«Me gustaria repetirlo»

Der ehemalige Bündner Verwaltungsrichter, der eine Gerichtspraktikantin vergewaltigt haben soll, muss sich diese Woche in Chur vor drei Richtern verantworten. INSIDE JUSTIZ hatte den Fall vor bald zwei Jahren publik gemacht und damals ein grosses Medienecho ausgelöst. Der Verwaltungsrichter war in der Folge zurückgetreten. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung.

Am 10. Dezember 2022, also vor bald zwei Jahren, berichtete dieses Newsportal über eine verstörende Geschichte aus Chur. Doch erst als auch die SONNTAGSZEITUNG, die SÜDOSTSCHWEIZ und in der Folge viele weitere Medien in der Schweiz breit über die mutmasslichen Übergriffe im Büro eines Churer Richters berichteten, kam Bewegung in die Bündner Staatsanwaltschaft.

Der Vorfall soll sich am Abend des 13. Dezember 2021 ereignet haben. Der 47-jährige Verwaltungsrichter und Familienvater habe die damals 24-jährige Praktikantin um 18.30 Uhr in sein Büro gebeten, angeblich um einen Fall zu besprechen. Stattdessen soll er die Praktikantin dann aber sexuell belästigt und vergewaltigt haben. Die Praktikantin erstattete nach dem Vorfall Strafanzeige wegen Vergewaltigung (i.S.v. Art. 190 Abs. 1 StGB), Ausnützung einer Abhängigkeit (i.S.v. Art. 193 StGB), wegen sexueller Nötigung (i.S.v. Art. 189 Abs. 1 StGB) und sexueller Belästigung (i.S.v. Art. 198 StGB).

Er versuchte es immer wieder
Die am Verwaltungsgericht Chur üblichen Fallbesprechungen fanden jeweils im Büro des Richters statt, so die Strafanzeige der Geschädigten aus dem Jahr 2022.  Ab September 2021 versuchte der Richter laut Strafanzeige, die Praktikantin zu berühren.  Sie sei ihm stets ausgewichen und habe Einladungen, sich beispielsweise auf seinen Schoss zu setzen oder am Abend zu ihm zu kommen, abgelehnt, ohne ihn zu beleidigen.

«In der Folge erhielt die Praktikantin immer wieder Nachrichten des Beschuldigten, die sich zum Teil auf seine Annäherungsversuche bezogen, die von der Anzeigeerstatterin stets zurückgewiesen wurden», heisst es in der Anzeige der Geschädigten. «Die Anzeigeerstatterin wusste nicht, wie sie Mitteilungen, wie sie sei «gefährlich» (29.9.21, 6.10.21, 8.10.21), «Hetti di gern do» (30.11.21), «Gsehsch umwerfend us …» (1.12.21), «Will di …»  (1.12.21), «Bisch meega» (1.12.21), «I halts nüm us … » (6.12.21), «WILL DI freu mi schu ufmora … » (7.12.21) handhaben sollte.»

Unmut innerhalb der Bündner Behörden
Die Anzeige und weitere Fallakten wurden INSIDE JUSTIZ zugespielt, nachdem sich in Bündner Justiz- und Polizeikreisen Empörung darüber breit machte, dass die Staatsanwaltschaft den Fall verschleppte. Wie sich herausstellte, war die fallführende Staatsanwältin Corina Collenberg per Du mit dem Beschuldigten, die Ex-Freundin des Beschuldigten arbeitete auf derselben Staatsanwaltschaft. Dringliche Verfahrenshandlungen wurden nie durchgeführt, wie beispielsweise der frühere Basler Polizeikommandant Markus Mohler gegenüber INSIDE JUSTIZ kritisierte. So waren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Verwaltungsgerichts auch ein Jahr nach der Tat noch immer nicht befragt worden.

Dabei waren die geschilderten Übergriffe massiv: Auf einem Begehungstermin in Ramosch im Unterengadin soll der Richter der Praktikantin gesagt haben: «Am liabschta wör i di do ufds Bett schmiessa und di do näh», zitierte die SONNTAGSZEITUNG aus dem Polizeiprotokoll. Die Belästigungen seien weitergegangen, obwohl die Praktikantin ihm immer wieder zu verstehen gegeben habe, dass sie das nicht wolle. Und weiter: «Ein weiteres Mal habe er ihr gemäss Anzeige in einem Sitzungszimmer gesagt, dass, falls er und sie etwas miteinander hätten, er die Vorhänge zuziehen und sie auf dem Sitzungstisch ’nehmen‘ würde. Er habe sich vor sie hingestellt und ihr auf das Ohr geküsst, worauf sie ihn von sich weggestossen habe.»

