen Muskeln, Faszien, Gelenken, Organen und dem Nervensystem. Osteopathie ist eine alternative oder komplementäre Heilmethode. Viele Osteopathen und Osteopathinnen praktizieren heute in enger Zusammenarbeit mit schulmedizinischen Einrichtungen.
Grundprinzipien:
- Einheit des Körpers: Alles im Körper ist miteinander verbunden. Kommt es in einem Bereich zu Einschränkungen, kann dies an anderen Stellen Beschwerden auslösen.
- Selbstheilungskräfte: Der Körper ist in der Lage, sich in vielen Fällen selbst zu regulieren. Osteopathische Behandlungen sollen Blockaden lösen und diesen Prozess unterstützen.
- Individuelle Betrachtung: Jede Patientin und jeder Patient wird als Individuum betrachtet. Symptome gelten als Hinweise auf zugrunde liegende Funktionsstörungen, weshalb eine ausführliche Anamnese und Untersuchung essenziell sind.
Anwendungsgebiete:
- Muskuloskelettale Beschwerden: Rückenschmerzen, Nackenschmerzen, Gelenkprobleme
- Kopfschmerzen und Migräne: Bei Verspannungen oder Fehlhaltungen
- Verdauungsbeschwerden: Wenn es Zusammenhänge zwischen Organ- und Muskel-Faszien-System gibt
- Schwangerschaft und postpartale Betreuung: Unterstützung für Frauen vor und nach der Geburt
- Kinderheilkunde: Speziell ausgebildete Osteopathen arbeiten mit Babys und Kindern, beispielsweise bei Schädelasymmetrien, Koliken oder Entwicklungsverzögerungen
Die wissenschaftliche Datenlage zur Wirksamkeit der Osteopathie ist bestätigt: Einige Studien belegen positive Effekte, während Kritiker mehr Evidenz durch grössere klinische Studien fordern. In vielen europäischen Ländern ist Osteopathie bereits als eigenständiger Gesundheitsberuf anerkannt und fest etabliert. In der Schweiz geniesst sie bei vielen Patientinnen und Patienten einen guten Ruf als sanfte und dennoch wirksame Methode.
Ich frage mich ob es im Kompetenzbereich des SRK liegt, die Osteopathen zu diskriminieren. Das Rote Kreuz sollte sich um seine Kernkompetenzen kümmern und sich dort einsetzen. Wenn ich solche Geschichten höre, schäme ich mich manchmal ein wenig, dass ich über 20 Jahre für das SRK gearbeitet habe
Was soll denn diese Panik? Es ist schon länger bekannt, dass es eine Anerkennung der Osteopathen in der Schweiz braucht. Also hätte man sich vorbereiten können. Dazu musste auch ich, der in der Schweiz die Ausbildung zum Naturheilpraktiker machte, nachträglich viel Zeit, Geld und Energie investieren, um die staatliche Anerkennung zu erhalten.
Wie Reto Frey gesagt hat: keine wissenschaftliche Evidenz. Und an den Autor die bitte, auf den von den Nazionalsozialisten geprägten Begriff der „Schulmedizin“ zu verzichten. Es gibt wirksame und wissenschaftlich fundierte MEDIZIN und es gibt wissenschaftlich nicht bewiesene Praktiken deren Wirkung nicht über den Placepoeffekt hinausgehen.
Die wissenschaftliche Evidenz ist nur sehr dünn. Von «bestätigt» zu sprechen wie in der Box ist sehr gewagt.
https://www.quarks.de/gesundheit/medizin/wie-hilfreich-ist-osteopathie/
Die personellen Verflechtungen und Interessenkonflikte zwischen dem SRK und dem svo-fso sind evident.
Faktisch wurde ein Kartell geschaffen: Der svo-fso hat die Kriterien festgelegt, führt Prüfungen durch, berät das SRK und früher die GDK. Der Dekan der HEdS FR ist ehemaliger Präsident des svo-fso, und der Verband versucht nach eigenen Angaben auch an der FFHS Einfluss zu nehmen. Heute berät der svo-fso das SRK, und die Mitglieder des svo-fso profitieren von der Marktbeschränkung. Hier wurde der Bock zum Gärtner gemacht.
Der Schweizer Osteopathieverband (svo-fso) hat die GDK (Schweizerische Gesundheitsdirektoren Konferenz) bei der Festlegung der Bedingungen für anerkannte Osteopathinnen und Osteopathen beraten und berät heute das SRK. Praktisch alle Mitglieder des svo-fso würden die selbst definierten Kriterien nicht erfüllen, da sie ihre Zulassung durch einfachste Prüfungen erhielten. Ein faktisches Kartell wurde geschaffen, um den Markt abzuschotten. Seit 2008 gibt es in der Schweiz nur noch Ausbildungen an ausländischen Universitäten, und die Absolventen haben der Schweiz einen guten Dienst erwiesen. Jetzt sollen Osteopathen, die seit vielen Jahren in der Schweiz leben, arbeiten, Familien haben und Steuern zahlen, plötzlich ein Problem sein.
Das zentrale Argument der Patientensicherheit ist nicht stichhaltig. Krankenkassen haben bisherige Osteopathinnen und Osteopathen ohne GDK-Diplom über 15 Jahre anerkannt und vergütet. Gäbe es nur die geringsten Zweifel, wäre dies nicht mehr der Fall. Warum sollen Osteopathen, die seit vielen Jahren eigenverantwortlich arbeiten, plötzlich ein Risiko darstellen? Es gibt keine plausible Begründung, was auf Eigeninteressen des svo-fso hinweist.
Ausländische Masterabschlüsse sind nicht nur gleichwertig, sondern oft den neuen Schweizer Master- und alten GDK-Diplomen deutlich überlegen. Ein Beispiel dafür sind die Abschlüsse renommierter britischer und französischer Hochschulen. Hier werden unterschiedliche Maßstäbe angelegt, um diese Osteopathen zu diskriminieren.