Vom Kämpfer gegen Rassismus zum zweifelhaften Pflichtverteidiger?

Dr. David Gibor ist in der Schweizer Öffentlichkeit kein Unbekannter. Der Zürcher Strafverteidiger tritt in den Medien regelmässig als Experte auf, insbesondere wenn es um Fragen der Justiz und Menschenrechte geht. Bekannt wurde er durch sein vehementes Engagement gegen Rassismus und Diskriminierung. Er bezog nicht nur mehrfach öffentlich Stellung gegen diverse Politiker der SVP und andere politische Exponenten, sondern klagte auch in aufsehenerregenden Fällen, unter anderem gegen die deutsche BILD-Zeitung. Doch während er sich nach aussen als unermüdlicher Kämpfer für Gerechtigkeit präsentiert, wirft ein aktueller Fall ein fahles Licht auf seine Professionalität. Der betroffene Anwalt David Gibor hat auf die Fragen von INSIDE-JUSTIZ materiell nicht Stellung genommen, mit Datum vom 23. Dezember 2024 aber die in der rechten Spalte abgebildetete Gegendarstellung verlangt.

„INSIDE JUSTIZ hatte bereits vor einigen Tagen über den Fall von Alois V. berichtet, der aktuell für Aufsehen sorgt. In dem Fall wird dem Zürcher Anwalt Dr. David Gibor (Bild links) vorgeworfen, massiv gegen berufsethische Normen verstossen zu haben. Statt seinen Klienten mit der gebotenen Sorgfalt und dem versprochenen Engagement zu vertreten, habe er ihn im Stich gelassen haben – und das, obwohl er ein beträchtliches Honorar kassierte habe. Der Klient, dessen Fall durchaus Aussicht auf Erfolg gehabt hätte, berichtet, dass er von Gibor kaum Unterstützung erhalten habe und stattdessen mit leeren Versprechungen abgespeist worden sei.

Das Gutachten

Im Rahmen eines Gutachtens hat Prof. Dr. Marcel Alexander Niggli (Bild rechts) die anwaltliche Tätigkeit von Gibor, der als Pflichtverteidiger im Fall Alois V. eingesetzt war, untersucht. Niggli ist einer der renommiertesten Strafrechtler der Schweiz, lehrt an der Universität Fribourg und ist Mitherausgeber des BASLER KOMMENTAR STRAFRECHT, quasi der «Bibel» im Schweizer Strafrecht. Sein Urteil zur Arbeit von Verteidiger Gibor ist vernichtend: Die Verteidigung durch Gibor sei in fast allen wesentlichen Punkten unzureichend gewesen.

Das Gutachten liegt INSIDE JUSTIZ exklusiv vor und zeigt auf, wie mangelnde Sorgfalt und eklatante Pflichtverletzungen die Rechte von Alois V. massiv beeinträchtigten – eine Verteidigung, die nach Ansicht des Gutachters weder die Standards des Anwaltsberufs erfüllte noch den Anforderungen der Schweizer Strafprozessordnung genügte. INSIDE JUSTIZ zitiert in der Folge aus dem Gutachten.

Versäumnisse bei der Akteneinsicht

«Die Pflicht eines Verteidigers, die Akten einzusehen und zu prüfen, ist elementar. Dem Beschuldigten müssen dabei – das dürfte ausser Streit stehen – sämtliche Beweiserhebungen zugänglich sein, d.h. alle vorhandenen Akten und nicht nur eine durch die Staatsanwaltschaft unternommene Auswahl davon. Das gibt auch das Urteil des BGZ zu (unter Berufung auf BGer, 6B_403/2018, E. 2.3.3 f.) Im vorliegenden Fall, so der Gutachter, habe Gibor jedoch diese zentrale Aufgaben völlig vernachlässigt

«Rechtsanwalt Gibor hielt sich offenbar nicht für zuständig, den Anspruch seines Klienten auf Akteneinsicht zu gewährleisten. Vielmehr verwies er dafür seinen Klienten offenbar an die Staatsanwaltschaft, obschon diese selbst in einem Schreiben vom 4. Juli 2019 betont hatte, dass die Akteneinsicht in der Regel über den Rechtsanwalt und auf Papier erfolgt. Das entspricht ja auch Art. 102 Abs. 2 Satz 2 StPO, gemäss welchem die Akten in der Regel dem Rechtsbeistand zugestellt werden.»

Niggli wörtlich:

  • «Rechtsanwalt Gibor hat die Sichtung der Telefonüberwachungsprotokolle offenbar vollständig seinem Mandanten überlassen und ist sie mithin nicht gemeinsam mit ihm durchgegangen, um relevante Informationen herauszufiltern. In casu hat der Mandant (nicht sein Rechtsvertreter) einen Teil der Tonaufnahmen (nicht alle) auf CD erhalten (nicht verschriftlicht). Er hat sie in der Untersuchungshaft erhalten, also unter höchst ungünstigen Umständen. Sein damaliger Verteidiger hingegen hat die Dateien nie erhalten und sie auch nicht angehört, schon gar nicht gemeinsam mit seinem Mandanten. Gerade dies aber wäre für eine effektive und genügende Verteidigung unumgänglich gewesen. […] Dies zeugt bestenfalls von Faulheit und schlimmstenfalls von der Unwilligkeit, die eigene Arbeit korrekt zu tun.»
  • «Ein Rechtsanwalt hat grundsätzlich selbst dafür zu sorgen, dass seinem Klienten alle relevanten Akten zugänglich gemacht werden. […] Rechtsanwalt Gibor hat seinen Klienten im Wesentlichen sich selbst und der Staatsanwaltschaft überlassen.»
  • «Soweit nun Rechtsanwalt Gibor sicherzustellen versäumt hat, dass sein Klient alle Untersuchungsakten einsehen konnte, sondern in dieser Hinsicht untätig blieb, stellt dies zweifellos ein Verhalten entgegen den Interessen seines Klienten dar, zu deren Wahrung der Verteidiger gemäss Art. 128 StPO verpflichtet ist.»
  • «Statt sich um Akteneinsicht für seinen Mandanten zu bemühen, hat Rechtsanwalt Gibor mit E-Mail vom 5. Oktober 2018 die Staatsanwaltschaft ersucht, seinem Mandanten die Akten direkt zukommen zu lassen. Er hat sich danach offenbar auch dann nicht mehr um die Sache gekümmert, als die Staatsanwaltschaft die fraglichen Akten nicht per Stick ins Gefängnis übermitteln konnte. Ein Rechtsanwalt hat grundsätzlich selbst dafür zu sorgen, dass seinem Klienten alle relevanten Akten zugänglich gemacht werden. Demgegenüber hat Rechtsanwalt Gibor seinen Klienten im Wesentlichen sich selbst und der Staatsanwaltschaft überlassen.»
  • «Die Verteidigung schuldet ihrem Mandanten Beistand, Beratung und Unterstützung, nicht nur reine prozessuale Stellvertretung.Statt auf die Hilfe ausgerechnet der Staatsanwaltschaft zu hoffen, die ja gerade den Mandanten beschuldigt und hier zweifellos die Gegenseite darstellt, ist höchst problematisch. Vielmehr hätte Rechtsanwalt Gibor im Interesse seines Klienten selbst aktiv tätig werden müssen, insbesondere da sich der Mandant zur fraglichen Zeit schon über einem Jahr in Untersuchungshaft befand.»
  • «Damit hat Rechtsanwalt Gibor seine Beistandspflicht vernachlässigt. Eine genügende Verteidigung kann in dieser Hinsicht nicht vorgelegen haben.»

