Deutsche Pressefreiheit in Gefahr? Kontroverse um das Verbot des „Compact“-Magazins

Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser hat das rechtsextreme Magazin „Compact“ und die Conspect Film GmbH verboten. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte das Magazin als rechtsextrem eingestuft. Die Polizei durchsuchte seit den frühen Morgenstunden des 16. Juli 2024 Geschäftsräume und Wohnungen führender Akteure in Brandenburg, Hessen, Sachsen und Sachsen-Anhalt, um Vermögenswerte und Beweismittel sicherzustellen. Ziel der Razzia war auch ein Haus im brandenburgischen Falkensee, das im Impressum des Magazins genannt wird.

Faeser begründete das Verbot damit, dass COMPACT ein zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene sei und gegen Jüdinnen und Juden, Menschen mit Migrationsgeschichte und die parlamentarische Demokratie hetze. Das Verbot sei ein Zeichen, dass der Staat auch gegen geistige Brandstifter vorgehe, die Hass und Gewalt gegen Flüchtlinge und Migranten schüren und die Demokratie überwinden wollen.

Der Verfassungsschutz hatte bereits 2022 geurteilt, dass das Magazin um Chefredakteur Jürgen Elsässer demokratiefeindliche und menschenverachtende Positionen vertrete. Führende Akteure des Magazins unterhielten Kontakte zur sogenannten Neuen Rechten. Im Online-Shop von COMPACT  konnten unter anderem Münzen mit dem Konterfei des thüringischen AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke erworben werden. Elsässer selbst bringt sein Publikum bei Veranstaltungen mit Parolen wie «Ami go home» und «Freundschaft mit Russland» zum Jubeln.

Verfassungswidriges Vorgehen?

Nur: Reicht das alles, um eine Zeitschrift zu verbieten? Viele Juristen in Deutschland meinen:; Nein. Paragraph 5 des deutschen Grundgesetzes (GG) hält klar fest: «Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.» Absatz 2 der Verfassungsnorm schränkt das zwar ein: «Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.» Nur: Gegen solche Gesetze hat COMPACT gemäss eigener Aussage nicht verstossen. Herausgeber und Chefredaktor Jürgen Elsässer: «Wir bestehen jetzt seit 14 Jahren. In all der Zeit hat es keine einzige strafrecchtliche Verurteilung wegen Ehrverletzung, Rassismus, Antisemitismus oder Volksverhetzung gegeben.»

SPD-Ministerin Faeser musste sich deshalb eine juristische Konstruktion einfallen lassen, um zum Ziel zu kommen. Die Zeitschrift wurde auf der Basis des deutschen Vereingesetzes per Verbotsverfügung geschlossen und das Vermögen eingezogen. Tatsächlich gibt dieses Gesetz aus dem Jahre 1964, damals unter CDU-Bundeskanzler Ludwig Erhard eingeführt, den Behörden in Paragraf 3 die Möglichkeit in die Hand, einen Verein zu verbieten, «wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet.» – Eine grosse Menge unbestimmter Rechtsbegriffe, wenn man die Eingriffstiefe des Gesetzes anschaut: Es sieht mit dem Verbot auch den Einzug sämtlicher Vermögenswerte und ein Tätigkeitsverbot vor, beschneidet also auch weitere Grundrechte wie die Eigentumsgarantie oder die Gewerbefreiheit massiv. Mit dem Verbot von COMPACT wird beispielsweise auch die Verwendung des Logos der Marke verboten.

Warum gilt für eine GmbH das Vereinsrecht?

Nach § 17 des Vereinsgesetzes sind die Vorschriften des Vereinsgesetzes auch auf Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH anzuwenden, wenn sie sich gegen die verfassungsmässige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richten oder bestimmte strafbare Zwecke verfolgen. Das Innenministerium sah dies als gegeben an. Da die Zeitschrift auch ausserhalb des eigentlichen Standortes Brandenburg vertrieben wurde und COMPACT in verschiedenen Bundesländern über Betriebsstätten verfügte,  war Faeser als Verbotsbehörde zuständig.

Die Website der Zeitschrift COMPACT ist inzwischen auf jeden Fall nicht mehr erreichbar, die Online-Kanäle von COMPACT, welche die grösste Reichweite hatten, sind teilweise aber aufgrund von Geoblogging nur in Deutschland nicht mehr zugänglich – beispielsweise auf YOUTUBE. Aus der Schweiz oder per VPN auch aus Deutschland können die Inhalte nach wie vor abgerufen werden.

