Das amerikanische Finanzministerium setzt zwei Schweizer Treuhänder auf die Sanktionsliste, weil sie russischen Oligarchen geholfen haben sollen US-Sanktionen zu umgehen. Der amerikanische Botschafter kritisiert die lasche Gesetzgebung in der Schweiz. Das Parlament scheint aber weit davon entfernt Anwälte und Treuhänder:innen in die Pflicht nehmen zu wollen.
Der Schweizer Finanzplatz steht wieder einmal unter Druck. Der amerikanische Botschafter Scott Miller (Bild unten links) schlägt in einer Pressemitteilung von dieser Woche einen scharfen Ton an: „Die Schweiz kann und muss mehr dafür tun, damit ihr Rechtsrahmen nicht für illegale Finanzaktivitäten missbraucht wird“. Hintergrund dieser Aussage sind der Ukraine-Krieg und die damit verbundenen Sanktionen gegen Russland. Miller kritisiert durch seine Aussage Anwälte und Treuhänder:innen, die vom Geldwäschereigesetz in der Schweiz ausgenommen sind. Vor seiner Tätigkeit in Bern war Miller Vizepräsident bei der UBS Wealth Management in Denver, Colorado, wo er vermögenden Familien und gemeinnützigen Stiftungen anspruchsvolle Finanzberatung und Portfoliomanagement anbot.
Das mächtige Office of Foreign Assets Control (OFAC) veröffentlichte am Dienstag ein neues Sanktionspaket und setzte international 275 Personen oder Firmen auf die Sanktionsliste. Darauf landeten auch zwei Schweizer Anwälte mit Büro in Zürich. Es handelt sich dabei um Andreas Baumgartner und Fabio Delcò von der Kanzlei Dietrich, Baumgartner & Partner.
Firmen und Trusts
Das OFAC wirft den beiden Anwälten vor, Firmen und Trusts geschaffen zu haben, die es russischen Kunden ermöglicht haben Sanktionen zu umgehen. Konkret heisst das: die beiden Anwälte verwalten russische Vermögenswerte in grossem Umfang und sind wichtige Vermittler für die Geschäfte von russischen Kunden. Beides ist nach heutiger Rechtsprechung legal. Washington wirft den beiden aber vor, auch mit Sanktionen belegte Russen bei der Gründung von Firmen unterstützt zu haben. Sie selbst sehen sich als Bauernopfer.
Delcò und Baumgartner sind nicht die ersten auf der schwarzen Liste. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs haben die USA mehr als zwei Dutzend Schweizer Personen und Firmen auf ihre Sanktionsliste gesetzt. Der US-Botschafter hatte bereits im letzten Jahr die Russland-Politik der Schweiz scharf kritisiert und die Schweiz im Kontext der europäischen Verteidigungspolitik als «Loch im Donut» bezeichnet.
Auf die Frage des Tagesanzeigers, ob man seine jüngsten Äusserungen als Zeichen der Eskalation lesen sollte, schreibt Miller: «Die Botschaft ist klar: Die Vereinigten Staaten fokussieren darauf, die Umgehung von Sanktionen überall auf der Welt zu bekämpfen. Wir müssen zusammenarbeiten, um die Fähigkeiten des Kremls zu stoppen, seine Kriegsmaschinerie gegen das ukrainische Volk einzusetzen. Und wir müssen auf der richtigen Seite der Geschichte stehen – zur Unterstützung des ukrainischen Volkes, das die demokratischen Werte verteidigt, die wir teilen.»
„Putins Cellist“ als Kunden
Die Kanzlei Dietrich, Baumgartner & Partner tauchte bereits 2016 aufgrund der Panama-Papers-Enthüllungen in den Medien auf. Durch die Enthüllungen kam ans Licht, dass die Zürcher Anwälte die Briefkastenfirmen von Sergei Roldugin (Bild oben rechts) dirigiert hatten. Roldugin ist Cellist und ein Familienfreund von Wladimir Putin (bild oben rechts) – er ist unter anderem Patenonkel von dessen Tochter. Über seine Konten flossen hohe Millionenbeträge. Die Panama-Papers-Recherche zeigte, dass diese Firmen Einfluss auf Medien und Rüstungsbetriebe in Russland hatten. Es liess sich dabei auch feststellen, dass die Angestellten der Zürcher Kanzlei Befehle aus Russland annahmen und Kontoverbindungen für Roldugin errichteten.