Fehlende Beweisanträge und Anträge

Im Weiteren kritisiert Niggli die Passivität Gibors bei der Einreichung von Beweisanträgen.

  • «In den gesamten Untersuchungsakten finden sich offenbar keine Beweisanträge oder Editionsbegehren durch Rechtsanwalt Gibor. […] Angesichts der Verfahrensdauer von fünf Jahren mit mindestens 17 Geschädigten (so das Urteil des BGZ vom 20. März 2023) – nicht zu sprechen von einer Haftzeit von 3 Jahren – erscheint dies höchst eigenartig und jedenfalls extrem aussergewöhnlich
  • Parallel zum Verfahren wurden gegen weitere Personen Strafverfahren geführt, deren Akten wohl hätten ediert werden müssen. Unverständlich scheint auch, warum nicht andere Arbeitnehmer als Entlastungszeugen einvernommen wurden oder wenigstens die Mandatsakten der anderen, in das Verfahren vor oder neben Rechtsanwalt Gibor involvierten Verteidiger.»
  • «Ebenso problematisch war Gibors Verhalten bei Anträgen seines Mandanten. So stellte Alois V. beispielsweise mit Eingabe vom 27. Februar 2019 eigenständig einen Antrag auf Durchführung eines abgekürzten Verfahrens, der von Gibor weder unterstützt noch rechtlich untermauert wurde. Ein weiteres Beispiel ist der Antrag auf Verfahrensvereinigung, den Alois V. ebenfalls ohne Unterstützung seines Verteidigers einreichen musste.»
  • Dass all dies nicht geschah, lässt sich – nochmals: angesichts einer Vertretungsdauer von 5 Jahren – kaum anders erklären, denn mit dem Ungenügen der Verteidigung.» 
  • «Ein Anwalt ist grundsätzlich weisungsgebunden, solange die Instruktionen möglich und nicht rechts- oder sittenwidrig sind. Dagegen spräche nur die sorgfältige Berufsausübung gemäss Art. 12 BGFA und das Auftragsrecht, wonach die Befolgung einer prozessschädlichen Weisung zu einer Sorgfaltspflichtverletzung führen könnte. Die Weisung im vorliegenden Fall war aber weder chancenlos noch schädlich für die Interessen des Mandanten.»
  • «Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass der Wille eines urteilsfähigen Mandanten für seinen Verteidiger grundsätzlich bindend und beachtlich ist, und zwar sowohl für die erbetene als auch die amtliche Verteidigung. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Erhebung bzw. Nichterhebung eines Rechtsmittels. Untätigkeit eines Verteidigers trotz klar entgegengesetztem Willen des Mandanten und gewisser Erfolgschancen stellt ein disziplinarrechtlich relevantes Verhalten dar, das für den Verteidiger pflichtwidrig ist und zu disziplinarischen Konsequenzen führt.»
  • «Es versteht sich, dass ein pflicht- und standeswidriges Verhalten des Verteidigers, jedenfalls soweit es die prozessuale Stellung des Mandanten beschlägt, keine genügende Verteidigung darstellen kann.»

Verfahrensvereinigung

«Am 13. April 2019 stellte Alois V.  gegenüber der Staatsanwaltschaft Antrag auf Verfahrensvereinigung gemäss Art. 29 Abs. 1 StPO mit den Parallelverfahren gegen AV, , RH, QB und AS. Die Staatsanwaltschaft leitete diesen Antrag zur Stellungnahme offenbar an alle betroffenen Rechtsvertreter, so auch an Rechtsanwalt Gibor, zur Stellungnahme weiter. Rechtsanwalt Gibor liess dazu nicht selbst vernehmen, sondern unterliess es sogar, den von Alois V. selbständig eingereichten Antrag durch seine Stellungnahme zu unterstützen. Die Unterstützung dieses keineswegs abwegigen Antrags lag sehr wohl im Interesse des Mandanten, dem Rechtsanwalt Gibor nach Art. 128 StPO verpflichtet gewesen wäre. Rechtsanwalt Gibor liess seinen Mandanten auf eigene Faust handeln und bot seinen Eingaben kein juristisches Rückgrat. Auch auf eine nachträgliche Bestätigung seines Handelns konnte Alois V. nicht hoffen. Das kommt einer mehrfachen Verweigerung gleich, den Mandanten in prozessualen Angelegenheiten zu beraten und zu unterstützen.»

«Rechtsanwalt Gibor versäumte es, die nötige Unterstützung zu bieten, wenn er Eingaben seines juristisch unausgebildeten Mandanten ungeprüft und ohne eigenständige Ergänzungen prozessual wirksam werden liess. Eingaben eines Nicht-Juristen, insbesondere wenn sich derselbe schon länger in Untersuchungshaft (also in einem Zustand der Bedrängnis) befindet, werden weniger stichhaltig sein und geringere Aussichten auf Erfolg haben. Die Interessen des Mandanten werden damit erheblich verletzt.»