Wie hält man sich einen Vorgesetzten vom Leib, ohne die Karriere zu riskieren?
Auch in den folgenden Wochen versuchte der Beschuldigte laut Anzeige immer wieder, die Praktikantin zu küssen, sie am Körper zu berühren oder sein Geschlechtsteil an ihrem Körper zu reiben. Die junge Juristin erklärte sowohl verbal als auch durch Zurückweichen und Wegdrücken, dass sie weder geküsst noch angefasst werden wolle. Da ihr der Beschuldigte bereits im September 2021 erklärt hatte, dass Richter im Kanton Graubünden unantastbar seien, wagte sie es aber auch weiterhin nicht, das übergriffige Verhalten des Beschuldigten zu melden, da sie grosse Angst hatte, dass ihr angesichts der Stellung des Beschuldigten als Richter nicht geglaubt würde.

Da das Praktikum beim Verwaltungsgericht am 17. Dezember 2021 endete, wollte die Praktikantin dieses ohne grosses Aufsehen beenden. Sie ging davon aus, dass mit dem Ende des Praktikums auch die sexuellen Belästigungen des Beschuldigten aufhören würden. Von ihrem privaten Umfeld wurde sie darin bestärkt, die sexuellen Annäherungsversuche unmissverständlich, aber freundlich zurückzuweisen.

Der schwarze Montag
Am Montag, dem 13. Dezember 2021, teilte der Beschuldigte der Praktikantin mit, dass sie zu ihm ins Büro kommen solle, um noch offene Fälle zu besprechen – so die Strafanzeige weiter. Der Beschuldigte habe der Frau Tee angeboten, zog die Vorhänge im Büro zu und unterhielt sich mit ihr über den von ihr zu bearbeitenden Grundstücksteuerfall und das abgesagte Weihnachtsessen. Ausserdem habe der Beschuldigte eine Richterin verspottet und Fotos seiner Tochter gezeigt. Als das Geräusch der Eingangstür zu hören war, erklärte der Beschuldigte, dass sie nun allein im Gebäude seien und versuchte mehrfach, die Praktikantin auf den Hals zu küssen und unter ihr T-Shirt zu greifen. Die Frau wehrte sich körperlich und verbal. Als sie aus dem Büro fliehen wollte, soll der Beschuldigte ihr den Weg versperrt , ihre Hände festgehalten und sie schliesslich vergewaltigt haben.

Has dormido bien?

Am 14. Dezember 2021 versuchte die junge Frau, «normal» zu arbeiten, in der Hoffnung, die verbleibenden drei Arbeitstage zu überstehen. Erst als sie um 8.41 Uhr eine Nachricht des Beschuldigten erhielt, in der er sie fragte, ob sie gut geschlafen habe („Has dormido bien?“), geriet sie in Panik,  erklärte der anwesenden Kanzleimitarbeiterin, dass sie sich krank fühle, und ging nach Hause.

Am 15. Dezember 2021 kehrte die junge Juristin zur Arbeit zurück und musste erneut mit dem Beschuldigten über ein Urteil sprechen. Die Frau war völlig überfordert, da der Beschuldigte ihr unterstellte, sie habe den sexuellen Übergriffen zugestimmt. Nach der Besprechung des Urteils schrieb er ihr: «Me gustaria repetirlo».

Wie die SONNTAGSZEITUNG weiter enthüllt, hat der beschuldigte Richter wenige Tage nach dem Vorfall offenbar dem Freund der Beschuldigten über dessen Vater angeboten, ihn für eine Stelle an einem Regionalgericht «ins Spiel zu bringen». Welche Motive der beschuldigte Richter dafür gehabt haben könnte, geht aus dem Artikel und offenbar auch aus dem Polizeiprotokoll nicht hervor. Der Verdacht, sich damit die Gunst des Paares «erkaufen» und eine Strafanzeige verhindern zu wollen, ist jedenfalls nicht abwägig.

