Fahrlässige Tötung: Eltern von Amokschütze ebenfalls verurteilt

„Im US-Bundesstaat Michigan standen die Eltern des Amokschützen, der im Jahr 2021 an der Oxford High School, vier Menschen tötete, vor Gericht. Sie wurden nun zu zehn bis 15 Jahren Haft verurteilt. Es ist das erste Mal, dass in den USA die Eltern eines Jugendlichen, der an einer Schule ein Massaker angerichtet hat, mitverantwortlich gemacht werden. Ein historisches Urteil für die USA, wo Amokläufe mittlerweile zum Alltag gehören.

Im Prozess gegen die Eltern des Todesschützen der Oxford High School, über den diese Redaktion bereits im Februar dieses Jahres berichtete, ist es nun zum Schuldspruch gekommen. Die Staatsanwaltschaft lässt sich in ihrem Schlussplädoyer wie folgt zitieren: Die 46-jährige Mutter zeige einen „erschreckenden Mangel an Reue“, der 47-jährige Vater „versäumte es, auch nur das kleinste Mass an normaler Sorgfalt walten zu lassen“. Das Strafmass für Jennifer und James Crumbley beläuft sich auf  zehn bis 15 Jahre Haft. Im vergangenen Jahr wurde der Teenager bereits zu einer lebenslangen Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt. Das Ehepaar sass in Häftlingskleidung auf der Anklagebank. Die beiden hatten um mildere Strafen gebeten und sich bei den Angehörigen der Toten dann doch noch entschuldigt. „Meine Handlungen waren die eines jeden anderen Eltern teils“, hatte der Vater vorher geschrieben.

Waffe als Weihnachtsgeschenk

Die Eltern hatten ihrem Sohn Ethan eine Waffe zu Weihnachten geschenkt, mit der er später an seiner Schule vier Mitschüler:innen zwischen 14 und 17 Jahren tötete und sechs weitere verletzte. Die Mutter, Jennifer Crumbley ,46, wurde bereits Anfang Februar wegen fahrlässiger Tötung in vier Fällen schuldig gesprochen. Sie hatte dem Sohn die Waffe zu Weihnachten geschenkt. Nun, sechs Wochen später, wurde nun auch James Crumbley, 47, verurteilt. Die Richterin Cheryl Matthews betonte, dass es ihre Absicht sei ein abschreckendes Urteil zu fällen. Es gehe nicht nur um Waffenbesitz, sondern um das Versäumnis der Eltern, den Angriff zu stoppen, so die Richterin. Es ist das erste Mal in der Geschichte der USA, dass Eltern wegen der Schusswaffenattacke eines ihrer Kinder in einer Schule verurteilt wurden.

Eltern noch am Tag in der Schule

Der Sohn kündigte seine Tat noch am Tag davor in einem Internetvideo an. Am nächsten Morgen mussten die Eltern bei der Schulleitung zum Gespräch erscheinen, nachdem auf dem Schreibtisch mit Gewaltfantasien entdeckt wurde. Zudem hatte der Sohn den Satz geschrieben: „Die Gedanken hören nicht auf. Helft mir“. Die Eltern wollten ihren Sohn jedoch nicht mit nach Hause nehmen. Nach weniger als einer Viertelstunde verliess das Ehepaar das Schulbüro wieder, offenkundig unbeeindruckt. Auch schickte niemand den Schüler nach Hause. Er hatte seine verstörende Zeichnung damit erklärt, dass er traurig sei, berichtete das Magazin Politico. Seine Grossmutter sei verstorben und sein einziger Freund weggezogen. Es gehe ihm aber nur um sein Interesse an Videospielen, soll er erklärt haben. Ungefähr zwei Stunden danach waren vier junge Menschen tot. Der 15-Jährige zog an jenem Vormittag des 30. November 2021 die Sig Sauer aus seinem Rucksack und erschoss in der Oxford Highschool Justin Shilling, 17, Madisyn Baldwin, 17, Tate Myre, 16, und Hana St. Juliana, 14. Sieben weitere Mitschüler verletzte er. Die Mutter von James erklärte, sie habe nie Grund zu der Annahme gehabt, dass der Teenager zu einer solchen Gewalttat fähig sei.Er habe keine Ahnung von dem gehabt, was sein Sohn tun würde, sagte der Vater.

Wer soll noch zur Rechenschaft gezogen werden

„Es ist das vorläufige Ende von Verhandlungen, die Amerikas Rechtsprechung in solchen Fällen prägen könnte“, schreibt die Süddeutsche Zeitung. Amokläufe auch an Schulen ereignen sich in diesem vor Waffen strotzenden Land in Serie, seit jenem von Columbine 1999 waren es fast 400. Immer wieder versagen dabei Schutzmechanismen aller Art. Gerade wurde in Virginia ein Schulverwalter angeklagt: An seiner Grundschule hatte ein sechsjähriger Erstklässler seine Lehrerin angeschossen. Die Zeitung kommentiert: „Immer drängender wird die Frage gestellt, wer ausser dem Täter oder der Täterin noch zur Rechenschaft gezogen werden darf oder soll. Auch die Schulaufsicht? Und nun also wie in Michigan die Eltern eines Halbwüchsigen, der eine Waffe geschenkt bekam und damit mehrere Leben auslöschte? Juristen sind unterschiedlicher Ansicht, die Wirkung der Causa dürfte jedenfalls über diesen Bundesstaat hinausgehen. Dies sei ein Exempel, sagte der frühere Staatsanwalt Matthew Schneider der New York Times. Und eine Warnung für alle, „die Schusswaffen in ihrem Haus haben, sie unter Verschluss zu halten.“

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