Selbst wenn von einer paternalistischeren Verteidigungskonzeption ausgegangen würde, bei der die Prozessstrategie primär von der Strafverteidigung ausgearbeitet wird, ohne dass sich der Mandant zwingend dazu äussern muss, müsste ein Verhalten wie dasjenige von Rechtsanwalt Gibors den Interessen des Mandanten schaden. Hätte Rechtsanwalt Gibor die Eingaben seines Mandanten für unsinnig befunden und nicht gewollt, dass sie im Prozess vorgebracht werden, so hätte er sich vorab mit seinem Klienten in Kontakt setzen und die Eingaben verhindern oder abändern müssen. In der Korrespondenz zwischen Rechtsanwalt Gibor und seinem Mandanten finden sich aber offenbar keinerlei derartige Interventionen.»

«Untätigbleiben und den Prozess einfach treiben zu lassen, stellt zweifellos Pflichtvernachlässigung der Verteidigung dar. Die Verteidigung muss sich vielmehr situativ an die jeweilige Verfahrenssituation anpassen und stets die Interessen und Ziel des Mandanten im Auge behalten.»

Fristversäumnisse und mangelnde Initiative

«Rechtsanwalt Gibor liess Alois V. mehrmals selbst Stellung beziehen, ohne sich selbst in der Sache zu äussern oder die Stellungnahmen seines Mandanten zu prüfen. Rechtsanwalt Gibor unterliess damit die zentralen Aufgaben eines rechtlichen Beistands und Verteidigers. Ein Rechtsanwalt, der jegliche Korrespondenz ohne zusätzliche Sichtung oder Beratung seinem Mandanten überlässt, ist überflüssig, wird er doch gerade wegen rechtlichem Beistand und Expertise zu Rate gezogen.»

Einen besonders gravierenden Vorfall stellte aus Gutachtersicht das Versäumnis einer zentralen Frist dar. Rechtsanwalt Gibor überliess es seinem Mandanten, eine Stellungnahme einzureichen, und diese erfolgte zudem noch verspätet. Niggli wörtlich:

«Das Fristversäumnis am 25. November 2019 sticht besonders eklatant heraus. Rechtsanwalt Gibor antwortete auf ein Ersuchen der Staatsanwaltschaft, mit dem eine Frist bis zum 23. November 2019 gesetzt war, erst zwei Tage nach Ablauf dieser Frist und zudem noch mit einer von seinem Mandanten verfassten Stellungnahme. Rechtsanwalt Gibor hielt es nicht für nötig, der Stellungnahme eigene Ergänzungen hinzuzufügen.»

«Fristversäumnisse sind anwaltliche Kardinalsünden par excellence. […] Sie führen im schlimmsten Fall zum Rechtsverlust des Mandanten und deuten im Allgemeinen auf Unsorgfalt hin, auftragsrechtlich ebenso wie anwaltsrechtlich.»

«Es kann vorkommen, eine Frist aus reinem Versehen und zeitlicher Überlastung verpasst wird, in casu aber erscheint dies als weiteres Indiz einer unverantwortlichen Berufsausübung durch Rechtsanwalt Gibor. Die fragliche Stellungnahme wurde nicht von ihm selbst, sondern von seinem Mandanten verfasst. Bemerkenswert ist, dass der Mandant das Ersuchen der Staatsanwaltschaft erst einen Tag vor Ablauf der gesetzten Frist von seinem Verteidiger erhielt – am 22. November 2019, obwohl Rechtsanwalt Gibor das Schreiben bereits am 15. November 2019 erhalten hatte. Wohl im Wissen darum, dass die Frist versäumt wurde, unterliess er es, eigene Ergänzungen oder Erklärungen beizufügen. Das deutet doch sehr stark auf Gleichgültigkeit hin.»

Keine Haftentlassungsgesuche

Während der dreijährigen Untersuchungshaft von Alois V. stellte Gibor kein einziges Haftentlassungsgesuch. Niggli zu:

«Während den drei Jahren, in welchen sein Mandant in Untersuchungshaft war, finden sich in den Akten nur sieben Eingaben von Rechtsanwalt Gibor, eigentliche Eingaben sogar nur fünf, denn in zwei Eingaben verweist Rechtsanwalt Gibor ausschliesslich auf die Stellungnahme seines Mandanten.»

«Er nahm lediglich Stellung, wenn es um die Verlängerung der Untersuchungshaft ging. Dies dürfte allerdings darauf zurückzuführen sein, dass die Unterlassung einer derartigen Stellungnahme schon als Anwaltspflichtverletzung gewertet worden war.»

«Grundsätzlich sind beide Verhaltensweisen nicht unzulässig. Es erscheint aber symptomatisch, dass im Verlauf der fünf Jahre, in welchen Rechtsanwalt Gibor seinen Mandanten vertreten hat, er hier, in einem wirklich zentralen Kernbereich, nur gerade fünf eigene Eingaben formuliert hat. Zum Vergleich: In derselben Zeit hat er insgesamt 25 Eingaben gemacht, 11 davon betreffen das Verhältnis zu seinem Mandanten (inkl. Honorar). Wenn über fünf Jahre doppelt so viele Eingaben eines Rechtsanwaltes alleine sein Verhältnis zum Mandanten betreffen wie Eingaben zu dessen Freiheit, so bekräftigt das den Eindruck einer ungenügenden Verteidigung.»

«Schliesslich ist zu bemerken, dass sich bereits aus einem Schreiben von Alois V. an die Staatsanwaltschaft vom 5. September 2018 ergibt, dass Rechtsanwalt Gibor höchst unwillig war, im Kontext von Konfrontationseinvernahmen Ergänzungsfragen zu stellen, obwohl ihm sein Klient solche per Post hatte zukommen lassen. Gemäss diesem Schreiben hat das nicht nur die zuständige Staatsanwältin bemerkt, sondern offenbar auch der anwesende Vertreter des befragten Privatklägers Z. Diese Einvernahme alleine müsste an sich genügen darzutun, dass bereits in einer frühen Verfahrensphase eine ungenügende Verteidigung bestand. Diese Mängel hat der Mandant bei der Oberstaatsanwaltschaft offenbar mit Schreiben vom 25. September 2018 und 4. Oktober 2018 moniert.»