Vorwürfe werden vom Richter bestritten
Der beschuldigte Bündner Verwaltungsrichter bestreitet die Vorwürfe der Vergewaltigung. Er gibt an, die sexuellen Handlungen hätten im gegenseitigen Einvernehmen stattgefunden. Seine Anwältin Tanja Knodel erklärte gegenüber Medienschaffenden, ihr Mandant bestreite jegliches widerrechtliche Verhalten und habe von Beginn an mit den Untersuchungsbehörden kooperiert. Knodel ist keine Unbekannte in der Juristenwelt und trat zuletzt regelmässig medial in Erscheinung, um bei der Revision des Sexualstrafrechts die Zustimmungslösung «Nur ein Ja ist ein Ja» zu bekämpfen – mit Erfolg. Die eidgenössischen Räte einigten sich auf die «Nein ist Nein»-Formel.

Aber auch unabhängig von der Frage der Einvernehmlichkeit wird die Beziehung zwischen dem Richter und der Praktikantin von Strafrechtsexperten als «höchst problematisch» angesehen. Sie verweisen dabei auf Art. 188 StGB, der sexuelle Handlungen mit Abhängigen generell unter Strafe stellt – unabhängig davon, ob die abhängige Person der Handlung zustimmte oder nicht.

Breite Kritik an der Untersuchungsführung
Als der Fall 2022 publik wird, kritisieren viele Fachleute die Arbeit der Staatsanwaltschaft. Ein erster Kritikpunkt besteht darin, dass die Bündner Untersuchungsbehörde das Verfahren überhaupt selbst führt. Die von INSIDE JUSTIZ befragten Fachleute haben dafür kein Verständnis. «Ich hätte das Verfahren sofort an einen ausserordentlichen Staatsanwalt abgetreten», sagt beispielsweise Peter-Martin Meier, früherer Polizeioffizier und Direktor des Schweizerischen Polizei-Instituts in Neuenburg. Der frühere Staatsanwalt und pensionierte Kommandant der Kapo Basel-Stadt, Markus Mohler pflichtet bei: «Um nur schon dem Anschein der Befangenheit zu begegnen, sollten solche Verfahren von ausserkantonalen Staatsanwälten geführt werden.» Mohler hätte den Fall sogar ausserhalb des Ostschweizer Polizei-Konkordates vergeben, um jeden Anschein der Befangenheit zu vermeiden. In der Sendung SCHWEIZ AKTUELL des SCHWEIZER FERNSEHEN SRF kommt die St. Galler Strafrechtsprofessorin Monika Simmler zum selben Schluss und schreibt auf LinkedIn: «Alles in allem wirkt das wie ein ziemlich missratener erster Angriff, der Fragen aufwirft. Diese erste Beweissicherung ist bei Vier-Augen-Delikten fast immer ausschlaggebend. Es wäre wichtig, diesbezüglich in der Schweiz einheitliche Standards zu etablieren.»

Keine Berührungspunke?
Maurus Eckert lässt die Kritik nicht gelten: «Die Fälle, in denen wir die Einsetzung eines ausserordentlichen Staatsanwalts beantragt haben, lassen sich nicht mit dem vorliegenden vergleichen. Dass dies in anderen Kantonen «gang und gäbe» sein soll, trifft im Übrigen nicht zu und wäre eine Falschinformation.» Zudem habe die Staatsanwaltschaft Graubünden mit dem Gericht, an dem der Beschuldigte arbeite, keinerlei Berührungspunkte.

Was für die Vergangenheit stimmte, gilt unterdessen allerdings bereits nicht mehr: Am 27. November 2022 hatte das Bündner Stimmvolk der «Justizreform 3» zugestimmt, mit welchem Verwaltungs- und Kantonsgericht in einem neuen gemeinsamen Obergericht vereint werden. Sollte der Fall also dereinst an die zweite Instanz weitergezogen werden, werden die Kantonsrichter an demselben Gericht über den Fall entscheiden, an dem auch der Beschuldigte arbeitete.

Unterlassene Untersuchungshandlungen?

Der Beschuldigte wurde gemäss den durchgestossenen Unterlagen erst am 30. März 2022, rund einen Monat nach Eingang der Strafanzeige, von der Kantonspolizei abgeholt und einen Tag lang durch einen Polizisten befragt. Es wurden aber weder sein Handy, noch sein Computer oder andere Arbeitsgeräte eingezogen und ausgewertet. Ein Chatverlauf auf Skype, der – ausgedruckt – auf über 100 Seiten dokumentiert, wie der Richter der Praktikantin wochenlang nachgestellt hatte, wurde nicht gerichtsfest gesichert.

