Richter im Home-Office – Kritik an Staatsanwaltschaft GR in «Schweiz aktuell» – Entgegnung in der Südostschweiz

Der mutmassliche Vergewaltigungsfall am Verwaltungsgericht Chur, über den INSIDE JUSTIZ am Samstag exklusiv berichtet hatte, beschäftigt weiterhin auch andere Medien. Am Dienstag bekräftigte die Strafrechtsprofessorin Monika Simmler die Kritik der Experten in einem Beitrag von SCHWEIZ AKTUELL im SCHWEIZER FERNSEHEN. In der SÜDOSTSCHWEIZ vom Dienstag nimmt der Leitende Staatsanwalt der zuständigen Abteilung 1, Maurus Eckert, die Arbeit der Staatsanwaltschaft erneut in Schutz.

«Wenn Staatsanwälte gegen Richter ermitteln müssen, dann ist man vielleicht gehemmt, um beispielsweise eine Hausdurchsuchung anzuordnen. Und in dem Moment, in dem man sich gehemmt fühlt, könne der Anschein einer Befangenheit gegeben sein. Deshalb muss man solche Verfahren einfach ausserkantonal geben, um sicherzustellen, dass das Verfahren sauber geführt wird», sagte Monika Simmler am Montagabend im SCHWEIZER FERNSEHEN.  Sie ist an der Universität St. Gallen Assistenzprofessorin für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminalistik. Für sie ist deshalb unverständlich, warum die Staatsanwaltschaft Graubünden in dem sensiblen Fall selbst ermittelt und für den Fall nicht einen ausserkantonalen Staatsanwalt engagiert hat. In einer Stellungnahme des Verwaltungsgerichts liess dieses ausrichten, es habe «in Absprache mit der Aufsichtsbehörde interne Präventiv-Massnahen ergriffen, insbeosndere Home Office für den betreffenden Richter und keine Zuteilung von Aktuarinnen und Praktikantinnen auf seinen Fällen.»

Maurus Eckert verteidigt Arbeit der Staatsanwaltschaft

Während der Leitende Staatsanwalt der Abteilung 1, Maurus Eckert, in der Sendung die Arbeit der Staatsanwaltschaft mit denselben Argumenten verteidigte wie auch schon auf INSIDE JUSTIZ, ging er in einem Beitrag der SÜDOSTSCHWEIZ am Dienstag etwas mehr ins Detail. Zunächst zur Frage der Befangenheit der fallführenden Staatsanwältin Corina Collenberg. Die SONNTAGSZEITUNG hatte berichtet, dass Collenberg mit dem Beschuldigten per Du sei, und gemäss den Informationen von INSIDE JUSTIZ arbeitet auf derselben Abteilung der Staatsanwaltschaft, in der das Verfahren geführt wird, auch eine ehemalige Freundin des Beschuldigten, mit welcher er eine Zeitlang eine gemeinsame Wohnung hatte. Eckert wird dazu in der SÜDOSTSCHWEIZ mit der Aussage zitiert: «Das Verwaltungsgericht hat mit unseren strafprozessualen Abläufen nichts zu tun», zumal die Rechtsmittelinstanz für Fälle an Regionalgerichten das Kantonsgericht sei. Und: «Es ist unsere Pflicht, solche Überlegungen anzustellen – und es ist auch unsere Pflicht, Untersuchungen selber zu führen, wenn wir die Unabhängigkeit als gegeben erachten.»

Voraussetzungen für Untersuchungshaft nicht gegeben

Ausführlich nimmt Eckert dann Stellung zur Frage, warum keine Untersuchungshaft angeordnet wurde. Das ist immerhin bemerkenswert. Gegenüber INSIDE JUSTIZ hatte Eckert am Freitag noch verlauten lassen: «Fragen zu gegebenen oder nicht gegebenen Voraussetzungen einer Untersuchungshaft betreffen den Inhalt der Strafuntersuchung, wozu wir uns im Moment nicht äussern.». In der SÜDOSTSCHWEIZ gibt sich Eckert nun gesprächiger: «Wir haben die Frage der Untersuchungshaft fundiert geprüft, aber es gab schlicht keine Haftgründe. Insbesondere war die Kollusionsgefahr nicht gegeben.» Das ist zunächst schwer verständlich, hatten doch Kritiker moniert, diese sei dadurch gegeben, dass die Angestellten des Verwaltungsgerichts auch neun Monate nach Eingang der Strafanzeige noch immer nicht befragt worden waren und der Beschuldigte damit alle Zeit der Welt hatte, unter ihnen einen ganz anderen Narrativ des Geschehens zu verbreiten.

Eckert führt dazu in der SÜDOSTSCHWEIZ aus, die Kollusionsgefahr müsse für jeden Vorwurf einzeln geprüft werden. Und die Verhältnismässigkeitsschwelle sei für die verschiedenen Delikte, die zur Diskussion stehen, unterschiedlich hoch. Heisst im Klartext: Auch wenn bei den Vorwürfen der sexuellen Belästigung eine Kollusionsgefahr tatsächlich hätte bestehen können, wäre dieser Vorwurf zu wenig schwergewichtig, um dafür eine Untersuchungshaft zu rechtfertigen. Und im Hinblick auf die Vergewaltigung sah die Staatsanwaltschaft offenbar keine Kollusionsgefahr. 

«Fader Beigeschmack» – Kritik auch an der Kommission für Justiz und Sicherheit

Im Beitrag von SCHWEIZ AKTUELL war auch die Arbeit der Kommission für Justiz und Sicherheit (KJS) ein Thema. Gegenüber dem SCHWEIZER FERNSEHEN hat die Kommission offenbar jede Stellungnahme verweigert. Auch auf Anfrage von INSIDE JUSTIZ gab sich deren Präsidentin, die 25-jährige Rechtsstudentin udn Bündner SP-Vizepräsidentin Julia Müller, letzte Woche äusserst wortkarg. Die SRF-Journalistin Livia Bättig sprach davon, die Kommunikationsverweigerung habe einen «faden Beigeschmack», während Professorin Simmler für die heikle Gratwanderung der Kommission ein gewisses Verständnis zeigte, gelte es doch abzuwägen zwischen der Unschuldsvermutung für den Richter und der Glaubwürdigkeit des Gerichts, die durch die Anschuldigungen belastet würde.

 

LESEN SIE AM MITTWOCH AUF INSIDE JUSTIZ:

Warum der beschuldigte Richter immer noch im Amt ist. Und welche kritischen Fragen sich die Kommission für Justiz und Sicherheit des Bündner Parlaments gefallen lassen muss.

 

3 thoughts on “Richter im Home-Office – Kritik an Staatsanwaltschaft GR in «Schweiz aktuell» – Entgegnung in der Südostschweiz

  1. Maurus Eckert schadet nicht nur dem Ansehen der Bündner Staatsanwaltschaft sondern auch dem Ansehen der Militärjustiz. Er sollte als Präsident des Appellationsgericht zurücktreten!

Schreibe einen Kommentar zu OTS120 Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert