Die Unlust der Schaffhauser Justiz

In einer kürzlich ausgestrahlten Folge der SRF-Sendung «Rundschau» wurde ein beunruhigender Fall von mutmasslicher Vergewaltigung und anschliessender Nötigung und Körperverletzung in Schaffhausen aufgedeckt. Die Berichterstattung wirft ein schlechtes Licht auf die Schaffhauser Polizei und ihre Ermittlungsarbeit. Dieser Bericht fasst die wichtigsten Punkte des Vorfalls und die daraus resultierende Kritik zusammen.

Im Dezember 2021 soll die 43-jährige Amateur-Musikerin Fabienne W. nach einer Party vergewaltigt worden sein. Ihr 15-jähriger Sohn, der ebenfalls anwesend war, bestätigte, dass seine Mutter an diesem Abend völlig anders war als sonst. Beide vermuten, dass Fabienne W. auf der Party ein Betäubungsmittel verabreicht wurde. Ein unbekannter Mann, der sich anbot, auf die betrunkene Fabienne W. aufzupassen, begleitete sie nach Hause. Am nächsten Morgen wachte Fabienne W. neben diesem Mann auf, ohne Erinnerung an die Ereignisse der Nacht. Sie stellte jedoch fest, dass sie sexuell missbraucht wurde. Der Mann behauptete später, der Sex sei einvernehmlich gewesen.

Der Anwalt und die Prügel

Der mutmassliche Vergewaltiger suchte Rat bei einem bekannten Anwalt der Stadt, der ihm riet, vorerst nichts zu unternehmen. Eine Woche später erhielt Fabienne W. eine Einladung zum Abendessen bei diesem Anwalt, den sie nicht persönlich kannte. Sie ging davon aus, dass er sich für ihre Musik interessierte. Stattdessen wurde sie in seiner Wohnung von mindestens drei Männern brutal verprügelt. Überwachungskameras zeichneten die Tat auf. Fabienne W. gab an, dass der Anwalt versucht habe, sie zu nötigen, von einer Anzeige gegen seinen Freund abzusehen.

Am nächsten Morgen wurde Fabienne W. schwer verletzt in der Schaffhauser Altstadt gefunden und ins Krankenhaus gebracht. Die Polizei rief Forensiker hinzu, untersuchte jedoch die Hinweise auf eine mögliche Sexualstraftat nicht weiter.

Ermittlungen der Polizei

Die Polizei suchte in der Wohnung des Anwalts nach Beweismaterial. Der Anwalt behauptete, keine Ahnung zu haben, was vorgefallen sei, und erklärte, der Bildschirm des Computers, auf dem die Überwachungsaufnahmen gespeichert waren, sei kaputt. Die Beamten filmten die Aufnahmen von seinem Handy ab, ohne den Ton mitzuschneiden. Am nächsten Tag kam die Polizei zurück und erhielt einen USB-Stick mit den Aufnahmen.

Die Überwachungsaufnahmen

Die Aufnahmen zeigten, dass der Anwalt bei der Tat anwesend war und dass Fabienne W. ins Schlafzimmer gezerrt und später mit Handschellen zurück ins Wohnzimmer geschleift wurde. Der Anwalt behauptete, Fabienne W. habe zu randalieren begonnen, und die Männer hätten versucht, sie zu beruhigen. Der renommierte Strafverteidiger Konrad Jeker kritisierte die Schaffhauser Behörden scharf. Er warf ihnen vor, ihren Auftrag nicht erfüllt zu haben, indem sie den Hinweisen auf ein mögliches Sexualdelikt nicht nachgegangen seien und die Überwachungsaufnahmen nicht sichergestellt hätten. Er bezeichnete das Vorgehen der Polizei als „unglaublich“ und unprofessionell.

Im Frühling 2023, über ein Jahr nach den Vorfällen, führte die Polizei erneut eine Hausdurchsuchung beim Anwalt durch, um Mobiltelefone sicherzustellen. Sie kehrten jedoch nur mit einem Handy zurück, das der Anwalt freiwillig herausgab. Weitere Handys wurden nicht gesucht. Jeker bezeichnete dies als „Job nicht gemacht“ und sprach von Befehlsverweigerung.