Einige der Konten befanden sich bei der Gazprombank Schweiz. Die Finma stellte später fest, dass die Bank damit «schwer gegen die Sorgfaltspflichten des Geldwäschereigesetzes» verstossen hatte. Vier Angestellte der Gazprombank Schweiz verurteilte das Zürcher Obergericht im letzten Juni wegen mangelnder Sorgfalt bei Finanzgeschäften zu bedingten Geldstrafen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, das Verfahren ist beim Bundesgericht hängig.
Anwälte in die Pflicht nehmen
Der Zürcher Richter sagte: «Es gab Umstände, die darauf hindeuteten, dass es sich um eine Strohmannfinanzierung handeln könnte.» Seit 2016 stand im Raum, dass der Musiker Roldugin ein Strohmann Putins war. Die Führung der russischen Bank, von denen der Anwalt Baumgartner die Anweisungen erhielt, gehört laut US-Finanzministerium zu Putins persönlichen Bankern. Obwohl Finma und Strafbehörden die Gazprom Bank Schweiz ins Visier nahm, gibt es bis heute keine Massnahmen gegen die Zürcher Anwälte. Der Grund ist das Schweizer Geldwäschereigesetz – Kern Millers Kritik.
Die Anwälte haben nämlich die Briefkastenfirmen von Roldugin nicht selbst geführt. Sie setzten dafür Strohleute in Panama ein, die ihre Unterschriften unter Dokumente setzten. Wenn ein Anwalt oder Treuhänder die Firmen seines Kunden auf dem Papier nicht selbst führt, untersteht er laut heutiger Gesetzgebung auch nicht dem Schweizer Geldwäschereigesetz und muss nicht zwingend nachfragen, wer hinter dem Vermögen der Firmen steckt.
Dass das so ist, kritisieren auch andere Länder, vor allem die Financial Action Task Force (FATF) der OECD, sowie diverse Leute im Inland wie der Genfer Staatsanwalt Yves Bertossa oder Mark Pieth. Der emeritierte Strafrechtsprofessor und Korruptionsexperte Pieth sagt gegenüber dem Beobachter: „Es ist durchaus üblich, dass Investoren in der Schweiz Strohleute nutzen, um ihre Gelder zu verwalten oder auch um Sanktionen zu umgehen. Das ist seit vielen Jahren so, die Rechtslage in der Schweiz sorgt dafür.“ Zur Frage, weshalb dies immer noch so ist und die Anwält:innen sich dagegen wehren meint er: „Viele Anwälte leben davon, dass sie Sitzgesellschaften im Ausland gründen. Ihre Leistung besteht darin, den wirtschaftlich Berechtigten der Firma hinter dem Anwaltsgeheimnis zu verbergen.“
Schon mehrere Versuche
Der Bundesrat möchte die Gesetzeslücke eigentlich bereits seit 2019 schliessen. Der damalige Finanzminister Ueli Maurer wollte neue Sorgfaltspflichten einführen und sagte zum Parlament: „Sie können doch nicht das Bild des gesamten Finanzplatzes aufs Spiel setzen, nur um die Anwälte zu schützen“,. Doch die vielen Anwälte des Mitte-rechts-Bündnisses im Parlament bekämpften die Gesetzesänderung erfolgreich.
Auch Karin Keller-Sutter hat diesen Frühling einen zweiten Versuch gestartet, Berater in Finanzangelegenheiten stärker in die Geldwäschereiabwehr einzubinden. Im Moment diskutiert das Parlament einen Vorschlag, der stärkere Sorgfaltspflichten und ein Verzeichnis über die sogenannten wirtschaftlich Berechtigten von Gesellschaften vorsieht. Doch das Anliegen hat erneut einen schweren Stand.
