In Deutschland ist am 1. November das Selbstbestimmungsgesetz in Kraft getreten. Es ist wohl eines der umstrittensten neuen Gesetze der deutschen Ampelregierung. Es stellt schon das alleinige Aussprechen von Wahrheiten unter Strafe. Die Kritik an dem Gesetz bleibt gross – gerade von Frauenrechtsorganisationen. Sie möchten keine Transfrauen ohne Geschlechtsangleichung in Frauensaunen, -garderoben oder -Toiletten.
Das Selbstbestimmungsgesetz löst das frühere deutsche Transgender-Gesetz ab, das vom Bundesverfassungsgericht in sechs Entscheiden als grundrechtswidrig taxiert worden war. Dass das Ursprungsgesetz aus dem Jahr 1981 von einer Novelle abgelöst wird, ist deshalb nicht zu beanstanden.
Extrem in der anderen Richtung
Ein Kritikpunkt an dem alten Gesetz war, dass Menschen, die ihre Geschlechtsidentität ändern wollten, sich dafür einem Prozess unterwerfen mussten, der von verschiedener Seite als entwürdigend empfunden wurde. So gehörten beispielsweise zwei Gutachterbesuche dazu, in denen auch sehr intime Fragen beantwortet werden mussten – etwa nach dem eigenen Masturbationsverhalten oder dazu, welche Unterwäsche die Person trage.
Im neuen Selbstbestimmungsgesetz herrscht nun ein vollständig gegenteiliger Ansatz: Jede Person in Deutschland kann gemäss § 2 Satz 1 SBGG einmal im Jahr ihren Geschlechtseintrag ohne jede Hürde, alleine durch einen Sprechakt, ändern. Zur Auswahl stehen männlich, weiblich divers oder «kein Eintrag». Als einzige Hürde dient eine dreimonatige Frist zwischen der Anmeldung des Geschlechterwechsels und dem Zeitpunkt, zu dem der Wechsel rechtswirksam wird. Da Anmeldungen seit dem 1. August 2024 möglich waren, können also ab anfangs November die ersten Anpassungen nach dem neuen Recht wirksam werden.
Geschlechtsangleichung nicht nötig
Wichtig: Die Geschlechtseintragung erfolgt vollständig unabhängig von der äusserlichen Erscheinung einer Person. D.h. eine vollständig «als Mann gelesene» Person mit Penis, Hoden und Bart kann sich genauso als Frau eintragen lassen wie sich eine vollständig mit weiblichen Geschlechtsmerkmalen (z.B. Brüsten, Vagina, Uterus) ausgestattete Frau als Mann eintragen lassen kann. Körperliche Merkmale spielen keine Rolle – auch eine hochschwangere Frau kann sich z.B. im achten Schwangerschaftsmonat als Mann eintragen lassen. Massgebend ist nicht die biologische Realität, sondern allein das Empfinden einer Person.
Noch nicht vollständig geklärt sind die konkreten Rechtsfolgen. Feministische Kreise befürchten, dass Lebensbereiche, die bisher Frauen vorbehalten waren, künftig keine «Safe Spaces» mehr sein werden: Sie fürchten sich vor Transfrauen – also mit Penis und Hoden ausgestattete umdeklarierte Männer – in Frauen-Saunen, Frauen-Garderoben, Frauen-Badis oder Frauen-Fitness-Centern.
Auch im Sport sind die Folgen unklar. Das federführende Bundesfamilienministerium behauptet zwar, die Sportverbände seien nach wie vor frei, die Zulassungskriterien für die Frauen- und Männer-Wettbewerbe selbst zu bestimmen. Nur: Im Gesetzestext findet sich keine solche Regelung, die Regierung überlässt es den Gerichten, ob sie dereinst den Sportverbänden ein «Hausrecht» zugestehen werden – oder eben nicht, mit Verweis auf das Diskriminierungsverbot.
