Papyrus statt Fortschritt
Der Fall Bad Rans steht sinnbildlich für die chronischen Schwächen der St. Galler Justiz. Ein Verfahren, das sich über 14 Jahre hinzieht, ist nicht nur ein Fiasko für Opfer und Beteiligte, sondern auch eine teure Blamage für den Steuerzahler. Doch es ist kein Einzelfall: Die Justiz im Kanton St. Gallen scheint sich darauf spezialisiert zu haben, Nebenschauplätze zu kultivieren und dabei das Wesentliche aus den Augen zu verlieren.
Es ist absurd, dass in einem Millionenfall wie Bad Rans ein sachlich begründetes Ausstandsbegehren bis vor Bundesgericht geschleppt werden musste, nur weil sich die Justiz in seltsamer Mimosenhaftigkeit einer einfachen Lösung widersetzte. Die darauf folgende Ohrfeige des Bundesgerichts war verdient, aber für den Prozessverlauf fatal. Mehrere Jahre gingen verloren, und am Ende war der Schaden immens: verjährte Straftaten, vergeudete Ressourcen und ein Vertrauensverlust in die Justiz.
Noch grotesker erscheinen solche Entscheidungen vor dem Hintergrund anderer Fälle. Die fragwürdige Verfolgung von Kritikern wie im Fall Inside-Justiz oder die juristische Jagd auf Leserbriefschreiber sind Lehrbeispiele für Ressourcenverschwendung. Bei den Gerichten türmen sich derweil die Aktenberge, und Kriminelle wie im Fall Bad Rans profitieren von den Verzögerungen. Solche falschen Prioritäten werfen zu Recht die Frage auf, ob die St. Galler Justiz ihre Aufgaben versteht.
Ein weiteres Symptom der Fehlentwicklung ist die Vernachlässigung des Kerngeschäftes durch viele Richter und Staatsanwälte. Zahlreiche Amtsträger investieren viel Zeit in Nebentätigkeiten: als Dozenten, Gutachter oder gar als ausserordentliche Staatsanwälte in anderen Kantonen. Diese Tätigkeiten können individuell bereichernd sein, lenken aber von der Hauptaufgabe ab. die Folge sind überfüllte Dossiers, endlose Verfahren und ein System, das sich zunehmend selbst blockiert.
Statt immer mehr Personal einzustellen, sollte die Justiz an Effizienz und Qualität arbeiten. Es ist nicht nachvollziehbar, warum im Strafbefehlsbereich, wo «Prozesse» oft industriell abgewickelt werden, Effizienz möglich ist, bei komplexeren Verfahren aber alles im Schneckentempo vorangeht. Offenbar geht es dort, wo es um Gerechtigkeit und Sorgfalt geht, weniger um Schnelligkeit als um das Festhalten an veralteten Strukturen. Hinzu kommt ein Rückstand bei der Digitalisierung. Während andere Kantone längst digitale Aktenführung und effizientere Abläufe eingeführt haben, halten die St. Galler Gerichte noch immer an Papierakten und analogen Abläufen fest.
Juristen sprechen zu Recht vom „Papyruszeitalter“ der St. Galler Justiz. Dass Vadian daran seine Freude gehabt hätte, wie man munkelt, mag als humoristische Spitze gemeint sein, ist aber ein Armutszeugnis für die Verwaltung. Die zögerliche Digitalisierung verschärft die Probleme: Die Bearbeitung von Fällen dauert länger, die Kommunikation ist umständlich und es fehlt an Transparenz. Es ist unverantwortlich, dass die Verantwortlichen hier Reformen nur schleppend vorantreiben. Stattdessen wird immer weiter aufgestockt – mit neuen Stellen, höheren Kosten und kaum Effizienzfortschritten. Ein Blick auf das Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen könnte da durchaus helfen. Die erste Informationsveranstaltung des Kantons St. Gallen zum Thema „Digitalisierung der Gerichte“ fand erst im Dezember 2023 statt.
Und ob das nationale IT-Projekt Justitia 4.0, an dem sich der Kanton St. Gallen beteiligt, alle Probleme lösen wird, bezweifeln viele Experten. Das Projekt wurde 2019 gestartet und soll bis 2026/2027 abgeschlossen sein. Die Umstellung betrifft rund 300 Gerichte, Staatsanwaltschaften und Justizvollzugsbehörden auf kantonaler und eidgenössischer Ebene. Wer weiss, wie IT-Projekt ablaufen, dem sträuben sich die Nackenhaare. Ein Blick nach Zürich zeigt auf, mit welchen Herausforderungen ein kleines IT-Justiz-Projekt wie „Juris X“ zu kämpfen hat und warum es am Schluss dramatisch scheiterte und ein Loch von mindestens 30 Millionen hinterliess. Und das nur für ein „kleineres“ IT-Projekt für den Justizvollzug. Das Informatikunternehmen Abraxas aus St. Gallen konnte mehrere Meilensteine nicht erreichen und stieg aus dem Vertrag aus, was was zum Ende des Projekts führte.
Die St. Galler Justiz steht am Scheideweg. Es genügt nicht, die Gerichte mit mehr Richterinnen und Richtern zu füllen. Nötig sind Strukturreformen, die Qualität und Effizienz in den Vordergrund stellen. Das fängt bei der Ausbildung an und geht über die Digitalisierung bis hin zur Reorganisation von Arbeitsprozessen. Die Justiz muss sich der Realität stellen: Künstliche Intelligenz, moderne Datenverarbeitung und intelligente Arbeitsprozesse werden auch hier Einzug halten – freiwillig oder gezwungenermassen.