Auch die Information der SONNTAGSZEITUNG, dass die fallführende Staatsanwältin den Beschuldigten duzt, erachtet Eckert als unproblematisch: «Selbst wenn die fallführende Staatsanwältin mit dem Beschuldigten per Du wäre, heisst das nicht automatisch, dass die erforderliche Distanz fehlen würde. Zwischen ihr und dem Beschuldigten besteht keine Freundschaft, welche den Anschein einer Befangenheit im Sinne von Art. 56 lit. f StPO begründet.» Ob diese Auffassung den strengen Anforderungen der Europäischen Menschenrechtskonvention genügen würde, ist indes mehr als fraglich. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in ständiger Praxis sehr hohe Anforderungen auch an die Unabhängigkeit von Untersuchungsbeamten postuliert – beispielsweise im Fall Scavuzzo-Hager gegen die Schweizerische Eidgenossenschaft.

Spurensicherung
Eine Hausdurchsuchung mit Spurensicherung wurde weder beim beschuldigten Richter zuhause noch in seinem Büro durchgeführt, Befragungen der anderen Angestellten des Verwaltungsgerichts fanden, wie eine ehemalige Mitarbeiterin des Verwaltungsgerichts bestätigt, erst statt, nachdem die Medien über die Missstände berichtet hatten. – Dass diese nach so langer Zeit noch viel Sinn gemacht haben, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden: Nicht nur, weil das menschliche Erinnerungsvermögen nicht lange anhält – und das schon gar nicht, wenn Beobachtungen zum Zeitpunkt des Geschehens kein grosses Gewicht zugemessen wird. Sondern auch, weil der Beschuldigte durch die Verschleppung des Verfahrens. ein Jahr lang Zeit hatte, in aller Ruhe und subtil sein «Narrativ» des Vorgefallenen unter den Angestellten des Verwaltungsgerichts zu verbreiten. Juristen nennen das Kollusion – die Gefahr einer solchen wäre zusammen mit dem dringenden Tatverdacht die Voraussetzung für Untersuchungshaft gewesen.

Staatsanwältin Collenberg scheint eine solche allerdings nie ins Auge gefasst zu haben. Was einigermassen erstaunt: In den vielen anderen Vergewaltigungsfällen, welche in Graubünden bis vor Kantonsgericht kamen und deren Urteile deshalb öffentlich einsehbar sind, ging es kaum je ohne Untersuchungshaft ab. Allerdings war auch nie ein Richter unter diesen Beschuldigten.

Chance verpasst

Den Eindruck, dass viele Untersuchungshandlungen fatalerweise unterlassen wurden, bestätigen auch mehrere andere Fachleute. «Man weiss nie, was bei einem Täter allenfalls noch an Beweismitteln gefunden wird: Papiernotizen, Tagebuchaufzeichnungen, allfällige belastende Suchverläufe im Internet-Browser, etc. Es kommt immer wieder vor, dass Durchsuchungen unerwartete Beweismittel erbringen», erzählt ein Praktiker auf Anfrage. Dass im vorliegenden Fall darauf verzichtet wurde – für ihn ein unverzeihlicher Fehler: «Dass Server gesichert und die Arbeitsgeräte ausgewertet werden, gehört in solchen Fällen eigentlich zum Standard. Ich kann nicht verstehen, dass das nicht gemacht wurde.»

Nachdem INSIDE JUSTIZ die Staatsanwaltschaft 2022 mit diesen Vorwürfen konfrontierte, wehrt sich der Leitende Staatsanwalt Maurus Eckert: «Die Staatsanwaltschaft ist ein unabhängiges Organ der Rechtspflege und führt ihre Untersuchungen autonom und gemäss den Vorgaben der eidgenössischen Strafprozessordnung.» Auch dass wichtige Untersuchungshandlungen unterlassen worden seien, lässt er nicht gelten: «Die erforderlichen Beweismittel wurden sichergestellt.» Konkret wollte er dann allerdings auf keinen der Vorwürfe eingehen: «Aufgrund des laufenden Verfahrens dürfen wir diese Frage nicht detaillierter beantworten.» (Roger Huber/Lorenzo Winter)

Graubünden: Wird geschützt, wer im System ist?

Dass Personen «aus dem System» gerne geschützt werden, ist in Graubünden kein neues Phänomen. Da ist die Aufarbeitung der Affäre Quadroni noch in bester Erinnerung, wo beispielsweise ein Polizist vor dem Regionalgericht Prättigau-Davos vom Vorwurf der Urkundenfälschung und des Amtsmissbrauchs freigesprochen worden war. Der Mann hatte in einem Protokoll so ziemlich das Gegenteil dessen geschrieben, was seine Polizeikollegen tatsächlich gesagt hatten – das Gericht hatte bei dem Polizisten aber «keinen Vorsatz» erkannt und ihn deshalb freigesprochen. Das Urteil hatte zumindest ausserhalb des Kantons unter Strafrechtlern zu Kopfschütteln geführt. Und der Polizist wurde anschliessend befördert.