Von wegen Hausrecht
In der parlamentarischen Debatte wurden derlei Bedenken zwar auch von FDP-Justizminister Marco Buschmann mit dem Verweis auf das Hausrecht zurückgewiesen. Vertragsfreiheit und Hausrecht blieben vorbehalten, hiess es. Allein: Im Selbstbestimmungsgesetz ist das eben mit keinem einzigen Buchstaben festgehalten. Im Gegensatz etwa zur Wehrpflicht, die in § 9 SBGG explizit geregelt wird: Falls die deutsche Regierung den Verteidigungs- oder auch nur schon den «Spannungsfall» verkündet, können auch all’ diejenigen biologischen Männer eingezogen werden, die nicht schon länger als zwei Monate als Frau eingetragen sind.
Wie relativ das Hausrecht gehandhabt werden dürfte, legt die Internetseite des deutschen Familienministeriums unter der Grünen Lisa Paus mit Verweis auf das Allgemeine Geleichbehandlungsgesetz AGG gleich selbst offen: «Danach ist eine Zurückweisung speziell von transgeschlechtlichen Personen allein aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität unzulässig. Unterschiedliche Behandlungen wegen des Geschlechts sind zulässig, wenn es dafür einen sachlichen Grund gibt (§ 20 AGG).»
Das könne (aber muss nicht, die Red.) der Fall sein, wenn die unterschiedliche Behandlung dem Bedürfnis nach Schutz der Intimsphäre oder der persönlichen Sicherheit Rechnung trage (§ 20 Absatz 1 Nummer 2 AGG). Schlicht falsch ist die Behauptung des BMFSFJ: «Auch insoweit ändert sich an der bestehenden Rechtslage durch das SBGG nichts.» – Das tut es natürlich sehr wohl, wenn neu jede Person sein Geschlecht auf Zuruf ändern kann und damit der Schutz z.B. von Frauenräumen erst über die Abwehrrechte des AGG neu erkämpft werden müssen.
Die ersten Gerichtsfälle gibt es schon
Wo die Reise hingehen wird, hat sich in einem konkreten Fall schon vor der Einführung des neuen Gesetzes gezeigt. Eine Transfrau wollte in dem reinen Frauen-Fitnessstudio «Ladie’s first» in Erlangen Mitglied werden, wie durch verschiedene Medienberichte Ende Mai bekannt wurde. Weil sie keine Geschlechtsangleichung vorgenommen hatte – also Penis und Hoden hat – schlug die Transfrau vor, mit einer Badehose zu duschen. Die Studio-Inhaberin Doris Lange lehnte ab und begründete in Zeitungsberichten, sie hätte auch viele muslimische Kundinnen, die selbstredend niemand in einem Studio trainieren würden, in dem ein biologischer Mann mit ihnen duschen oder auch nur trainieren würde.
Die Transfrau gelangte in der Folge an die deutsche Antidiskriminierungs-Beauftragte Ferda Ataman, welche der Studioinhaberin vorschlug, der Transfrau für die durch die Absage erlittene «Persönlichkeitsverletzung» eine Entschädigung von EUR 1’000 zu bezahlen. Die Studioinhaber stieg nicht darauf ein und wurde unterdessen just mit Verweis auf § 20 Abs. 1 AGG verklagt. – Die Verfahrenskosten seien so hoch, dass sie ihre Existenz gefährden würde, berichtete die Inhaberin Lange in verschiedenen Medien. Über die juristische Ausgangslage berichtet die deutsche LEGAL TRIBUNE ONLINE hier.
Rechtsstaatliche Probleme
Wie die Gerichte künftig in der Sache entscheiden werden, bleibt abzuwarten, denn das neue Selbstbestimmungsgesetz steht auch zum deutschen Grundgesetz verschiedenfach in einem Spannungsverhältnis. So besagt Art. 3 Abs.3 GG beispielsweise wörtlich: «Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.» Und Art. 1 GG erklärt die Menschenwürde als unantastbar.