Professor Niggli bemerkt dazu:

«Zwar kann nun der Verteidigung nicht zugemutet werden, lediglich Willensvollstrecker und Sprachrohr ihres Mandanten sein zu müssen, sie sollte auch beratend und leitend tätig sein (dürfen). Grundsätzlich, und das kann nicht oft genug wiederholt werden, ist die Verteidigung an die Weisungen der Mandantschaft gebunden, das ergibt sich bereits auf dem Auftragsrecht. D.h. der Anwalt ist an die Weisungen der Klientschaft gebunden, solange sie nicht rechts- oder sittenwidrig sind. Und selbst dort, wo die Verteidigung von den Weisungen der Klientschaft abweichen muss, hat dies stets im – zwar bevormundeten – Interesse des Klienten geschehen. Selbst wenn also die (berechtigte) Kritik an der paternalistischen Verteidigungskonzeption ausser Acht gelassen würde, bliebe in casu höchst fragwürdig, ob das Nichtstellen von Ergänzungsfragen bzw. das Nichtbeachten der Weisungen des Klienten in seinem Interesse lag. Es hätten ja mit Ergänzungsfragen und insbesondere mit deren rechtlicher Umformulierung zusätzliche Informationen erschlossen werden können. Das hätte dem weiteren Prozessverlauf wahrscheinlich nur genützt, jedenfalls aber nicht geschadet.» 

Beweisanträge und Editionsbegehren

Schliesslich sei auf die weitestgehende Inexistenz von Beweisanträgen und Editionsbegehren durch Rechtsanwalt Gibor hinzuweisen.

«Abgesehen von zwei Eingaben (vom 9. August und 2. Oktober 2017, beide betreffs Übertragung auf Papier und Vorhalt der verfügbaren Aufzeichnungen der Telefongespräche) finden sich offenbar in den gesamten Untersuchungsakten keine Beweisanträge oder Editionsbegehren.»

«Angesichts der Verfahrensdauer von 5 Jahren mit mindestens 17 Geschädigten (so das Urteil des BGZ vom 20. März 2023) – nicht zu sprechen von einer Haftzeit von 3 Jahren – erscheint dies doch höchst eigenartig und jedenfalls extrem aussergewöhnlich.  »

«Parallel zum Verfahren wurden gegen weitere Personen Strafverfahren geführt, deren Akten wohl hätten ediert werden müssen. Unverständlich scheint auch, warum nicht andere Arbeitnehmer als Entlastungszeugen einvernommen wurden oder wenigstens die Mandatsakten der anderen, in das Verfahren vor oder neben Rechtsanwalt Gibor involvierten Verteidiger. »

«Dass all dies nicht geschah, lässt sich – nochmals: angesichts einer Vertretungsdauer von 5 Jahren – kaum anders erklären, denn mit dem Ungenügen der Verteidigung. »

Das Vertrauensverhältnis und Intensität zwischen Anwalt und Mandant

Auch das Vertrauensverhältnis zwischen Gibor und seinem Mandanten war offenbar über lange Zeit massiv gestört. Niggli weist jedoch darauf hin, dass eine unzureichende Verteidigung unabhängig von einem beschädigten Vertrauensverhältnis beurteilt werden könne:

«Wie bereits erwähnt lässt sich vorliegend völlig unabhängig vom Bestehen eines Vertrauensverhältnisses die Frage nach einer genügenden Verteidigung beantworten. Wie die vorgenannten Beispielsbereiche (Nichtübergabe von Akten bzw. Aktenvernichtung, mangelnde Akteneinsicht (Untersuchungsakten, Telefonüberwachungsprotokolle und E-Mail ), prozessuale Anträge, Stellungnahmen, Haftentlassungsgesuche, Ergänzungsfragen sowie Beweisanträge und Editionsbegehren belegen, kann es keinem Zweifel unterliegen, dass eine genügende und wirksame Verteidigung im vorliegenden Fall nicht bestanden haben kann

«Vergleicht man den vorliegenden Fall mit den in der Kasuistik zu Art. 134 StPO genannten Konstellationen, wo z.B. keine oder zu kurze Stellungnahmen und Teilnahmslosigkeit erwähnt werden, so erscheint nicht wirklich zweifelhaft, dass in casu eine unwirksame Verteidigung vorgelegen hat, wenn keine Eigeninitiative entwickelt wurde z.B. bei der Beweiserhebungen oder mit Ergänzungsfragen und wenn mehrfach gegen den ausdrücklich erklärten Willen des Mandanten gehandelt oder eben nicht gehandelt wurde.»

«Entsprechend muss es notwendigerweise zu kurz greifen, wenn die Schwierigkeiten im vorliegenden Fall einfach der Mandantschaft zugerechnet werden, in dem alles unter dem Titel des Vorliegens bzw. Nichtvorliegens eines Vertrauensverhältnisses diskutiert wird und ein beschädigtes Vertrauensverhältnis als «Strategie» der Mandantschaft qualifiziert wird.62 Wie die vorstehend genannten Beispiele eindrücklich belegen, können die genannten Versäumnisse der Verteidigung ohne Weiteres diskutiert und beurteilt werden, ohne dass die Frage des Vertrauensverhältnisses überhaupt gestellt werden müsste.»

Das Ungenügen der Verteidigung

Das Gutachten kommt zu einem klaren Schluss:

«Rechtsanwalt Gibor ist den genannten Pflichten offensichtlich nicht genügend nachgekommen. Weder bemühte er sich, alle relevanten Akten zu erhalten und einzusehen, noch prüfte er wichtige Belege, wie die Untersuchungsakten, Telefonprotokolle oder E-Mails in gewissenhafter und sorgfältiger Weise. Jede Verteidigung muss aber scheitern ohne fundierte Informationsgrundlage, weil ohne sie eine sinnvolle Beratung oder Prozessführung nicht gewährleistet werden kann. Weiter obläge es einer genügenden Verteidigung, nach eingehendem Studium der Aktenlage, im Interesse des Mandanten auch tatsächlich tätig zu werden. Wer nicht oder mit ungenügendem Nachdruck tätig wird, oder auch trotz klarer Aufforderung seines Mandanten passiv bleibt, verletzt unstrittig seine Anwaltspflicht. Was anderes sollte denn eine Verteidigung anderes tun, als tatsächlich verteidigen?»