Deutliche Kritik der Juristen

Medienrechtler und Verafssungsjuristen verschiedenster Couleur kritisieren das Vorgehen Faesers deutlich und halten das Vorgehen als hochgradig heikel bis verfassungswidrig. Der deutsche Medienanwalt Joachim Steinhöfel, der  z.B. den rechtskonservativen Publizisten und ehemaligen BILD-Chefredatkor Julian Reichelt («ACHTUNG REICHELT» vertritt, meinte gestern: «Ich glaube, das wird vor Gericht ein Riesen-Fiakso für Frau Faeser werden.» Ins gleiche Horn stiess der ehemalige CDU-Verteidigungsminister und Staatsrechtler Rupert Scholz, der im – ebenfalls rechtsalternativen Kanal – TICHYS EINBLICK  festhält: «Die Meinungsfreiheit genießt einen so hohen Verfassungsrang, dass sie nicht einfach durch eine Exekutiventscheidung ausgehebelt werden kann» und kommt zur Schlussfolgerung: «Das Vorgehen von Faeser ist eindeutig verfassungswidrig.»

Aber nicht nur das. Auch die Tatsache, dass unmittelbar beim Beginn der Razzia am Dienstagmorgen um 0600 Uhr ein Pressefotograf mit vor Ort war, wirft Fragen auf. Der Medienrechtler und Rechtsanwalt Carsten Brennecke dazu auf X: «Es gibt komischerweise und natürlich rein zufällig pressewirksam inszenierte Bilder vom Zugriff auf die Personen, die in ihrer Privatsphäre überrumpelt und der Presse vorgeführt werden. Das Durchstechen solcher Informationen zeigt, dass es vielen Verantwortlichen heute mehr um eine Selbstinszenierung im Dauerwahlkampf geht als darum, einen souveränen Job zu machen. Das Vertrauen in den Rechtsstaat wird durch das Durchstechen solcher Informationen natürlich nicht gestärkt.»

Und der Medienjurist Christian Conrad betont, dass bei den Durchsuchungen das Redaktionsgeheimnis verletzt worden sei und das Vereinsrecht die Meinungsfreiheit nicht aushebeln könne. Das Bundesverfassungsgericht habe in früheren Entscheidungen betont, dass auch die Verbreitung verfassungsfeindlichen Gedankenguts von der Meinungsfreiheit geschützt sei.

Besonders heikel: Wahlkampf-Veranstaltungen für die AfD unmöglich geworden

Als politisch besonders heikel stellt sich Faesers Entscheid auch deshalb dar, weil  COMPACT angekündigt hatte, im Hinblick auf die Landtagswahlen in verschiedenen deutschen Bundesländern im Herbst Podiumsveranstaltungen durchzuführen, um damit der AfD unter die Arme zu greifen. Und wie aus Berichten in anderen politisch rechts angesiedelten «Alternativmedien» hervorgeht, sollen auch  Behörden und/oder Gerichte der betroffenen Bundesländer in die Aktion involviert gewesen sein, beispielsweise in Brandenburg.  Wie und mit welchen Beschlüssen konkret, ist zum aktuellen Zeitpunkt  noch nicht klar. Die Beschlüsse, mit denen teilweise auf Videos herumgewedelt wurden, waren INSIDE-JUSTIZ in vollem Wortlaut bislang nicht zugänglich. Tatsache ist indes: Das Bundesland Brandenburg wird aktuell von SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke geführt. Dort wird in zwei Monaten gewählt und die AfD liegt in aktuellen Umfragen deutlich vor der SPD. Dadurch, dass Faeser mit ihrem Entscheid in den Wahlkampf in Bundesländern wie beispielsweise Brandenburg unmittelbar eingreift und dem politischen Gegner Plattformen entzieht, macht sich die Bundesinnenministerin zusätzlich angreifbar.

FDP-Politiker Wolfgang Kubicki kommt deshalb zum Schluss: «Das Vereinsrecht kann nicht als Hilfskonstruktion zum Verbot von Medien dienen. Gerade zum Schutz der Verfassung muss die Verfassung peinlich genau beachtet werden. Sollte das Verbot, was ich befürchte, gerichtlich aufgehoben werden, ist ein Rücktritt der Innenministerin unvermeidlich.»