Auf die juristische Begründung, wie es denn mit der Menschenwürde vereinbar sein soll, dass es künftig quasi Frauen erster (biologische) und zweiter (selbstdeklarierte) Kategorie geben soll, darf man mit Spannung warten. Oder wie sonst soll der Umstand gewertet werden, dass ein Teil der Frauen in spezifischen Frauenräumen Zutritt hat, der andere Teil nicht? Nach der letzten Rechtsentwicklung in diesem Themenbereich durch die obersten deutschen Gerichte zu urteilen, wäre es auch überhaupt nicht erstaunlich, wenn die Gerichte die geschützten Frauenräume mit Verweis auf das Diskriminierungsverbot bald aufgeben würden.
In diese Richtung deutet auch eine Äusserung der Familienministerin Paus. In einer Medienkonferenz antwortete sie auf die Frage, wie sie sicherzustellen gedenke, dass die (biologischen) Frauen in ihren Safe Spaces weiterhin geschützt blieben: «Eine Transfrau ist eine Frau.»
Das zeigt: Die Idee, die Definition des Geschlechts wie nun mit dem neuen Selbstbestimmungsgesetz einfach der Selbstdeklaration zu überlassen, schafft enorme rechtsstaatliche Probleme. Kritiker werfen den Ideologen denn auch immer wieder vor, den Paradigmen-Wechsel nicht zu Ende gedacht zu haben.
Offenbarungs-Verbot
Eine zusätzliche Brisanz erhält das neue Gesetz durch das Offenbarungsverbot nach § 13 Satz 1: «Sind Geschlechtsangabe und Vornamen einer Person nach § 2 geändert worden, so dürfen die bis zur Änderung eingetragene Geschlechtsangabe und die bis zur Änderung eingetragenen Vornamen ohne Zustimmung dieser Person nicht offenbart oder ausgeforscht werden.» Bei Zuwiderhandeln gegen dieses Verbot werden Strafen bis zu EUR 10’000 angedroht.
Der Gesetzestext nennt zwar auch hier eine Reihe von Ausnahmen, etwa wenn die Daten für «öffentliche Stellen» nötig sind, um ihre Aufgaben zu erfüllen, oder wenn «besondere Gründe des öffentlichen Interesses» eine Offenbarung erforderten – wobei aber gemäss Gesetzestext vor allem an die Interessen der Strafverfolgungsbehörden gedacht wurde.
Auch das Offenbarungsverbot ist unter rechtstaatlichen Aspekten höchst problematisch. Es stellt etwa einen massiven Eingriff in die Pressefreiheit dar, verbietet es doch Medienschaffenden eine Berichterstattung über wahre Tatsachen unter Strafandrohung. Kritische Beiträge z.B. über einen Sportler wie die US-amerikanische Transschwimmerin Lia Thomas sind damit kaum mehr möglich – denn wie will ein Medienschaffender über die Thematik der unfairen Wettkämpfe zwischen biologischen und Transfrauen berichten, wenn er die Fakten nicht mehr nennen darf?
Problematik der Minderjährigen
Ein anderer grosser Kritikpunkt der Gegner des Gesetzes betrifft die Regelung bei Minderjährigen, geregelt in
§ 3 SBGG: Beim Kindern bis 5 Jahren können die Sorgeberechtigten alleine über den Geschlechtseintrag des Kindes entscheiden. Mit anderen Worten: Auch ein Kind, das mit klar ausgebildeten männlichen Genitalien und XY-Chromosomen zur Welt gekommen ist, kann von den Eltern ohne Weiteres als Mädchen eingetragen werden. Im Alter zwischen fünf und 14 Jahren können die Sorgeberechtigten das Geschlecht nurmehr mit dem Einverständnis des Kindes wechseln, ab 14 Jahren kann das Kind das selbständig, braucht aber das Einverständnis der Sorgeberechtigten.