«Selbst bei der Beendigung seines Mandates bzw. dessen Übergang auf seinen Nachfolger erschwerte Rechtsanwalt Gibor den reibungslosen Fortgang des Prozesses. Rechtsanwalt Isenring erhielt von ihm bei der Mandatsübernahme keine Dokumente zum Strafverfahren, obwohl alle relevanten Belege hätten aufbewahrt werden müssen.»

Gesamthaft ergibt sich damit das Folgende: Auch wenn einzelne Handlungen von Rechtsanwalt Gibor für sich betrachtet nicht unzulässig oder völlig ungenügend erscheinen, muss die Verteidigung insgesamt als ungenügend und unwirksam qualifiziert werden. Diese Qualifikation muss für die gesamte Dauer gelten, von Beginn an bis zum Schluss

«Es dürfte m.E. keinem Zweifel unterliegen, dass mit einer derartigen Verteidigung die Rechte des Mandanten (Art. 134 Abs. 2 StPO; Art. 31 Abs. 2 und 32 Abs. 2 BV; Art. 6 Ziff. 1 und 3 EMRK) verletzt wurden.»

Und kommt zur Einschätzung: «In meinen Augen war aus den vorstehend ausgeführten Gründen die Verteidigung von Alois V. ungenügend und unwirksam.»

Besonders bemerkenswert ist, dass Gibor für seine Tätigkeit laut Unterlagen ein Honorar von 268’000 Franken erhielt – ein Betrag, der in keinem Verhältnis zu den erbrachten Leistungen steht.

Hollywoodreife Inszenierung

Alois V. hatte sich über die fünf Jahre, die er von Gibor vertreten worden war, mit unzähligen Eingaben gegen seinen Pflichtverteidiger gewehrt und immer wieder dessen Ablösung beantragt. Gehört wurde er von den Behörden nie – stattdessen als Querulant abgestempelt. Als es schliesslich auf die Hauptverhandlung zuging, schlug Gibor, von dem weder Plädoyer–Notizen noch irgendwelche andere Handakten vorliegen, seinem Mandanten einen Deal der speziellen Art vor.

Gemäss den INSIDE JUSTIZ vorliegenden Verfahrensakten solle Gibor Alois V. vorgeschlagen haben, ihn tätlich anzugreifen, damit er, Gibor, mit Verweis auf die Tätlichkeit die Pflichtverteidigung zurückgeben könne. Der Vorschlag geht auf eine analoge Sequenz in der Netflix-Serie ‚Lincoln Laywer‘ zurück, wo ein Beschuldigter mit dieser Masche einen Prozess gegen sich zu verhindern suchte. Alois V. ging auf den hollywoodreifen Deal nicht ein, Gibor brachte gegenüber Richter Aeppli die – gemäss Aussagen von Alois V. erfundene – Tätlichkeit gleichwohl vor und wurde schliesslich kurz vor der erstinstanzlichen Hauptverhandlung aus dem Pflichtmandat entlassen.

Vernichtung von Akten und die Folgen

Als Gibor die Akten seinem Nachfolger, einem renommierten Zürcher Wirtschaftsanwalt weiterreichen sollte, platze die nächste Bombe. Gibor konnte keine Akten übergeben. Das Gutachten von Professor Niggli hält dazu fest:

«Ob die Aktenvernichtung dabei vorsätzlich erfolgte, spielt für die Frage der genügenden Verteidigung keine Rolle, denn schon eine irrtümliche Vernichtung der Mandatsakten verstösst gegen Art. 12 lit. a BGFA und Art. 958f Abs. 1 OR, wonach Mandatsakten 10 Jahre nach Ende des Mandats aufbewahrt werden müssen. Die Mandatsführung erscheint also bereits aufgrund dieser einen Tatsache als pflichtwidrig unsorgfältig. Die Nichtübergabe des Aktendossiers an einen nachfolgend mandatierten Rechtsanwalt stellt zudem eine Verletzung der Berufspflichten des Anwalts dar.»

Mit anderen Worten: Gibor behauptete, die Fallakten seien durch seine Kanzlei aus Versehen vernichtet worden. Der Verlust der Akten machte es für den neu eingesetzten Pflichtverteidiger nicht nur unmöglich, den Verlauf der Verteidigungsstrategie zu rekonstruieren, sondern beeinträchtigte auch die zukünftige Verteidigung erheblich. Im Niggli-Gutachten heisst es dazu:

«Selbst mehrfache, detaillierte und umfassende Instruktionsgespräche mit dem Mandanten können den Mangel an Dokumenten und der damit belegten Tatsachen und Ereignisse nicht wettmachen, weil nur schon bzgl. der Frage, ob überhaupt eine Verteidigungsstrategie bestand und ggf. welche, nicht einmal minimale Angaben möglich sind, nicht wettmachen.»

Ein Parteiengutachten?

Diese katastrophale Einschätzung der Arbeit des früheren Pflichtverteidigers wirft viele kritische Fragen auf – nicht nur gegenüber Gibor: Der neue Pflichtverteidiger von Alois V. legte die Ungereimtheiten im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Bezirksgericht Zürich offen auf den Tisch: Der Spruchkörper unter Richter Sebastian Aeppli (Grüne Partei) wischte alle Einwände vom Tisch. Aber auch Staatsanwältin Runa Meier muss sich kritische Fragen gefallen lassen: Die Untersuchungsbehörde ist in der Verantwortung, für eine rechtstaatlich korrekte Verteidigung zu sorgen. Meier hätte nicht entgehen dürfen, dass Pflichtverteidiger Gibor seinen Pflichten nicht nachkam. Gleichwohl deckte sie Gibor über Jahre. Kam ihr die schludrige Arbeit von Gibor gerade recht, um in dem denkwürdigen Fall die gewünschte langjährige Verurteilung gegen Alois V. zu erzielen?