Stellungnahme der Schaffhauser Behörden

Die Schaffhauser Polizei, Staatsanwaltschaft und das Justizdepartement wiesen die Vorwürfe als haltlos zurück. Sie erklärten, dass die «Rundschau» auf den subjektiven Wahrnehmungen und Informationen der Privatklägerin und ihrer Anwältin basiere. Aufgrund des Amtsgeheimnisses sei die Staatsanwaltschaft in ihren Möglichkeiten, die Vorwürfe richtigzustellen, stark eingeschränkt.

Fabienne W. leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung und klagt über Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen. Sie gibt an, dass sie nicht nur die Übergriffe traumatisiert hätten, sondern auch das Vorgehen der Behörden, die die Täter offenbar mit Samthandschuhen angefasst hätten. Das Verfahren wegen Vergewaltigung wurde eingestellt, wogegen Fabienne W. Beschwerde eingelegt hat. In Zusammenhang mit den schweren Misshandlungen wurde noch keine Anklage erhoben.

Proteste in Schaffhausen

Am Samstagnachmittag protestierten rund 500 Personen in der Altstadt gegen das Vorgehen der Schaffhauser Behörden. Die Demonstranten forderten eine lückenlose Aufklärung des Falls durch eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) und eine bessere Zusammenarbeit zwischen Polizei, Opferschutzstellen und Spitälern. Die Demonstranten forderten eine lückenlose Aufklärung des Falls durch eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) und eine bessere Zusammenarbeit zwischen Polizei, Opferschutzstellen und Spitälern. Der Protest wurde von Privatpersonen aus dem Kanton Schaffhausen organisiert und zog auch die Aufmerksamkeit der lokalen Politik auf sich. SP-Nationalrätin Tamara Funicello brachte in einer emotionalen Rede ihre Wut über den Vorfall zum Ausdruck und forderte ebenfalls umfassende Aufklärung.

Die «Rundschau» kritisierte auch das forensische Institut, das die Verletzungen nach der Gewalt im Haus des Anwalts dokumentierte, jedoch keine gynäkologische Untersuchung durchführte. Sticher, der erste Staatsanwalt, erklärte, es habe zu diesem Zeitpunkt keine Hinweise auf eine mögliche Vergewaltigung gegeben.

Die zweite Hausdurchsuchung einen Tag nach der ersten wurde ebenfalls kritisiert, da die Polizei wieder keine relevanten Datenträger mitnahm, sondern nur einen USB-Stick erhielt. Zuber, der stellvertretende Staatsanwalt, verteidigte das Vorgehen der Polizei, indem er auf das Prinzip der Verhältnismässigkeit hinwies.

Mobiltelefon ein Jahr später ausgewertet

Im Frühling 2023, über ein Jahr nach den Vorfällen, führte die Schaffhauser Polizei eine erneute Hausdurchsuchung beim Anwalt durch. Der Auftrag lautete, alle auffindbaren Mobiltelefone sicherzustellen und auszuwerten. Zurück kam die Polizei jedoch nur mit einem Handy, das der Anwalt freiwillig herausgab und versiegeln liess. Nach weiteren Mobiltelefonen wurde nicht gesucht. Konrad Jeker bezeichnete dies als ein weiteres Beispiel dafür, dass die Polizei ihre Aufgaben nicht erfüllt habe. Seiner Meinung nach hätten die Ermittlungsbehörden gründlicher vorgehen und alle potenziellen Beweismittel sicherstellen müssen.

Stellungsnahme der Behörden

(Bild generiert von der KI Midjourney durch Robin Kohler)

Die Schaffhauser Polizei, Staatsanwaltschaft und das Justizdepartement wiesen die Vorwürfe in einer gemeinsamen schriftlichen Stellungnahme als haltlos und falsch zurück. Sie betonten, dass die Ermittlungsarbeit professionell durchgeführt worden sei und dass die Vorwürfe der «Rundschau» auf subjektiven Wahrnehmungen und Informationen der Privatklägerin und ihrer Anwältin basierten. Aufgrund des laufenden Verfahrens und des Amtsgeheimnisses seien sie jedoch in ihren Möglichkeiten, die Vorwürfe richtigzustellen, stark eingeschränkt.

Andreas Zuber, der stellvertretende Staatsanwalt, verteidigte das Vorgehen der Polizei, indem er auf das Prinzip der Verhältnismässigkeit hinwies. Die Behörden erklärten weiter, dass gegen alle an den Übergriffen beteiligten Personen Strafverfahren geführt und diese zeitnah abgeschlossen würden. Sie wiesen den Vorwurf der Befehlsverweigerung entschieden zurück und betonten, dass alle Massnahmen im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben und mit der notwendigen Sorgfalt durchgeführt worden seien.