Falls diese, oder auch nur ein Elternteil, nicht einverstanden sind, kann ein Familiengericht einspringen, sofern die Umdeklaration dem Kindswohl nicht schadet. Wie ein Familiengericht dazu in der Lage sein soll, diese Frage zu klären, ist eine der vielen offenen Fragen des neuen Gesetzes. Ab dem 18. Lebensjahr kann dann jede Person völlig selbständig entscheiden.
Entwicklungspsychologen, die dem Gesetz kritisch gegenüberstehen, machen darauf aufmerksam, dass wissenschaftlich als erwiesen gilt, dass die Entwicklung des Hirns erst im Alter von 25 Jahren abgeschlossen ist und stehen deshalb sowohl der Umdeklaration wie auch operativen Geschlechtsanpassungen vor der vollständigen neurologischen Entwicklung skeptisch gegenüber.
Art. 1 GG
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
Art. 3 GG
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
§ 2 SBGG – Erklärung zum Geschlechtseintrag und zu den Vornamen
(1) Jede Person, deren Geschlechtsidentität von ihrem Geschlechtseintrag im Personenstandsregister abweicht, kann gegenüber dem Standesamt erklären, dass die Angabe zu ihrem Geschlecht in einem deutschen Personenstandseintrag geändert werden soll, indem sie durch eine andere der in § 22 Absatz 3 des Personenstandsgesetzes vorgesehenen Angaben ersetzt oder gestrichen wird. Liegt kein deutscher Personenstandseintrag vor, so kann die Person gegenüber dem Standesamt erklären, welche der in § 22 Absatz 3 des Personenstandsgesetzes vorgesehenen Angaben für sie maßgeblich ist oder dass auf die Angabe einer Geschlechtsbezeichnung verzichtet wird.
(2) Die Person hat mit ihrer Erklärung zu versichern, dass
- der gewählte Geschlechtseintrag beziehungsweise die Streichung des Geschlechtseintrags ihrer Geschlechtsidentität am besten entspricht,
- ihr die Tragweite der durch die Erklärung bewirkten Folgen bewusst ist.
(3) Mit der Erklärung nach Absatz 1 sind die Vornamen zu bestimmen, die die Person zukünftig führen will und die dem gewählten Geschlechtseintrag entsprechen. § 11 in Verbindung mit § 3 Absatz 1 des Namensänderungsgesetzes bleibt unberührt.
(4) Gibt ein Ausländer die Erklärung nach Absatz 1 in dem Zeitraum von zwei Monaten vor dem Eintritt eines Ereignisses, das zum Erlöschen des Aufenthaltstitels nach § 51 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes und zur Ausreisepflicht nach § 50 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes führt, bis zu dem Zeitpunkt des Erlöschens des Aufenthaltstitels nach § 51 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes ab, so bleiben die bisherige Geschlechtsangabe und die bisherigen Vornamen bestehen.
§ 3 SBGG – Erklärung von Minderjährigen und Personen mit Betreuer
(1) Eine beschränkt geschäftsfähige minderjährige Person, die das 14. Lebensjahr vollendet hat, kann die Erklärungen zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen (§ 2) nur selbst abgeben, bedarf hierzu jedoch der Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters. Stimmt der gesetzliche Vertreter nicht zu, so ersetzt das Familiengericht die Zustimmung, wenn die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen dem Kindeswohl nicht widerspricht. Mit der Versicherung nach § 2 Absatz 2 hat die minderjährige Person zu erklären, dass sie beraten ist. Die Beratung kann insbesondere erfolgen durch
- Personen, die über eine psychologische, kinder- und jugendlichenpsychotherapeutische oder kinder- und jugendpsychiatrische Berufsqualifikation verfügen, oder
- öffentliche oder freie Träger der Kinder- und Jugendhilfe.