Meier antwortet auf die Nachfragen von INSIDE-JUSTIZ nicht selbst. Sondern lässt Erich Wenzinger von der Medienstelle der Oberstaatsanwaltschaft mitteilen, die von Alois V. beantragten Anwaltswechsel seien nicht von ihr, sondern vom Büro für amtliche Mandate geprüft und abgewiesen worden. Wenzinger verweist auch auf ein Urteil des Obergerichts, an das Alois V. mehrfach gelangt war. Das Obergericht und dessen teilweise beschwerdeweise weitergezogenen Urteile auch das Bundesgericht hatten die – wiederholt beantragten – Anwaltswechsel als rechtsmissbräuchlich beurteilt und dem Beschuldigten selbst die Verantwortung dafür in die Schuhe geschoben: «Der Beschwerdeführer weist zwar zu Recht darauf hin, dass er Anspruch auf eine wirksame und effektive Verteidigung hat. Behindert er diese jedoch durch sein eigenes Verhalten, trägt er die entsprechenden Konsequenzen. Einen Wechsel der amtlichen Verteidigung kann er dadurch nicht erzwingen», schreibt das Zürcher Obergericht in einem der Urteile. – Eine fragwürdige Begründung unter dem Blickwinkel des Gutachtens von Niggli, der klar postuliert, dass die Verteidigungsrechte durch den Pflichtverteidiger unabhängig von dessen Verhältnis zum Beschuldigten und dessen Verhalten korrekt wahrzunehmen sind. Zum Gutachten von Niggli hält Wenzinger fest: «Das von Ihnen genannte Parteigutachten basiert auf unzutreffenden und unvollständigen Tatsachen und setzt sich namentlich nicht mit dem obergerichtlich festgestellten Rechtsmissbrauch auseinander.»

INSIDE JUSTIZ berichtet über diesen Fall bewusst unter Nennung des betroffenen Anwalts. Einerseits ist er durch seine öffentlichkeitswirksam vorgetragenen Strafanzeigen gegen verschiedene Politiker und Medien zu einer Figur der Zeitgeschichte geworden. Zum anderen besteht an der Namensnennung ein überwiegendes öffentliches Interesse: Beschuldigte, die einer schweren Straftat verdächtigt und allenfalls sogar in Untersuchungshaft versetzt werden, sehen sich einer kaum zu überbietenden Belastungssituation gegenüber. Ihr Pflichtverteidiger ist in dieser Situation ihr einziger Kontakt zur Aussenwelt. In der Regel mit dem Strafrecht nicht vertraut, müssen sich Beschuldigte in Untersuchungshaft zwingend darauf verlassen können, dass ihnen eine Strafverteidigung bestellt wird, die ihre Interessen pflichtgemäss wahrnimmt und ein rechtstaatlich korrektes Verfahren gewährleistet. Juristen, die dazu nicht in der Lage sind, haben in der Rolle von Strafverteidigern nichts verloren und die Öffentlichkeit ein Anrecht, von derart gravierenden Pflichtverletzungen zu erfahren.

Drohungen statt Erklärungen

Selbstredend hat INSIDE JUSTIZ den kritisierten David Gibor mit den Vorwürfen aus dem Gutachten von Professor Niggli konfrontiert und um Erklärungen und eine Stellungnahme gebeten. Gibor verwies zunächst auf das Anwaltsgeheimnis, das ihm eine Stellungnahme verunmöglichen würde. Auf Anfrage von INSIDE JUSTIZ hat ihn der frühere Mandat Alois V. noch einmal explizit, schriftlich und per Einschreiben vom Anwaltsgeheimnis befreit.

Ein zweites Mal um eine Stellungnahme angefragt, schreibt Gibor: «Die in Ihren Fragen enthaltenen Unterstellungen bestreite ich nach wie vor und wiederhole an dieser Stelle, dass ich gegen jegliche falschen und irreführenden Aussagen zu meiner Person umgehend zivil- und strafrechtliche Schritte gegen Inside Justiz und Sie persönlich einleiten werde. Weder an unwahren noch an irreführenden Informationen besteht ein öffentliches Interesse.»

 

 

UPDATE:
Gegendarstellung von Rechtsanwalt David Gibor

Nachfolgend veröffentlicht INSIDE-JUSTIZ eine Gegendarstellung von David Gibor.

Gemäss Art. 28g Abs. 1 ZGB hat Anspruch auf Gegendarstellung, wer durch Tatsachendarstellungen in periodisch erscheinenden Medien, insbesondere Presse, Radio und Fernsehen, in seiner Persönlichkeit unmittelbar betroffen ist. INSIDE JUSTIZ kommt dieser gesetzlichen Verpflichtung selbstverständlich nach.

Gegendarstellung

Der Artikel von Roger Huber stützt sich auf ein blosses Parteigutachten, dem bei Erstellung eine äusserst beschränkte Auswahl an Akten vorlagen. Parteigutachten sind nie objektiv, sondern dienen allein deren Auftraggeber, hier also der im fraglichen Verfahren beschuldigten Person. Die Vorwürfe, ich hätte meinen damaligen Mandanten ungenügend unterstützt, ich hätte keine Gesuche um Akteneinsicht gestellt, keine Beweisanträge gestellt, Fristen verpasst, meinen Mandanten aufgefordert, mich tätlich anzugreifen ect. sind falsch und werden bestritten.

David Gibor, 23.12.2024

Die Redaktion von INSIDE JUSTIZ hält an ihrer Darstellung vollumfänglich fest.

Der Gutachter:
Prof. Dr. Marcel Alexander Niggli

Prof. Dr. Marcel Alexander Niggli zählt zu den angesehensten Strafrechtsexperten der Schweiz.

Als Professor an der Universität Fribourg ist er bekannt für seine präzisen und fundierten Analysen im Bereich Strafrecht und Strafprozessrecht. Seine zahlreichen Publikationen sowie seine langjährige Erfahrung als Gutachter und Berater machen ihn zu einer der führenden Stimmen in juristischen Fachkreisen.

Niggli ist nicht nur ein Experte auf akademischer Ebene, sondern auch in der Praxis ein geschätzter Partner, wenn es um die Beurteilung komplexer strafrechtlicher Fragestellungen geht. Sein Urteil im vorliegenden Gutachten ist daher von besonderem Gewicht und wird in Fachkreisen mit hoher Ernsthaftigkeit aufgenommen. Niggli ist darüber hinaus bekannt dafür, kein Blatt vor den Mund zu nehmen und Missstände in der Justiz offen anzusprechen.

