Wir zeigen Euch, wie sich 101’000 Franken in Luft auflösen und was es bedeutet, eine Zahlungsfrist am Verwaltungsgericht St. Gallen um wenige Tage zu versäumen. Ein Pyrrhussieg für die Verwaltung! Es ist an der Zeit, dass die ungleichen Spiesse zwischen Bürger und Beamten, endlich angeglichen werden. Im Bild: Pyrrhus. er war Anführer des Bundes von Epirus und König der Molosser. Das Wort „Pyrrhussieg” für einen zu teuer erkauften Erfolg leitet sich von seinem Namen ab.
Ein St. Galler Privatmann mit Migrationshintergrund verkauft sein Haus, das er über mehrere Jahre hinweg aufwändig für rund CHF 380‘000 umgebaut hat. Die Person hat einen Schweizer Pass, kann sich aber nur unzureichend auf Deutsch ausdrücken.
Steueramt: „Wir haben keine Zeit“
Die Umbaukosten von 380‘000 Franken werden vom St. Galler vom Verkaufserlös von 645‘000 Franken abgezogen und errechnet daraus einen steuerbaren Grundstückgewinn von 63‘853 Franken. Das Kantonale Steueramt St. Gallen hingegen anerkennt die die Umbaukosten nicht an und geht trotz nachweislicher Umbauten von einem Grundstückgewinn von 357‘149 Franken aus. Das Kantonale Steueramt St. Gallen verweigerte während der Veranlagung einen Augenschein vor Ort mit der lapidaren Begründung „wir haben keine Zeit“.
Das Steueramt berechnet nun eine Steuer von 113 147 Franken, was für die Staatskasse ein beachtlicher Beitrag ist. Anlässlich der Beurkundung des Kaufvertrags am 31. August 2021 hat das Kantonale Steueramt St. Gallen den Steueranspruch gesichert und sich 113 183 Franken überweisen lassen. Für das Kantonale Steueramt St. Gallen ist der Fall damit abgeschlossen. Wenn Sie als Privatperson von der sichergestellten Grundstückgewinnsteuer noch etwas zurückbezahlt haben möchten, müssen Sie selbst aktiv werden und den detaillierten Beweis dazu führen.
Nach Abweisung des Rekurses durch die Verwaltungsrekurskommission (VRK) des Kantons St. Gallen (und Kosten für ihren ablehnenden vorinstanzlichen Entscheid von 2‘000.00 Franken) landet der Fall schliesslich beim Verwaltungsgericht St. Gallen (VRK St. Gallen – Verfahren B 2023/228). Wie üblich wird auch hier ein Kostenvorschuss von 5‘000.00 Franken einfordert.
Die Ratenzahlungen
Der St. Galler Bürger, finanziell angeschlagen, bittet das Verwaltungsgericht St. Gallen um Stundung der 5.000 Franken. Das Gericht gewährt ihm zwei Raten à 1.500 Franken und sind sind am 1. Dezember 2023 und am 1. Januar 2024 fällig, sowie 2000 Franken am 1. Februar 2024. Die erste Rate von 1.500 Franken wurde am 1. Dezember 2023 fristgerecht überwiesen. Die zweite Rate konnte jedoch erst am 9. Januar 2024, also acht Tage zu spät, beglichen werden.
Das Verwaltungsgericht St. Gallen, vertreten durch Abteilungspräsident Dr. Arthur Brunner und Dr. Miriam Lendfers, beruft sich dabei auf Art. 96 Abs. 2 VRP SG und erlässt am 8. Januar 2024 den Entscheid „Abschreibung der Beschwerde wegen Nichtleistung des Kostenvorschusses“ (Entscheid-Nr. B 2023/228). Der Entscheid des Verwaltungsgerichts ist formaljuristisch korrekt und wird auch im Grundsatz vom Bundesgericht geschützt (1C_474/2014, E. 3.3). Der St. Galler Privatmann hat seine Rate nachweislich zu spät überwiesen. Der Entscheid ist inzwischen rechtskräftig, da ein Rechtsmittel aufgrund der rigiden Bundesgerichtspraxis keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte.