Ähnlich lief es, als der Präsident des Regionalgerichts Engiadina Bassa/Val Müstair, Orlando Zegg, vor Gericht antraben musste. Auch er wurde von den Kollegen des benachbarten Regionalgerichts Prättigau-Davos vom Vorwurf des Amtsmissbrauchs freigesprochen – wieder mit dem Argument, er habe ohne Vorsatz gehandelt. Die Staatsanwaltschaft Graubünden verzichtete auf einen Weiterzug, Privatkläger Adam Quadroni wurde das Recht auf unentgeltliche Prozessführung abgesprochen, weshalb er seine Berufung zurückzog – es fehlte ihm schlicht das Geld, um den Fall weiterzuziehen, wie damals sein Anwalt in der SÜDOSTSCHWEIZ verlauten liess, «auch wenn die Erfolgsaussichten intakt waren.»

Freigesprochen trotz Gratis-Abos

Vor dreieinhalb Jahren wurde bekannt: Die Arosa Bergbahnen verschenkten Skipässe im Wert von 550 Franken an lokale Politikerinnen und Politiker sowie Behördenvertreterinnen und -vertreter. Deshalb wurden der Verwaltungsratspräsident und der Geschäftsleiter der Bergbahnen wegen mehrfacher Vorteilsgewährung angeklagt. Vergangene Woche mussten sich die beiden Kader vor dem Regionalgericht Landquart verantworten. Das Urteil: Freispruch. Der Verwaltungsratspräsident und der Geschäftsführer haben nie bestritten, dass sie Gratis-Abonnements angeboten haben. Sie hätten aber keinen Moment dran gedacht, dass dies strafrechtliche Konsequenzen haben könnte. Einen Vorteil hätten die Arosa Bergbahnen durch die Geschenke nie gehabt.

Dies sahen die Richter des Regionalgerichts Landquart ebenso und sprachen die beiden Angeklagten frei. Inzwischen werden in Arosa aufgrund des öffentlichen Drucks keine Skiabos mehr an lokale Politikerinnen und Politiker verschenkt. Ursprünglich war geplant, die Verhandlung in Chur durchzuführen. Das Regionalgericht Plessur hat den Fall wegen Befangenheit aber abgegeben. Ein nebenamtlicher Richter ist im Gemeindevorstand von Arosa. Ihm soll auch ein Skipass angeboten worden sein. Das Kantonsgericht entschied darauf hin, die Verhandlung nach Landquart zu verlegen.

2 thoughts on “«Me gustaria repetirlo»

  1. „Untersuchungshandlungen fatalerweise unterlassen“? „Ein unverzeihlicher Fehler“?

    Mit solchen Formulierungen (die keinen rechtlichen Inhalt haben) wird schöngeredet, was Straftaten der Staatsanwaltschaft sein könnten: Begünstigung (Art. 305 StGB), Amtsmissbrauch (Art. 312 StGB).

    Ein Rechtsstaat würde nicht nur einen hinreichenden Tatverdacht gegen Richter, sondern auch gegen StaatsanwältInnen konsequent verfolgen.

  2. Demnach erweckt es den Anschein, dass kantonale Behördenmitarbeiter in Graubünden eine Garantie haben, sich selbstherrlich über Gesetze, sowie selbstverständlich über gesetzte Grenzen hinwegsetzen zu können, ohne berufliche /private Konsequenzen befürchten zu müssen.
    Da es sich bei einer Staatsanwaltschaft um eine Staatsfunktion, die zwischen Justiz und Regierung (compositum mixtum) angesiedelt ist, handelt, stellt sich die berechtigte Frage, wer wird in GR durch gelebte Beziehungskorruption von wem geschützt und gestützt……
    Für laufende und zukünftige Ermittlungen/Verfahren gegen Behördenmitarbeiter steht die STA-GR somit in der Pflicht, Vergehen, Verstösse, Missachtungen (Straftaten im Amt) schonungslos aufzudecken, um somit das gesellschaftliche Vertrauen in diese Funktion verantwortungsvoll wieder herzustellen!
    Oder sind möglicherweise die Schweizer Werte in Graubünden völlig schleichend abhandengekommen?

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