12 thoughts on “Vom Kämpfer gegen Rassismus zum zweifelhaften Pflichtverteidiger?

  1. Eine tiefgründige Analyse der Ereignisse Die jüngsten Enthüllungen über die Handlungen von Staatsanwältin Runa Meier, Richter Sebastian Aeppli und dessen Kollege Gibor haben das Vertrauen in die Integrität unseres Justizsystems tief erschüttert. Es ist von größter Bedeutung, dass wir die vorliegenden Anschuldigungen einer detaillierten Prüfung unterziehen, um eine gerechte und transparente Aufklärung zu gewährleisten.

    Psychologische Aspekte:
    Die psychologischen Auswirkungen eines solchen Vertrauensbruchs auf die betroffene Bevölkerung können nicht unterschätzt werden. Bürgerinnen und Bürger haben das Gefühl, dass ihre Steuergelder, die hart erarbeitet wurden und der Finanzierung öffentlicher Dienstleistungen dienen sollen, missbräuchlich verwendet wurden. Diese Enttäuschung und das Gefühl der Ohnmacht können zu einer allgemeinen Vertrauenskrise führen, die weitreichende Konsequenzen für das gesellschaftliche Miteinander hat.

    Rechtliche Aspekte:
    Rein rechtlich gesehen steht die Rückforderung der 268’000 CHF von Herr Gibor im Raum. Gemäß Artikel 146 des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB) kann Betrug mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden. Darüber hinaus könnten Staatsanwältin Meier und Richter Aeppli gemäß Artikel 305bis StGB wegen Begünstigung belangt werden, was eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe nach sich ziehen könnte.

    Soziale Aspekte:
    Die Tatsache, dass solche Handlungen von Personen begangen wurden, die in einer Position des öffentlichen Vertrauens stehen, verstärkt die soziale Empörung. Die Gemeinschaft erwartet von ihren Führungskräften und Justizbeamten höchste Integrität und Transparenz. Das Versäumnis, diese Standards zu erfüllen, erfordert eine strenge und schnelle Reaktion von Seiten der Anwaltskammer und anderer zuständiger Behörden, um das Vertrauen in das Justizsystem wiederherzustellen.

    Maßnahmen und Konsequenzen:
    Es ist unerlässlich, dass umfassende Untersuchungen eingeleitet werden, um alle Beteiligten zur Rechenschaft zu ziehen. Die sofortige Einschaltung der Anwaltskammer ist dabei ein erster Schritt. Darüber hinaus muss überlegt werden, wie zukünftige Fälle dieser Art verhindert werden können. Dies könnte durch strengere Kontrollen und Regularien sowie durch verstärkte Schulungen und Überwachung der Justizbeamten erfolgen.

    Persönliche Überlegungen:
    Die aktuelle Situation mag den Drang auslösen, keine Steuern mehr zu zahlen, doch sollte man bedenken, dass die Steuerpflicht gesetzlich verankert ist. Die Nichtzahlung von Steuern kann zu strafrechtlichen Konsequenzen führen, die noch schwerwiegender sind. Stattdessen sollte der Fokus darauf liegen, rechtliche Schritte zu ergreifen und den eigenen Unmut durch konstruktive und legale Wege zum Ausdruck zu bringen.

  2. Für die Glaubwürdigkeit von „Inside Justiz“ wäre es wichtig:

    1. Das Gutachten zu veröffentlichen.

    2. Zu erklären, wieso Prof. Niggli das Gutachten erstellte.

    3. Zu erklären, wieso Prof. Niggli „zu den angesehensten Strafrechtsexperten der Schweiz“ zählen soll und nicht bloss sehr bekannt, aber umstritten ist, zum Beispiel durch seine Aktivitäten in der Pandemie, für Trump’sche Meinungsfreiheit und für russische Interessen.

    „Inside Justiz“ darf Partei sein, sollte aber mit offenen Karten spielen. Der Fall hat seine interessanten Seiten. Für den Fall müsste nicht ein Anwalt an den Pranger gestellt werden.

    Das genannte Honorar für den amtlichen Verteidiger zeigt einen beachtlichen zeitlichen Einsatz von rund 1100 Stunden. Bei den üblichen Kürzungen war der tatsächliche Einsatz noch viel höher und das ohne finanziellen Gewinn. Kann eine amtliche Verteidigung überhaupt wirksam sein mit den Mitteln, die der Staat ihr zur Verfügung stellt?

    Jetzt lässt sich der halb anonyme Alois V. von einem „renommierten Zürcher Wirtschaftsanwalt“ verteidigen. Es scheint sich um Dr. Bernhard A. Isenring zu handeln, der vermutlich den hoffnungslosen Fall erkannt hat. Immerhin scheiterte Alois V. bislang vor allen Gerichten und über die Anträge der Staatsanwaltschaft hinaus. In einem solchen Fall bleibt Isenring nur noch, auf seinen „Anwaltskollegen“ zu schiessen. Wieso Isenring eine solche amtliche Verteidigung übernimmt, wird nicht erklärt. Ist Alois V. inzwischen doch noch zu Geld gekommen?

    1. Ja, es tun sich hier viele Fragen auf, und ich teile diese Meinung. Das Gutachten von Prof. Niggli sollte ebenso veröffentlicht werden wie die Honorarnote von Herrn Gibor. Ich habe viel über Herrn Gibor gelesen, und er scheint wirklich nicht koscher zu sein. Er ist bekannt für seine arrogante Art und Weise und möchte offenbar alle anzeigen.

      Man könnte fast denken, dass die Staatsanwaltschaft und die Gerichte froh waren, sich nicht mit ihm anzulegen, und ihm daher freie Hand ließen. Offenbar hat das Gericht aus Angst vor Herrn Gibor nichts gegen ihn unternommen. Hier sollte eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) vom Kantonsrat eingesetzt werden, um alles umfassend aufzuarbeiten.

      Dieser Alois V. erinnert mich an den Nawalny der Schweiz, und es scheint, als ob der Rechtsstaat in der Schweiz genauso funktioniert wie in Russland oder Nordkorea. Unsere Richter und Staatsanwälte sollten sich wirklich schämen.