Die Anwält:innen warnen, dass das Anwaltsgeheimnis aufgeweicht wird und dies einen deutlichen Mehraufwand für die Branche bedeutet. Die NZZ schreibt dazu: „Doch so wichtig das Anwaltsgeheimnis ist, so wenig ist zumindest für den juristischen Laien einsichtig, wieso etwa eine Beratungstätigkeit beim Aufsetzen von Firmenkonstrukten in die gleiche Kategorie fallen soll wie die Verteidigung im Strafprozess. Auch Banker sind ihren Kunden gegenüber an das Bankgeheimnis gebunden, welches beim Verdacht auf kriminelle Handlungen und Geldwäscherei zu Recht an seine Grenzen stösst.“ Lohnenswert wäre, in diese Richtung gehen die Voten von NZZ, Maurer und Keller-Sutter, die Empfehlungen und Standards der FATF umzusetzen und damit von 74 Prozent auf 100 Prozent zu kommen. Luxemburg hat dies getan, Länder wie Dänemark, Singapur und England liegen bei über 95 Prozent. So schwer kann es also nicht sein.
Abnützungskampf
Einen Abnützungskampf mit den amerikanischen Behörden lässt sich in dieser Hinsicht nicht gewinnen. Das Parlament könnte den Finanzplatz problemlos aus der Schusslinie nehmen, indem sie die Empfehlungen umsetzt und ihn damit zu einem sauberen, aktiv Geldwäscherei bekämpfenden Finanzplatz macht. Die NZZ resümiert: „Aber es darf nicht sein, dass einige wenige «schwarze Schafe» den Schweizer Finanzplatz erneut in eine Auseinandersetzung zwingen, die er nicht gewinnen kann.“
Im Moment ist das Geschäft bei der Rechtskommission des Ständerats. Eine Mehrheit möchte es aber zurückstellen, da die vorgesehenen Sorgfaltspflichten einen „unverhältnismässigen Mehraufwand“ bedeuten würden. Man bezweifle, dass die Pflichten mit dem Berufsgeheimnis der Anwälte vereinbar seien und wolle die Vorschläge des Bundesrats überarbeiten und später ins Ratsplenum tragen.
Wie Bloomberg berichtete, sagte Bundesrätin Karin Keller-Suter an einer Veranstaltung in Zürich , zur Frage, ob ein neues Gesetz komme: “Es ist sehr schwierig, weil es im Parlament viele Anwälte gibt — und viele davon nicht der Meinung sind, irgendetwas mit dem Thema zu tun zu haben.” Es scheint wohl also doch auf eine Konfrontation hinauszulaufen.
Replik der beiden Zürcher Anwälte und eine Einordnung durch Mark Pieth
(rh) Die beiden Zürcher Anwälte Andres Baumgartner und Fabio Delcò sind ins Visier der US-amerikanischen Behörden geraten. Ihnen wird vorgeworfen, den russischen Cellisten Sergei Roldugin, einen engen Vertrauten von Wladimir Putin, unterstützt zu haben, um Sanktionen zu umgehen und Gelder in Offshore-Firmen zu transferieren. Diese Anschuldigungen weisen die Anwälte in einem Interview der Zeitung NZZ jedoch entschieden zurück und kritisieren die USA dafür, gezielt den Schweizer Finanzmarkt anzugreifen.
Laut den beiden NZZ-Autoren Erich Aschwanden und Lorenz Honegger betrachten Baumgartner und Delcò die Sanktionen als Teil einer geopolitischen Strategie der USA, die darauf abziele, die Schweiz als Finanzplatz zu schwächen und unter Druck zu setzen.
Baumgartner und Delcò, die beide über jahrzehntelange Erfahrung in der Branche verfügen, verteidigen ihre Geschäftspraktiken und betonen, dass ihre Rolle damals lediglich die eines „Briefträgers“ war. Sie hätten im Auftrag der Bank Rossija Dokumente übermittelt, um den Offshore-Gesellschaften ihrer Kunden eine Rechtsstruktur zu verschaffen, erklären sie. Baumgartner stellt klar, dass sie die gesetzlichen Sorgfaltspflichten erfüllt hätten und nie direkten Kontakt mit Roldugin hatten. „Wir waren nur das Bindeglied“, betont er. Die USA würden die Rolle der beiden Anwälte übertreiben, und die Sanktionen seien unbegründet.