 

 

Eine abstruse Idee

Man stelle sich für einen Moment vor, was hier los wäre, würde Elisabeth Baume-Schneider losgehen und eines schönen Julimorgens um 0600 Uhr die Räumlichkeiten der Weltwoche mit 350 Polizistinnen und Polizisten durchsuchen, das Medium verbieten und alles konfiszieren lassen.

Kein Schweizer Bundesrat käme je auf seine solche Idee. In einem Land, dass Demokratie kann und seit Jahrhunderten praktiziert, ist ein solcher Vorgang schlicht undenkbar – auch wenn die Gängelung kritischer Berichterstattung auch in der Schweiz nicht unbekannt ist. Medien zu verbieten und Redaktionen zu schliessen, das verbinden wir hier mit Ländern wie Nordkorea, China oder Russland. Und neuerdings jetzt eben auch: Deutschland.

Unserem nördlichen Nachbarn, wo Bundesinnenministerin Nancy Faeser unbehelligt ihren totalitären Phantasien frönen darf. Als die Sozialdemokratin, flankiert von ihrem Adlaten und Verfassungsschutzpräsidenten Thomas Haldenwang (Bild) , vor einigen Wochen schon verkündete, diejenigen, die «den Staat verhöhnen», sollten es jetzt, «auch unter der Strafbarkeitsgrenze», «mit einem starken Staat zu tun bekommen», liessen die Aussagen deutschen Staats- und Verfassungsrechtlern das Blut in den Adern gefrieren. Und merkten das auch deutlich an.

Und sogar das ansonsten staatstreue ZDF hinterfragte die totalitären Züge, die Faeser an den Tag legte. Bei vielen achtsamen und kritischen Zeitgenossen kamen Erinnerungen auf: Auch 1933 begann die Schreckensherrschaft des neu an die Macht gekommenen deutschen Regimes damit, dass andere Meinungen verboten und Redaktionen gesäubert wurden. Die Kritik der Juristen perlte an Faeser ganz offensichtlich ab.

Wie auch andere in der aktuellen deutschen Regierung scheint sie nach wie vor nicht verstehen zu können, dass sie zwar einen Teil der Regierung bildet, aber eben nicht den Staat. Ein kleiner, aber feiner Unterschied: Wer Legislative, Exekutive oder Judikative kritisiert, verhöhnt nicht den Staat, sondern allenfalls dessen sehr wohl austauschbare Repräsentanten. Was nicht dasselbe ist.

Wer zu einem Regimewechsel aufruft, wie es Faeser dem verbotenen COMPACT MAGAZIN vorwirft, ruft damit nicht zu einem Staatsstreich inklusive Aushebelung der demokratischen Institutionen und der Errichtung einer Diktatur auf, sondern schlicht zu einem Regierungswechsel. Einem notabene, den eine Mehrheit der Deutschen wünscht, wenn man sich die aktuellen Parteienstärken anschaut.

So bleiben kritische Geister an diesem Abend in Schockstarre zurück – und das unabhängig davon, wie sie die redaktionellen Leistungen des COMPACT-MAGAZINS oder den teilweise tatsächlich eher absurd anmutenden AfD-Kult dort beurteilt hatten.

Es bleiben zwei Hoffnungen: Die oberen deutschen Gerichte hatten bislang bei anderen totalitären Anfällen der rot-grün-liberalen Ampelregierung die Brandmauer stets hochgehalten und die Abwehrrechte des Bürgers gegen einen übergriffigen Staat geschützt – sodass die Hoffnung bleibt, dass Faesers totalitärer Blödsinn am Ende eine Abfuhr erteilt wird. Zum zweiten darf die Aufarbeitung dieses Vorgangs nicht anders als mit dem Rücktritt Faesers enden. Nur so kann sichergestellt werden, dass sich Regierungsmitglieder jegwelcher Couleur klar werden: ein solcher Vorgang bedeutet unzweideutig das eigene politische Ende für alle Zeiten. Gelingt das nicht, ist es mit der Medienfreiheit und einer kritischen Presse vorbei.

Nicht nur, weil staatliche Interventionen gegen die Medienfreiheit damit salonfähig würden. Sondern auch, weil sie selbstverständlich eine einschüchternde Wirkung auf viele andere Medienschaffende haben und zur berüchtigten «Schere im Kopf» führen. Und das brauchen unsere Demokratien im aktuellen Zustand am allerwenigsten. Lorenzo Winter

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