  3. Warum sollte ein Parteigutachten überhaupt irgendeinen Bestand haben, wenn es den wesentlichsten Punkt, nämlich dass dieser Alois V. RECHTSMISSBRÄUCHLICH gehandelt hat, aussen vor lässt und diesen Fakt gar nicht in die Beurteilung einbezieht? Auch in einem Rechtsstaat hat ein Bürger nur so lange ein Recht auf Institute des Rechts, wenn er sich nicht rechtsmissbräuchlich verhält! Und wenn man den öffentlich einsehbaren Entscheid zu dieser Sache liest, ist klar, dass Alois V. sich ganz klar rechtsmissbräuchlich verhalten hat.
    Hat das der Journalist verstanden?

    1. Sie erliegen mit Ihrer Beurteilung einem Irrtum und haben ein falsches Verständnis der Unschuldsvermutung. Alois V. Hat unabhängig davon, ob er sich strafwürdig verhalten hat, Anspruch auf eine wirksame Verteidigung. Nicht mehr, aber auch nicht weniger macht den Rechtstaat aus.
      Inside Justiz hat ihre Darstellung treffend gewählt.

    2. Aber dieser Gibor der offenbar CHF 260’000.00 erhalten hat und nichts geleistet hat, für das viele Geld hat sich nicht Rechtsmissbräuchlich verhalten !!! Lieber Urs,
      Du verstehst offenbar nicht um was es geht, es geht darum, das ein Anwalt sich nicht so verhalten darf wie dieser Gibor David.

    3. In einem Punkt muss ich Urs M. Recht geben: Spannend wäre ja auch eine Aufarbeitung, wie die Instanzen zum Schluss kommen, Alois V. habe rechtsmissbräuchlich gehandelt. Die Urteile des Ober- und des Bundesgerichts sind genauso schockierend wie die Arbeit des Pflichtverteidigers. Wie die Gerichte bei der langen Liste der Versäumnisse des Pflichtverteidigers einfach nolens volens dazu kommen, die Anträge von Alois V. als rechtsmissbräulich zu bezeichnen, zeichnet ein schlimmes Bild unseres sogenannten Rechtsstaates. «Das System» hat sich hier wohl einmal mehr einfach gegen einen aufmüpfigen (und wohl tatsächlich nicht ganz koscheren) Typen verschworen und im Sinne der Effizienz alle rechtstaatlichen Bedenken beiseite gewischt. Ich freue mich schon darauf, wenn der Fall nach Strassburg kommt. Der wird den hiesigen Behörden so was von um die Ohren fliegen… Aber leider hat das ja nie Konsequenzen für Richter oder Staatsanwaltschaften.

      1. Dieser Alois V. erinnert mich an den Nawalny der Schweiz, und es scheint, als ob der Rechtsstaat in der Schweiz genauso funktioniert wie in Russland oder Nordkorea. Unsere Richter und Staatsanwälte sollten sich wirklich schämen.

        Hier müsste das Verfahren in einen anderen Kanton verlegt werden, um Alois V. ein neutrales und faires Verfahren zu garantieren. Es ist unerlässlich, dass er sich angemessen verteidigen kann, um eine gerechte Strafe zu erhalten. Alles andere ist nicht rechtsstaatlich und muss verabscheut werden. Auch stellt sich die Frage, warum sich Herr Gibor nicht dazu erklären muss!

  4. Unglaubliche Story wirklich, dieser David Gibor gehört aus dem Verkehr gezogen, aber umgehend.

    Auch diese Staatsanwältin gehört der Prozess gemacht.

    Unglaublich das dies in unserer Schweiz überhaupt möglich ist.

  5. Schliesse mich den Kommentaren von @Beobachter und @Urs. H. Petermann an und ergänze:

    Da David Gibor aufgrund notwendiger Verteidigung Alois V. als Pflichtverteidiger beigeordnet war (10 Jahre Freiheitsstrafe, https://inside-justiz.ch/das-urteil-das-nicht-haette-fallen-duerfen-menschenhandel-vor-gericht/), mussten sowohl die Staatsanwaltschaft sowie alle Gerichte die wirksame Verteidigung von Alois V. sicherstellen, also kontrollieren, ob der Pflichtverteidiger seinen Klienten tatsächlich wirksam verteidigt – während des gesamten Verfahrens. Bundesgericht und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte haben das in zahlreichen Urteilen bestätigt.

    Manche Staatsanwaltschaften und Gerichte ignorieren diese gesetzliche Pflicht, weil sie so widerstandsloser das Recht brechen können – in der Regel fast immer zu Lasten des Beschuldigten (und zu Gunsten eines mächtigen allfälligen Privatklägers).

    Dass Gibor für seine systematische, fünf Jahre lange Verletzung (siehe oben) seiner Anwaltspflichten zudem ein Honorar von 268’000 Franken erhielt, riecht stark danach, dass seine Pflichtverletzungen von den Behörden belohnt wurden.

    Ein Rechtsstaat würde Gibor, die beteiligten Staatsanwälte und Richter zur Rechenschaft ziehen. Gibor müsste auch mit einem jahrelangen Berufsverbot belegt werden. Dank der Veröffentlichung auf dieser Website ist sein Ruf als Anwalt – zurecht – vermutlich ohnehin ruiniert.

  6. Die Verfahrensleitung trifft eine Fürsorgepflicht zur Gewährung eines fairen Verfahrens. Tatsächlich foutieren sich Staatsanwaltschaft und Gericht sehr oft, bzw. regelmässig um die Wahrnehmung dieser Pflicht und für die betroffene Person ist das Schicksal besiegelt. Darin liegt der wahre Skandal.
    Merke, Verurteilungsmaschinerie und faires Verfahren stehen in unheilbaren Konflikt zueinander.

  7. Ich kann mir kaum vorstellen, dass das ein Einzelfall ist. Gibt es eigentlich nicht so etwas wie eine Anwaltskammer, die sich um solche Fälle kümmert? Eine solche Person möchte niemand als Pflichtverteidiger zugeteilt erhalten. Dass die Staatsanwaltschaften in verschiedenen Kantonen gerne auf Anwälte zurückgreifen als Pflichtverteidiger, die ihnen schön in die Hände spielen, ist ja ein offenes Geheimnis.

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