Die sichergestellte Grundstücksteuer in Höhe von 100‘929.90 Franken ist damit endgültig verloren. Das Steueramt des Kantons St. Gallen hat sich einen beträchtlichen Geldsegen gesichert – ohne Kämpfen zu müssen. Im Februar 2024 hat das Steueramt schliesslich auf das Restguthaben von 0.35 Franken verzichtet, das sich aus Ausgleichszins, Grundstückgewinnsteuer und bereits sichergestellter Grundstückgewinnsteuer ergibt.
Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kanton St. Gallen ist inakzeptabel und kann dem objektiven Dritten nicht vermittelt werden. Es drängt sich der Verdacht auf, dass sich das Verwaltungsgericht St. Gallen mittels der Verfahrensabschreibung um die Mühsal der Behandlung komplizierter Rechtsfragen drücken wollte. Das Verwaltungsgericht St. Gallen hat den unliebsamen Gerichtsfall erfolgreich vom Tisch gewischt, während das Kantonale Steueramt St. Gallen zu einem „Pyrrhussieg“ gekommen ist –Bravo!
Ungleiche Vorgaben
Jeder, der schon einmal eine Beschwerde oder einen Rekurs geführt hat, weiss, dass es bis zum Entscheid einer Gerichtsinstanz Monate, wenn nicht Jahre dauern kann. Die Gerichte nehmen sich die Zeit, die sie benötigen – ohne jeden Hinweis an die Parteien. Dann liegt irgendwann der Entscheid in der Post. Will die betroffene Person das Rechtsmittel ergreifen, bleibt eine Verwirkungsfrist von 30 Tagen, die nicht um einen einzigen Tag überschritten werden darf. Schon eine geringfügige Verletzung der Zahlungsfrist von wenigen Tagen führt unweigerlich zur Abschreibung der Streitsache mit gravierenden Konsequenzen – wie im Fall des St. Galler Privatmannes, der so über Nacht rund 100.000 Franken verloren hat.
Bereits eine geringfügige Verletzung der Zahlungsfrist von wenigen Tagen führt unweigerlich zur Abschreibung der Streitsache mit gravierenden Konsequenzen – wie im Fall des Privatmannes, der über Nacht rund CHF 100‘000 verloren hat.
Es ist unverständlich, warum das Verwaltungsgericht St. Gallen sich stur an den Buchstaben des Gesetzes (Art. 96 Abs. 2 VRP SG) gehalten und nicht wenigstens eine kurze Nachfrist in Form einer Mahnung gewährt hat. Eine Mahnung war durchaus möglich, denn Art. 96 VRP SG ist eine «Kann»-Vorschrift, die dem Gericht Ermessensspielraum lässt.
***
Es ist unverständlich, warum das Verwaltungsgericht St. Gallen sich stur an den Buchstaben des Gesetzes (Art. 96 Abs. 2 VRP SG) gehalten und nicht wenigstens eine kurze Nachfrist in Form einer Mahnung gewährt hat. Eine Mahnung war durchaus möglich, denn Art. 96 VRP SG ist eine «Kann»-Vorschrift, die dem Gericht Ermessensspielraum lässt. Abteilungspräsident Dr. Arthur Brunner und Dr. Miriam Lendfers wollten dieses Ermessen nicht anwenden, sondern einfach einen unliebsamen Gerichtsfall vom Tisch haben. Bei der Rechtsanwendung gilt der Grundsatz der schonenden Rechtsanwendung. Im Verwaltungsrecht gilt zudem eine Fürsorgepflicht der Verfahrensleitung. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass diese schön formulierten Gebote häufig toter Buchstabe bleiben und die Betroffenen mit dialektisch anmutender Gesetzesauslegung gepiesackt werden.
Dieser Fall zeigt letztlich auch, dass das Kantonale Steueramt St. Gallen mit einer rigiden Praxis in Bezug auf die abzugsfähigen Umbaukosten vor allem private Grundstückseigentümer schnell überfordert und letztlich übervorteilt. Es ist offensichtlich, dass der Privatmann selbst schuld ist, wenn er die Zahlungsfrist für die Rate von 1‘500.00 Franken um wenige Tage verpasst. Allerdings wirkt eine solche Verfahrenspraxis im Umgang mit steuerpflichtigen Personen wirkt entrückt und schäbig. Behörden, die so mit ihren Bürgern und Rechtsuchenden umgehen, müssen sich nicht wundern, dass sie zunehmend auf offene Ablehnung stossen.