Die Fragen der Rundschau und die Antworten der Schaffhauser Behörden

Zur Frage, wieso die Überwachungsbilder bei der ersten Hausdurchsuchung vom Mobiltelefon abgefilmt wurden und wieso nicht der Computer sichergestellt wurde, schreibt die Staatsanwaltschaft:

Zu Beginn der Strafuntersuchung habe noch kein Tatverdacht gegen den Anwalt bestanden. Erst nach Sichtung der Videoaufnahmen sei das Ausmass der strafrechtlich relevanten Tathandlungen und die darin involvierten Personen der Strafverfolgungsbehörden bekannt geworden.

Weil das vordringliche Ziel gewesen sei, möglichst rasch die Videoaufnahmen sicherstellen und sichten zu können, seien die Aufnahmen zunächst abgefilmt worden.

Denn aufgrund des Anwaltsgeheimnisses hätte der Anwalt die Siegelung des Computers verlangen müssen. Eine zeitnahe Sichtung wäre so unmöglich gewesen.

Tags darauf seien die Videoaufnahmen der beiden Kameras sichergestellt worden.

Zum Vorwurf, bei der zweiten Hausdurchsuchung beim Anwalt sei der Auftrag ebenfalls nicht erfüllt worden, schreibt die Staatsanwaltschaft:

An der zweiten Hausdurchsuchung seien sämtliche Videoaufnahmen sichergestellt worden, die der Strafverfolgungsbehörde vorlägen und den gesamten Tatablauf in der Wohnung des Anwalts von Anfang bis Ende zeigten. Der Vorwurf, dass die Polizei die Hausdurchsuchungsbefehle nicht auftragsgemäss umgesetzt bzw. die Staatsanwaltschaft ein solches Vorgehen akzeptiert habe, sei damit in keiner Weise zutreffend und entspreche einer falschen Darstellung der Ereignisse.

Zur Frage, wieso die Polizei nicht nach weiteren Mobiltelefonen gesucht hat anlässlich der dritten Hausdurchsuchung:

Zu keinem Zeitpunkt seien Anhaltspunkte vorhanden gewesen, dass der Anwalt im Besitz eines weiteren Mobiltelefons sein könnte, welches für die Strafuntersuchung eine Relevanz aufweisen würde.

Zum Vorwurf, der Schaffhauser Polizei sei mehrfache Befehlsverweigerung vorzuwerfen, schreibt die Staatsanwaltschaft:

Von einer mehrfachen Befehlsverweigerung durch die Schaffhauser Polizei könne nicht ansatzweise gesprochen werden.

Der Kanton Schaffhausen hat noch einen Anwalt mandatiert, der schreibt, dass die Rundschau gestützt auf die subjektiven Wahrnehmungen und Informationen der Privatklägerin und ihrer Anwältin das Vorgehen der Schaffhauser Strafverfolgungsbehörden kritisiere. Die Möglichkeit der Staatsanwaltschaft, die offensichtlichen Unwahrheiten richtigzustellen, seien aufgrund des Amtsgeheimnisses stark eingeschränkt.

Bild unten:  Andreas Zuber, Leiter der Allgemeinen Abteilung bei der Schaffhauser Staatsanwaltschaft.

Der überforderte Andreas Zuber

Der Fall Kümmertshausen war der grösste Prozess, den der Kanton Thurgau je gesehen hat. Mit 500 Bundesordnern und 14 Angeklagten beschäftigte er die Justiz intensiv. Ein gewaltsamer Tod eines 53-jährigen Mannes blieb ungeklärt, und viele Ermittlungsakten wurden unverwertbar. Die Thurgauer Staatsanwälte verrannten sich, handelten eigenmächtig und setzten auf falsche Spuren. Das Bundesgericht stellte 2015 „zahlreiche“ und „teilweise krasse“ Verfahrensfehler fest und schickte die beiden Staatsanwälte, darunter Andreas Zuber,  in den Ausstand. Wenig später wechselten sie zur Schaffhauser Strafverfolgungsbehörde, ohne dass die Justizkommission des Kantonsrats ausreichend informiert war.

