Prozess gegen Bündner Ex-Verwaltungsrichter: Alles noch viel schlimmer

Heute Morgen, am 31. Oktober 2024, hat am Regionalgericht Plessur die mit Spannung erwartete Hauptverhandlung gegen den ehemaligen Bündner Verwaltungsrichter begonnen, dem die Vergewaltigung einer Praktikantin vorgeworfen wird. Und gleich zu Beginn platzte die nächste Bombe, denn die Anklageschrift enthüllte: Der mutmassliche Vergewaltiger soll nach der Vergewaltigung das Opfer und ihren Freund auch noch mit anonymen Briefen bedroht haben – und wurde dabei erwischt.

Die Anklageschrift gegen den mutmasslichen Vergewaltiger wurde vom Regionalgericht Plessur vor den Journalisten unter Verschluss gehalten und erst am Morgen unmittelbar vor der Hauptverhandlung in anonymisierter Form abgegeben. Absurd genug, wurde damit den Medienschaffenden damit doch eine seriöse Vorbereitung so gut wie verunmöglicht.

Und wie sich herausstellte, beinhaltet die Anklageschrift zusätzlichem Zündstoff. Sie führt nämlich auf, dass der angeklagte Ex-Richter nach der mutmasslichen Vergewaltigung im September 2023 erneut straffällig wurde – wieder gegen die ehemalige Praktikantin – und ihren Freund.

Drohungen vor der Anwaltsprüfung

Was bislang in der Öffentlichkeit nicht bekannt war: Der Angeklagte soll dem Opfer und ihrem Freund in anonymen Briefen gedroht haben, dafür zu sorgen, dass sie ihre Anwaltsprüfung nicht bestehen würden. Der Vorfall ereignete sich im September 2023, also fast zwei Jahre nach der angeklagten Vergewaltigung und fast ein Jahr, nachdem die mutmasslichen Taten des Richters durch die Berichte in INSIDE JUSTIZ und anderen Medien an die Öffentlichkeit gedrungen waren.

Am 28. September habe, so die Anklageschrift, der Freund der früheren Praktikantin ein Schreiben aus dem Briefkasten gefischt, indem es hiess: «Die Anwaltsprüfung in Graubünden wirst du nie bestehen. Dafür wurde gesorgt, selbst NN (bekannter Jurist, durch Red. anonymisiert) wird da nicht helfen können.» Derselbe Brief ging auch an die Eltern der Frau und ihres Freundes, die in Chur leben – so die Anklageschrift.

Die beiden jungen Juristen stellten am 2. Oktober 2023 Strafantrag. Die Untersuchungen ergaben, dass die anonymen Schreiben am 26. September 2023 bei der Post an der Gürtelstrasse in Chur aufgegeben worden waren. Offenbar liess sich der Weg der Schreiben zurückverfolgen und der frühere Verwaltungsrichter überführen. Details zur Untersuchung führt die Anklageschrift nicht auf. Womöglich kommen sie aber heute vor Gericht zur Sprache.

Informationen aus Bündner Gerichtskreisen zufolge soll es zudem Zeugen dafür geben, dass der Beschuldigte am Tag der Anwaltsprüfung im Umfeld des Prüfungslokals gesehen wurde und es dort zu einer flüchtigen Begegnung zwischen dem Vergewaltigungsopfer und dem ehemaligen Richter gekommen war. Die Frau soll dort – unmittelbar vor der Prüfung – einen Nervenzusammenbruch erlitten haben. 

In der Anklageschrift steht zu der anonymen Briefaktion: «Der Beschuldigte wollte die Praktikantin und ihren Freund mit seinem Schreiben in Angst versetzen. Er handelte zudem boshaft und mutwillig und wusste, dass er dadurch die Empfänger in grober Weise belästigt und stört.»

Die Staatsanwaltschaft klagt den Beschuldigten für die anonymen Briefe – zusätzlich zu den Sexualstraftaten – auch nach Art. 180 Abs. 1 StGB wegen mehrfacher Drohung an. Wie es in der Anklageschrift heisst, wird die Staatsanwaltschaft auf eine Freiheitsstrafe zwischen einem und fünf Jahren plädieren. Die Grenze für eine bedingte Strafe liegt bei zwei Jahren – alles darüber muss abgesessen werden.

Für den Beschuldigten gilt bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung.

2 thoughts on “Prozess gegen Bündner Ex-Verwaltungsrichter: Alles noch viel schlimmer

  1. Die Bündner Anwaltsprüfung nicht zu bestehen, ist fast unmöglich. In den frühen 80-ziger Jahren fiel ein Bündner Prüfungskandidat zweimal durch die Anwaltsprüfung im Kanton Zürich. Da er die Prüfung nach zwei gescheiterten Versuchen nicht mehr wiederholen konnte, meldete er sich in Chur zur Anwaltsprüfung an und bestand diese auf Anhieb. Daraufhin wollte der im Kanton Zürich gescheiterte Kandidat in Zürich eine Anwaltspraxis eröffnen, was ihm jedoch vom damaligen Vorsitzenden der Zürcher Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte verweigert wurde, weil er eben in Zürich die Prüfung nicht bestanden habe. Der nicht zugelassene Bündner Anwalt rekurrierte dagegen bis vor Bundesgericht und berief sich erfolgreich auf die damaligen Übergangsbestimmung in Art. 5 der alten Bundesverfassung, wonach wissenschaftliche Berufe, wie jene des Anwalts bzw. der Anwältin, nach bestandener Prüfung überall in der Schweiz ausüben könnten. Dem Vorsitzenden der Zürcher Aufsichtskommission war dies natürlich ebenfalls bekannt und bewusst, lakonisch meinte er dazu, dass er wenigsten während rund 2 Jahren den gescheiterten Kandidaten von Zürcher Klienten fernhalten konnte…

  2. Heute berichtet „Blick“ ausführlich über die Gerichtsverhandlung. Aussenstehende können sich aufgrund dessen ein erstes aber sicherlich unvollständiges Bild machen. Eigentlich hätten die Glocken der Praktikantin und ihrem Freund früh und schrill läuten müssen.
    Der Angeschuldigte und die Klägerin bestreiten den Chatinhalt und -verlauf ja nicht. Der Angeschuldigte, einigermassen bei Verstand, hätte den Chatverlauf am besten seiner Frau gezeigt. Sie hätte ihm wohl die Kappe früh gewaschen und ihn vor mehr bewahrt.

    Hetti, hetti.

    In solchen Fällen gibt es nur ein richtiges Vorgehen für Frauen: Auf den Chat verzichten. Unverzüglich einen ausserkantonalen Anwalt beiziehen, den bisherigen Chat–verlauf kopieren und abgeben. Sache des ausserkantonalen Anwalts: er kontaktiert den Geschäftsführenden Richter des betroffenen Gerichts, verbunden mit der Bitte, der Praktikantin eine Drittstelle und ein wahrheitsgetreues Zeugnis zu beschaffen.
    Endlich ist es dann Sache des geschäftsführenden Richters, seinem Kollegen mit dem Chatverlauf zu konfrontieren und das in der Personalakte zu vermerken.

    Leider kannten beide Seiten die Grenzen nicht. Die Wahrheit soll gefunden werden und falls strafrechtliche Handlungen erfolgten, ist die Bestrafung logische Folge. Die gesellschaftliche Aechtung ist für beide schlimm.

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