Aschwanden und Honegger zeigen in ihrem Interview, dass Baumgartner und Delcò die US-Sanktionen als Teil einer grösseren geopolitischen Kampagne interpretieren. Laut den Anwälten wird durch die Sanktionen gezielt Druck auf die Schweizer Banken ausgeübt, um deren Unabhängigkeit zu verringern. Baumgartner spricht in diesem Zusammenhang von „dreckiger Geopolitik“ der USA, die versuchen würden, den Finanzplatz Zürich unter Kontrolle zu bringen. Delcò weist darauf hin, dass keiner ihrer russischen Kunden auf einer Sanktionsliste stehe und dass ihre Kanzlei sich strikt an die rechtlichen Vorgaben halte.
Trotzdem müssen die Anwälte mit ernsten Konsequenzen rechnen. Der Druck auf die Banken führt dazu, dass sie sich zunehmend von sanktionierten Personen distanzieren. Die Anwälte befürchten, dass sie im schlimmsten Fall ihre Kanzlei schliessen müssen, da kaum noch eine Schweizer Bank bereit ist, mit ihnen Geschäfte zu machen.
Amerikas Doppelmoral ist real
Der emeritierte Professor Mark Pieth sieht die jüngsten Sanktionen gegen die Zürcher Anwälte als warnendes Signal der USA. Laut Pieth setzen die Amerikaner damit ein Exempel, um Schwächen im Schweizer Rechtssystem zu kritisieren und die Schweiz zur stärkeren Kontrolle über Finanzstrukturen zu drängen. NZZ-Autor Honegger schildert, dass Pieth die beiden Anwälte als „leichte Opfer“ für Washington betrachtet, da sie seit den „Panama Papers“ 2016 mit dem Fall um Sergei Roldugin in Verbindung gebracht werden.
Pieth merkt an, dass in der Vergangenheit häufig Anwälte Offshore-Strukturen genutzt hätten, um Vermögen ohne Transparenz zu verschieben. Die Schweiz habe in den Jahren nach dem Ende des Bankgeheimnisses unter US-Druck vermehrt Anwälten die Aufgabe übertragen, Offshore-Konstrukte zu erstellen und so weiterhin reiche Klienten zu schützen. Pieth erklärt, dass Anwälte wie Baumgartner und Delcò eine „rechtliche Grauzone“ ausgenutzt hätten: Sie bewegten sich nicht als Finanzintermediäre, sondern nur als rechtliche Berater, was sie von der Geldwäscherei-Gesetzgebung freistellte. Der US-Druck zielt laut Pieth darauf ab, dieses Schlupfloch zu schliessen und sieht die Schweiz in einer heiklen Position. Die USA, so sagt er, nutzten ihre Macht und die Sanktionen als geopolitisches Instrument.
Die USA würden kritisieren, dass die Schweiz keine ausreichenden Massnahmen gegen Geldwäscherei treffe, während sie gleichzeitig in Staaten wie Delaware (Joe Biden war dort von 1973 bis 2009 Senator) oder Utah äusserst laxe Regelungen zulassen. Pieth beschreibt dies als „Doppelmoral der Amerikaner“, deren Ziel jedoch bleibe, die Identitäten von wirtschaftlich Berechtigten weltweit besser kontrollieren zu können. Die Anwaltsbranche in der Schweiz hat sich bisher vehement gegen eine Verschärfung der Gesetze gestellt. Die geplante Revision des Schweizer Geldwäschereigesetzes könnte hier jedoch neue Regeln bringen: Sie fordert eine genauere Prüfung von Mandanten, jedoch ohne explizite Meldepflicht. Anwälte sollen tiefergehende Kontrollen ihrer Klienten durchführen, was laut Pieth den Vorteil hätte, dass sie selbst stärker in die Verantwortung genommen werden könnten, falls illegale Gelder im Spiel sind.
Pieth zeigt sich skeptisch, ob die Schweiz internationalen Standards gerecht wird. Er warnt, dass ohne schärfere Regelungen das Risiko bestehe, dass die Schweiz auf die graue Liste der Financial Action Task Force (FATF) gesetzt wird, was dem Ansehen des Schweizer Finanzplatzes erheblich schaden könnte. Die Konsequenzen könnten auch weiterreichend sein: Pieth sieht die Gefahr, dass die USA als nächsten Schritt die Rohstoffhandelsplätze in Genf und Zug ins Visier nehmen könnten, sollte das Schweizer Parlament die geplanten neuen Geldwäschereivorschriften für Anwälte ablehnen.