Die Vorwürfe gegen Zuber

Der leitende Schaffhauser Staatsanwalt Andreas Zuber und seine ehemalige Kollegin B. mussten sich im Mai 2023  vor dem Frauenfelder Bezirksgericht wegen Urkundenfälschung und Amtsmissbrauch verantworten. Ein Staatsanwalt auf der Anklagebank ist selten und macht die Dimension des Prozesses deutlich. Der ausserordentliche, aus St. Gallen beigezogene Anklagevertreter forderte lediglich eine bedingte Geldstrafe, doch der Fall berührte das Selbstverständnis eines Berufsstandes.

Othmar Kuraths Engagement

Othmar Kurath, der Pflichtverteidiger eines Hauptangeklagten im Fall Kümmertshausen, entdeckte die staatsanwaltlichen Verfehlungen. Er wurde unbequem für Zuber und B., die ihn entliessen, was das Bundesgericht als „rechtsfehlerhaft“ und „ungewöhnlich“ taxierte. Sie setzten einen anderen Pflichtverteidiger ein, doch die Entlassung wurde gerichtlich widerrufen. Kurath kehrte zurück und entdeckte weitere Verfehlungen: Während einer Einvernahme sagte sein Mandant, Kurath habe geraten, keine Aussage zu machen. Staatsanwältin B. äusserte eine potenzielle Drohung, die Zuber nicht ins Protokoll aufnahm – daher die Anklage wegen Urkundenfälschung.

Weitere Verfehlungen

Mitten in der Einvernahme erhielten die Staatsanwälte eine telefonische Weisung, die Befragung abzubrechen. Das Duo machte jedoch weiter, was zur Anklage wegen Amtsmissbrauch führte. Zudem überwachten sie Herrn D. und seine Familie länger als erlaubt und wollten die gesammelten Daten gegen D. verwenden. Der Fall Kümmertshausen wurde im März 2023 abgeschlossen: Herr D. erhielt eine bedingte Haftstrafe von 20,5 Monaten und eine Entschädigung für fast vier Jahre Untersuchungshaft. Im Prozess gegen Zuber und B. ist er Privatkläger, vertreten von Kurath.

Verhandlung und Verteidigung

Am Verhandlungstag verteidigte sich Andreas Zuber vehement. B. erschien nicht und wurde wegen persönlicher Verhältnisse dispensiert. Ihr Verteidiger betonte die psychischen Belastungen des Strafverfahrens. Zuber verweigerte die Aussage und betonte die enormen Auswirkungen auf ihn und seine Familie. Richter Hunziker, der mit Zuber per Du ist, reagierte verständnisvoll. Anklagevertreter Beat Fehr aus St. Gallen zeigte Verständnis für die Beschuldigten und erwähnte die psychischen Belastungen, die B. durch das Verfahren erlitt.

Urteilsverkündung

Am Ende des Prozesses wurde Zuber und B. freigesprochen. Das Gericht sah die Handlungen als Verfahrensfehler, nicht als Urkundenfälschung und Amtsmissbrauch. Beide erhielten eine Genugtuung von 5000 Franken. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, und die Privatkläger überlegen, ob sie es weiterziehen.

Der Fall zeige, schreibt die Schaffhauser AZ. wie schwierig es für die Justiz sein kann, gegen eigene Leute vorzugehen, und hinterlasse ein Bild überforderter Staatsanwälte, denen ein grosser Fall über den Kopf gewachsen ist.

One thought on “Die Unlust der Schaffhauser Justiz

  1. Ich muss leider sagen, dass ich dem Justizsystem in Schaffhausen nicht vertrauen kann. Es scheint nicht unabhängig zu sein. Wer in Schaffhausen lebt, kann dies selbst feststellen. Die Fälle werden nicht ernst genommen.

    Ich hatte 2021 während meiner Ausbildung einen Arbeitsunfall und habe weder eine Entschädigung noch Taggeld erhalten. Niemand hat mich jemals gefragt, wer ich bin und was passiert ist, obwohl alle beteiligten Parteien über meinen Fall informiert waren. Niemand hat mir Gerechtigkeit verschafft und ich leide immer noch darunter. Ich kann leider nicht zu 100 % arbeiten und möglicherweise steht mir bald eine Operation bevor.

    In Schaffhausen läuft etwas gravierend falsch.

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