(2) Ist die minderjährige Person geschäftsunfähig oder hat sie das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet, kann nur der gesetzliche Vertreter die Erklärungen zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen (§ 2) für die Person abgeben. Die Erklärung bedarf des Einverständnisses des Kindes, wenn es das fünfte Lebensjahr vollendet hat. Ein Vormund bedarf hierzu der Genehmigung des Familiengerichts; das Familiengericht erteilt die Genehmigung, wenn die Erklärung unter Berücksichtigung der Rechte des Mündels aus § 1788 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dem Wohl des Mündels nicht widerspricht. Mit der Versicherung nach § 2 Absatz 2 hat der gesetzliche Vertreter zu erklären, dass er entsprechend beraten ist.
(3) Für eine geschäftsunfähige volljährige Person, für die in dieser Angelegenheit ein Betreuer bestellt ist, kann nur der Betreuer die Erklärungen zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen nach § 2 abgeben; er bedarf hierzu der Genehmigung des Betreuungsgerichts. Das Betreuungsgericht erteilt die Genehmigung, wenn die Erklärung einem nach § 1821 Absatz 2 bis 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu beachtenden Wunsch oder dem mutmaßlichen Willen des Betreuten entspricht.
§ 13 SBGG – Offenbarungsverbot
(1) Sind Geschlechtsangabe und Vornamen einer Person nach § 2 geändert worden, so dürfen die bis zur Änderung eingetragene Geschlechtsangabe und die bis zur Änderung eingetragenen Vornamen ohne Zustimmung dieser Person nicht offenbart oder ausgeforscht werden. Satz 1 gilt nicht, wenn
- amtliche Register oder amtliche Informationssysteme personenbezogene Daten zu dieser Person enthalten und im Rahmen der jeweiligen Aufgabenerfüllung von öffentlichen Stellen die Verarbeitung von Daten nach Satz 1 nach anderen Rechtsvorschriften erforderlich ist,
- besondere Gründe des öffentlichen Interesses eine Offenbarung der Daten nach Satz 1 erfordern oder
- ein rechtliches Interesse an den Daten nach Satz 1 glaubhaft gemacht wird.
Besondere Gründe des öffentlichen Interesses nach Satz 2 Nummer 2 sind insbesondere dann gegeben, wenn die Offenbarung der Daten zur Erfüllung der Aufgaben von Strafverfolgungs- oder Sicherheitsbehörden sowie amtlichen Stellen mit Sicherheitsaufgaben erforderlich ist.
(2) Ein früherer und der derzeitige Ehegatte, Verwandte in gerader Linie und der andere Elternteil eines Kindes der betroffenen Person sind nur dann verpflichtet, deren geänderten Geschlechtseintrag oder deren geänderte Vornamen anzugeben, wenn dies für die Führung öffentlicher Bücher und Register oder im Rechtsverkehr erforderlich ist. Im Übrigen gilt für sie das Offenbarungs- und Ausforschungsverbot nach Absatz 1 Satz 1 nicht, es sei denn, sie handeln in Schädigungsabsicht. Die Ausnahme nach Satz 1 gilt nicht für
- den Ehegatten aus einer nach der Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen geschlossenen Ehe,
- das nach der Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen geborene oder angenommene Kind,
- den anderen Elternteil eines Kindes, das geboren oder angenommen wurde, nachdem die betroffene Person die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen erklärt hat.
(3) Das Offenbarungsverbot nach Absatz 1 Satz 1 steht einer weiteren Verarbeitung der bis zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen in amtlichen Registern oder Informationssystemen enthaltenen Angaben nicht entgegen. Amtliche Register und amtliche Informationssysteme dürfen zur Nachvollziehbarkeit der Identität von Personen die bis zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen eingetragenen Angaben verarbeiten, wenn andere Rechtsvorschriften eine Verarbeitung der aktuellen Daten vorsehen.
(4) Mitteilungen und Informationen zwischen amtlichen Registern und amtlichen Informationssystemen sowie solche Abrufe aus diesen, die aufgrund anderer Rechtsvorschriften erfolgen, sind ungeachtet des Offenbarungsverbots nach Absatz 1 Satz 1 zulässig.
