Richterinnen und Richter an den obersten Gerichten sollen einem neuen Disziplinarrecht unterworfen werden. Das verlangen die Geschäftsprüfungskommissionen von National- und Ständerat. Die Parlamentsdienste haben heute eine entsprechende Medienmitteilung veröffentlicht.
Darin schreiben die beiden Kommissionen, welche im Auftrag des Parlaments die Oberaufsicht über das Bundesgericht, das Bundesverwaltungsgericht, das Bundespatentgericht und das Bundesstrafgericht wahrnehmen, Klartext: Das Parlament greife zwar aufgrund der Gewaltenteilung nur zurückhaltend ein: «Die GPK haben im Rahmen ihrer Tätigkeit dennoch wiederholt teils gravierende Verfehlungen von Richterinnen und Richtern festgestellt. Diese betrafen zwar jeweils nicht die Rechtsprechung, beeinträchtigen jedoch das Funktionieren und das Ansehen der jeweiligen Gerichte.» Eine Sanktionierung sei heute nicht möglich – das einzige Instrument bleibe eine Amtsenthebung.
Die Parlamentskommissionen wollen deshalb eine gesetzliche Grundlage für eine Disziplinaraufsicht über die Richterinnen und Richter. Dabei soll es nicht um eine inhaltliche Kontrolle der Entscheide gehen, sondern um «die Einhaltung der Amtspflichten durch Richterinnen sowie Richter». Dabei müssten Rechtsmittel für die betroffenen Richterinnen und Richter etabliert werden wie eine Rekursmöglichkeit. «Zudem ist den verfassungsmässigen Grundsätzen der richterlichen Unabhängigkeit, der Organisationsautonomie der Gerichte und der Gewaltentrennung umfassend Rechnung zu tragen.»
Als «Gericht über die Richter» schwebt den Parlamentariern ein «gerichtsexternes Aufsichtsgremium» vor, das «unabhängig von politischen Einflüssen» sei. Die Rede ist von einem «Justizgericht», wie es verschiedene Kantone, z.B. der Kanton Tessin, bereits kennen. Es würde direkt der Bundesversammlung unterstehen.
Obwohl solche Gremien der Justizaufsicht in der Schweiz also nicht neu wären, bemühten die beiden Geschäftsprüfungskommissionen gleich zwei Rechtsgutachten, um den Rahmen abzustecken. Einerseits lieferte Professorin Daniela Thurnherr von der Universität Basel 78 Seiten zur Frage, ob ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf bestehe, an der Universität Genf schrieb Honorarprofessor Thierry Tanquerel zur selben Fragestellung 51 Seiten. Interessanterweise kamen beide Gutachter zur Aufsicht, für die erstinstanzlichen Bundesgerichte sei die Einführung eines Disziplinarrechts kein Problem, ob das auch für die Bundesrichterinnen und Bundesrichter zuträfe, liessen sie offen – dafür seien weitere Abklärungen notwendig.