Appenzeller Geschichten – Wie eine Bilanzdeponierung nach Art. 192 SchKG krachend scheiterte….

…oder der Kanton Appenzell Ausserrhoden hoffnungslos überschuldete Mikrounternehmen faktisch für systemrelevant erklärt.

Das Obergericht des Kantons Appenzell Ausserrhoden hat kürzlich zwei bemerkenswerte Urteile zum Thema «Bilanzdeponierung» gefällt, die einmal mehr die Frage aufwerfen: «Was läuft eigentlich falsch im Kanton Appenzell Ausserrhoden?»

Die Behörden und Gerichte des Kantons Appenzell Ausserrhoden waren schon mehrfach Gegenstand der Berichterstattung von Inside Justiz. Da ist die Rechtsleiterin des Kantonalen Steueramts, die Steuerpflichtige mit Express Mond-Postsendungen drangsaliert und mit überzogenen Bussen quält, aber auch die Gerichte scheinen einen eigenen Weg zu gehen.

Inside Justiz berichtete kürzlich bereits über zwei Zombie-Unternehmen, die trotz zugegebener Bilanzüberschuldung nicht in Konkurs gehen können. Unternehmen, die nicht in Konkurs gehen können, gelten als systemrelevant. In zwei Fällen, bei denen es sich um Mikrounternehmen in Form einer GmbH mit einem Stammkapital von je CHF 20’000.00 handelt, kann jedoch nicht von Systemrelevanz gesprochen werden; dennoch existieren sie gegen ihren Willen weiter.

In den beiden Fällen hat das Kantonsgericht unter Richterin Caroline Nordin-Lüssi am 5. März 2024 zunächst die Konkurseröffnung abgelehnt, weil der Revisionsbericht über die Überschuldung nach Art. 725b OR fehlte. Immerhin verzichtete das Kantonsgericht auf die Erhebung von Verfahrenskosten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass beide Gesellschaften bereits vor über zehn Jahren auf die eingeschränkte Revision verzichtet haben (Opting-out-Erklärung).

Umstritten ist, ob der gesetzlich vorgeschriebene Revisionsbericht zwingend verlangt werden kann. Bei einer offensichtlichen Überschuldung wird auch ein Revisor zu keinem anderen Ergebnis kommen. Dass ein solcher Revisor schnell Honorarkosten von CHF 5’000.00 verursacht und die mittellose Zombiefirma zusätzlich stresst, sei hier nur am Rande erwähnt. Der Sinn der Forderung nach einem Revisionsbericht erschliesst sich in solchen Fällen nicht.

Nach dem Urteil des Kantonsgerichtes haben die beiden Zombies das Urteil an das Obergericht Appenzell Ausserrhoden weitergezogen.

Mit Urteilen vom 6. Juni 2024 hat Richter Walter Kobler die Beschwerden wiederum vollumfänglich abgewiesen und je eine Entscheidungsgebühr jeweils CHF 300.00 auferlegt.

Im Fall der E. GmbH hat jedoch Richterin Caroline Nordin-Lüssi (Kantonsgericht) jedoch bereits am 17. April 2024, diesmal auf Antrag einer Gläubigerin, den Konkurs doch noch eröffnet.

Oberrichter Dr. iur. Walter Kobler sorgt nun aber mit seinem Urteil vom 6. Juni 2024, also 50 Tage nach der rechtskräftigen Konkurseröffnung vom 17. April 2024, für einen Paukenschlag der Sonderklasse.

Am 6. Juni 2024 lehnt nun Oberrichter Walter Kobler abermals die Konkurseröffnung ab. Bitte!! Die Gesellschaft ist doch schon seit dem 17. April 2024 in Konkurs!

Mit dem Urteil von Walter Kobler haben wir nun die groteske Situation vor, dass eine bereits im Konkurs befindliche Gesellschaft im Nachhinein doch nicht in Konkurs gehen darf. Das ist eine Seltenheit in der Schweizer Rechtslandschaft.

Kommentar

Obwohl das Kantonsgericht und das Obergericht im gleichen Gerichtspalast in Trogen residieren, kennt man offenbar die eigenen Akten nicht. Auch das Öffentlichkeitsprinzip nach Art. 936 OR bezüglich Handelsregistereintragungen , zu denen auch Konkursmeldungen gehören, wirft hier Fragen auf. Als aussenstehender Beobachter reibt man sich die Augen vor einer solchen Praxis unserer Gerichte.

Erstaunlich am Urteil von Richter Kobler ist zudem, dass er das Wesen der bilanziellen Überschuldung offenbar nicht verstanden hat. So thematisiert Richter Kobler neben dem fehlenden Revisionsbericht auch die Erfolgsrechnung. Die Erfolgsrechnung hat aber für die Beurteilung der Überschuldung keine Aussagekraft. Massgebend für die Beurteilung der Überschuldung ist einzig das Bilanzbild mit dem aufgezehrten Eigenkapital. Spannend wird nun sein, ob die beiden «Zombies» den Gang ans Bundesgericht antreten und dort ihre Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts Appenzell Ausserrhoden platzieren. Inside Justiz wird die beiden Fälle weiter verfolgen.

WALTER KOBLER – Richter mit Lücken in der Bilanzkunde 

Walter Kobler ist der Präsident des Obergerichts von Appenzell Ausserrhoden. Er hat das Amt im Jahr 2021 übernommen, nachdem der vorherige Präsident, Ernst Zingg, in den Ruhestand getreten ist. Walter Kobler, geboren 1960, ist Jurist (lic. iur.) und fungiert auch als Einzelrichter am Obergericht. Zuvor war er bereits 14 Jahre lang Mitglied des Obergerichts. Walter Kobler studierte an der Universität St. Gallen und erwarb das Ausserrhoder Anwaltspatent. Ab 1994 war er als Präsident des Kantonsgerichts tätig. 2011 wählten ihn Volk und Parlament als Richter und Vizepräsidenten des Obergerichtes. 

 

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