§ 9 SBGG – Zuordnung zum männlichen Geschlecht im Spannungs- und Verteidigungsfall
Die rechtliche Zuordnung einer Person zum männlichen Geschlecht bleibt, soweit es den Dienst mit der Waffe auf Grundlage des Artikels 12a des Grundgesetzes und hierauf beruhender Gesetze betrifft, für die Dauer des Spannungs- oder Verteidigungsfalls nach Artikel 80a des Grundgesetzes bestehen, wenn in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit diesem die Änderung des Geschlechtseintrags von „männlich“ zu „weiblich“ oder „divers“ oder die Streichung der Angabe zum Geschlecht erklärt wird. Unmittelbar ist der zeitliche Zusammenhang während eines Spannungs- oder Verteidigungsfalls sowie ab einem Zeitpunkt von zwei Monaten vor Feststellung desselben.
§ 2o AGG – Zulässige unterschiedliche Behandlung
(1) Eine Verletzung des Benachteiligungsverbots ist nicht gegeben, wenn für eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion, einer Behinderung, des Alters, der sexuellen Identität oder des Geschlechts ein sachlicher Grund vorliegt. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn die unterschiedliche Behandlung
- der Vermeidung von Gefahren, der Verhütung von Schäden oder anderen Zwecken vergleichbarer Art dient,
- dem Bedürfnis nach Schutz der Intimsphäre oder der persönlichen Sicherheit Rechnung trägt,
- besondere Vorteile gewährt und ein Interesse an der Durchsetzung der Gleichbehandlung fehlt,
- an die Religion eines Menschen anknüpft und im Hinblick auf die Ausübung der Religionsfreiheit oder auf das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften, der ihnen zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform sowie der Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Religion zur Aufgabe machen, unter Beachtung des jeweiligen Selbstverständnisses gerechtfertigt ist.
(2) Kosten im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Mutterschaft dürfen auf keinen Fall zu unterschiedlichen Prämien oder Leistungen führen. Eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität ist im Falle des § 19 Abs. 1 Nr. 2 nur zulässig, wenn diese auf anerkannten Prinzipien risikoadäquater Kalkulation beruht, insbesondere auf einer versicherungsmathematisch ermittelten Risikobewertung unter Heranziehung statistischer Erhebungen.
Art. 128 StGB – Unterlassung der Nothilfe
Wer einem Menschen, den er verletzt hat, oder einem Menschen, der in unmittelbarer Lebensgefahr schwebt, nicht hilft, obwohl es ihm den Umständen nach zugemutet werden könnte,
wer andere davon abhält, Nothilfe zu leisten, oder sie dabei behindert,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
Art. 74 StPO – Orientierung der Öffentlichkeit
1 Die Staatsanwaltschaft und die Gerichte sowie mit deren Einverständnis die Polizei können die Öffentlichkeit über hängige Verfahren orientieren, wenn dies erforderlich ist:
- damit die Bevölkerung bei der Aufklärung von Straftaten oder bei der Fahndung nach Verdächtigen mitwirkt;
- zur Warnung oder Beruhigung der Bevölkerung;
- zur Richtigstellung unzutreffender Meldungen oder Gerüchte;
- wegen der besonderen Bedeutung eines Straffalles.
2 Die Polizei kann ausserdem von sich aus die Öffentlichkeit über Unfälle und Straftaten ohne Nennung von Namen orientieren.
3 Bei der Orientierung der Öffentlichkeit sind der Grundsatz der Unschuldsvermutung und die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen zu beachten.
4 In Fällen, in denen ein Opfer beteiligt ist, dürfen Behörden und Private ausserhalb eines öffentlichen Gerichtsverfahrens seine Identität und Informationen, die seine Identifizierung erlauben, nur veröffentlichen, wenn:
- eine Mitwirkung der Bevölkerung bei der Aufklärung von Verbrechen oder bei der Fahndung nach Verdächtigen notwendig ist; oder
- das Opfer beziehungsweise seine hinterbliebenen Angehörigen der Veröffentlichung zustimmen.