Der Fall Bad Rans ist ein Weckruf. So kann und darf es nicht weitergehen. Effizienz auf Kosten der Gerechtigkeit, wie es bei Strafbefehlen oft der Fall ist, kann nicht das Ziel sein. Die Alternative kann aber auch nicht ein ineffizientes und überbürokratisiertes System sein, das sich selbst lähmt. Es liegt an der Politik und an der Justiz selbst, endlich die Weichen für eine zukunftsfähige, moderne Rechtspflege zu stellen – bevor die Bürgerinnen und Bürger endgültig das Vertrauen verlieren.
PS. Nachtrag zu den diversen Nebenämter der überlasteten Staatsangestellten der Ostschweizer Justiz. Christoph Ill (Bild rechts) wurde an der Mitgliederversammlung der Schweiz. Staatsanwaltschaftskonferenz Ende November zum neuen Präsidenten gewählt. Der Erste Staatsanwalt des Kantons St. Gallen folgt auf den Berner Generalstaatsanwalt Michel-André Fels.
Roger Huber
All die von Ihnen, Herr Huber (Roger), in der Spalte „Papyrus statt Fortschritt“ aufgelisteten Gründe mögen für Fehlentwicklungen in der Justiz (nicht nur in der St. Galler Justiz) in unterschiedlicher Ausprägung verantwortlich sein. Zwei auch von Ihnen erwähnte Punkte:
1.“Es ist absurd, dass […] ein sachlich begründetes Ausstandsbegehren bis vor Bundesgericht geschleppt werden musste, nur weil sich die Justiz in seltsamer Mimosenhaftigkeit einer einfachen Lösung widersetzte. Die darauf folgende Ohrfeige des Bundesgerichts war verdient, aber für den Prozessverlauf fatal.“
Eigene Fehler will die Justiz kaum einmal zugeben. Sie wehrt sich mit Händen und Füssen gegen jegliche Kritik. Dass dieses Ausstandsbegehren vom Bundesgericht gutgeheissen wurde, ist erstaunlich (obwohl ich dessen Inhalt nicht kenne), weil es selten vorkommt, dass Ausstandsbegehren erfolgreich sind. In den meisten Fällen schützen sich Richter und Staatsanwälte gegenseitig, auf allen Stufen.
2. „Die fragwürdige Verfolgung von Kritikern wie im Fall Inside-Justiz oder die juristische Jagd auf Leserbriefschreiber sind Lehrbeispiele für Ressourcenverschwendung.“
Die Justiz versucht Kritiker (Journalisten oder Betroffene, Beschuldigte) mit allen Mitteln mundtot zu machen. Hier: strafrechtliche Verfolgung, unverhältnismässig hohe Geldstrafen, Verfahrenskosten.
EIN wesentlicher Punkt kommt hinzu, der ebenso Verfahren verzögert, verlängert: Zahlreiche Staatsanwälte, Strafrichter verstossen SYSTEMATISCH und damit BEWUSST gegen das Recht, wenn sie Verfahren führen, Verfügungen erlassen, in Urteilsbegründungen. Wehren sich Betroffene dagegen mit Rechtsmitteln (sachlich begründete Beweisanträge, Beschwerden in Verfahrensfragen, Ausstandsgesuche, Strafanzeigen, usw.), bläht dies Verfahren automatisch auf.
Solche Justizpersonen machen sich strafbar, sind kriminell, teilweise gewohnheitskriminell. Und charakterlich für das von ihnen bekleidete Amt ungeeignet. Wie selten wird eine Justizperson jedoch für ihre AMTSFÜHRUNG verurteilt? Aus dem Amt entfernt?
Eben. Wir haben es mit einem flächendeckenden Phänomen zu tun. Seit Jahrzehnten. Obwohl es die selbstverständliche, verdammte Pflicht jedes Richters, jedes Staatsanwalts ist, das Recht strikt einzuhalten!
Jeder Einwohner dieses Landes hat den verfassungsmässigen, gesetzlichen RECHTSANSPRUCH, dass die Justiz rechtsstaatlich funktioniert, Rechtsverstösse ausnahmslos korrigiert. Stattdessen sehen wir aufgeblasene, überhebliche Justizpersonen, die tun und lassen können, was und wie sie wollen – bis hinauf zum Bundesgericht. Und dabei immensen Schaden verursachen, indem sie rechtswidrig verurteilen, enteignen (durch rechtswidrige Verfahrenskosten, Geldstrafen, Schadenersatzforderungen, eingezogene Vermögenswerte). Das kann Leben ruinieren.
Und sie tun dies nicht nur unverhüllt und ungestraft (stehen faktisch über dem Gesetz), sondern ihr rechtswidriges, oft kriminelles Tun wird auch noch vom Steuerzahler üppig entlöhnt. Werden sie unbehelligt pensioniert, kommt noch eine fette Rente hinzu – auch die vom Steuerzahler bezahlt. Und gesellschaftlich geniessen diese Täter zudem hohes Ansehen. Völlig grotesk.
Die Schweiz darf sich erst dann Rechtsstaat nennen, wenn alle Justiztäter konsequent belangt werden: Amtsenthebung, Strafverfahren, Berufsverbot, Knast. Jahrelang, je nach Straftat.
Wetten, dass dann schlagartig die Qualität der Urteile steigen, die Rechtsverstösse der Justiz sofort auf ein Minimum sinken, die Verfahren kürzer würden?
Wie sind die Namen der beiden Schwerverbrecher